Hintergrund: Der inzwischen fast 20 Jahre alte Neue Europäische Fahrzyklus (NEFZ) stand fast genauso lange in der Kritik, weil praxisfremd und weil er zudem Spielwiese für legale Tricks der Autohersteller war. De facto war er ein reiner Laborwert, der Autokäufern bis zu 40% niedrigere Verbrauchswerte nannte, als selbst bei moderatester Fahrweise erreichbar waren.
Verbrauch steigt auf dem Papier, Kfz-Steuer real
Daher ist die Einführung des erheblich anspruchsvolleren WLTP (Worldwide harmonized Light-Duty Test Procedure) eigentlich überfällig und begrüßenswert. Aber realistischere Verbrauchswerte heißt, dass diese jetzt auch auf den Zulassungspapieren erheblich höher ausfallen – nicht in der Praxis. Denn an den Motoren der meisten Pkw-Modelle ändert sich mit dem Stichtag technisch praktisch nichts.
Aber für den der CO2-abhängigen Betrag der Kfz-Steuer (2,00 € je Gramm CO2 pro km oberhalb des steuerfreien Grenzwertes von 95 g/km) ist genau der in der Zulassungsbescheinigung Teil I im Feld V.7 eingetragene CO2-Papier-Wert (g/km) maßgeblich. Er addiert sich zum hubraumbezogenen „Sockelbetrag“ (Ottomotor: 2,00 € je angefangene 100 cm³ Hubraum, Dieselmotor: 9,50 € je angefangene 100 cm³ Hubraum).
73,9 Prozent mehr Kfz-Steuer
Im Schnitt steigen die Papier-Verbrauchswerte laut Experten um etwa 20 Prozent. Aber je nach Modell kann das mehr sein. Außerdem ist das Verhältnis zwischen Sockelbetrag und CO2-Anteil je nach Typ unterschiedlich. Das führt zu der kuriosen Situation, das etwa für einen Peugeot 508 1.6 Pure Tech 180 (Diesel), der am 30.8. 2018 erstmals zugelassen wird, 92 Euro Kfz-Steuer pro Jahr fällig werden, während der Betrag für das gleiche Auto, das einen Tag später zugelassen wird, auf 160 Euro ansteigt, wie der ADAC ausgerechnet hat. Das entspricht einem Anstieg von 73,9 Prozent.
Weil die Kfz-Steuer absolut gesehen überschaubar ist, haben freilich auch relativ hohe Steigerungen nur mäßig höhere Euro-Beträge zur Folge, die sich noch dazu auf ein ganzes Jahr beziehen. So steigt die Kfz-Steuer für den VW Up GTI zwar um 72 Prozent, aber das sind gerade mal 36 Euro, also 3 Euro pro Monat.
Und hier die Tabelle, für die der ADAC die Kfz-Steuer-Steigerung bereits errechnet hat:
Bei allen Modellen konnte der ADAC sowohl den CO2-Wert nach WLTP (im Kfz-Schein: Feld V.7) als auch den CO2-Wert nach NEFZ (Feld 22) konkret der jeweils vorliegenden Zulassungsbescheinigung Teil I entnehmen und so die Kfz-Steuer berechnen.
Fein raus sind laut ADAC „Lagerfahrzeuge (End-of-Series), die nach NEFZ typgenehmigt wurden. Für die “kann der Hersteller beim Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) eine Ausnahmegenehmigung beantragen. Wird diese genehmigt, wird weiterhin der CO2-Wert nach NEFZ für die Steuerbemessung verwendet. Wie viele Hersteller diese Ausnahmegenehmigung in Anspruch nehmen, ist noch nicht absehbar„, so der Automobilclub.
Und was ist mit den Abgasnormen?
Ab dem 1. September 2018 gelten auch neue Abgasnormen, deren Einführung nach dem Dieselskandal die Luft in den Städten erheblich verbessern soll – denn bei ihnen erfolgt die Emissionsmessung nach RDE (Real Driving Emissions), also unter Realbedingungen auf der Straße mit mobilen Meßgeräten (PEMS). Zulassungsfähig sind dann nur noch Pkw mit Abgasnorm Euro 6c mit OBD-Norm 6-2 (Emissionsschlüsselnummer in den Zulassungspapieren: 36AD), Euro 6d-TEMP (36 AG), Euro 6d-TEMP-EVAP (36BG) und Euro 6d (36AJ).
Größter Unterschied zwischen Euro 6c (mit OBD-Norm 6-2) und Euro 6d-TEMP ist, dass bei Euro 6d-TEMP der RDE-Übereinstimmungsfaktor (CF, Conformity Factor) für Stickoxidemissionen NOX von 2,1 erreicht werden muss (Euro 6d-TEMP-EVAP steht nur für ein überarbeitetes Prüfverfahren für Verdunstungsemissionen). Für Euro 6d sinkt dann der RDE-Übereinstimmungsfaktor auf 1,5. Mit dem Faktor darf der ursprüngliche Euro-6-Grenzwert von 80 mg/km (Diesel) multipliziert werden – für Euro 6d Temp liegt er also bei 168 mg/km, für 6d bei 120 mg/km.
Den Conformity Factor haben die Behörden eingeführt, um den Autoherstellern Zeit für technische Weiterentwicklungen zu geben. Denn die ursprünglichen Grenzwerte sind mit den erheblich anspruchsvolleren RDE-Tests viel schwerer zu erfüllen – in der Realität sind die neuen Abgasnormen trotz korrigierter (höherer) Grenzwerte sauberer als die nicht korrigierten zuvor.