Videoaufzeichnungen von Dashcams, also von kleinen Kameras, die auf dem Armaturenbrett oder an der Windschutzscheibe eines Autos angebracht sind und ständig aufnehmen was vor dem Auto passiert, können als Beweismittel in Zivilprozessen dienen. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) jetzt entschieden (Aktenzeichen: VI ZR 233/17).
Der BGH musste unter anderem abwägen, ob der Zulassung der Videoaufnahmen als Beweismittel eventuelle Persönlichkeitsrechte anderer entgegenstehen. Hierzu führen die Richter aus, dass mit der Dashcam nur das Verkehrsgeschehen aufgezeichnet wird, das auch für alle anderen Verkehrsteilnehmer vor Ort wahrnehmbar ist. Außerdem hat der Gesetzgeber für den Unfallhaftpflicht-Prozess den Beweisinteressen des Geschädigten im Rahmen der Regelung für das Unerlaubte Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB) eine besondere Bedeutung zugewiesen. Ein Unfallbeteiligter muss die Feststellung seiner Person und seines Fahrzeugs ermöglichen. Gemäß § 34 StVO müssen auf Verlangen Name und Anschrift angegeben werden, außerdem sind Führer- und Fahrzeugschein vorzuweisen und Angaben zur Haftpflichtversicherung zu machen.

Persönlichkeitsrechte nach wie vor betroffen
Betroffene Persönlichkeitsrechte müssten in gesonderten Verfahren geklärt werden – die Abwägung mit derartigen Interessen führe im Zivilprozess nicht zu einem Verwertungsverbot der Videoaufzeichnungen. Außerdem besteht bei Verkehrsunfällen ein dringender Bedarf an Beweisen, der auch durch nachträgliche unfallanalytische Gutachten nicht zu decken sei. Die Zulässigkeit gilt laut BGH vor allen Dingen, wenn die Dashcamaufnahmen in kurzen Abständen überschrieben und nur nach einem Crash oder einer starken Verzögerung dauerhaft gespeichert werden.
Der Prozess, in dem der BGH jetzt sein Dashcam-Urteil fällte, befasste sich mit zwei Autofahrern, die in Magdeburg auf zwei nebeneinander liegenden Spuren beim Linksabbiegen seitlich kollidiert waren. Der Kläger hatte dabei mit einer Dashcam ein Video aufgenommen. Die Verwendung des Videos als Beweismittel war ihm in der Vorinstanz versagt worden.

Versicherungen wollen Dashcam-Einsatz belohnen
Die Versicherungen begrüßen das Dashcam-Urteil des BGH ausdrücklich. Laut Tibor Pataki, Leiter der Abteilung Kraftfahrtversicherung beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), werden wahrscheinlich auch die Versicherungen Dashcam-Aufnahmen nutzen, um Unfallhergänge aufzuklären. Fahrer könnten beispielsweise für den Einsatz einer Dashcam belohnt werden, indem sie nach einem Unfall ihren Schadensfreiheitsrabatt behalten, wenn aus dem Video hervorgeht, dass sie den Unfall nicht verschuldet haben. Auch im Kampf gegen Versicherungsbetrug eröffnen sich mit Dashcam-Videos neue Möglichkeiten. Ob ein Fahrer beispielsweise vorsätzlich plötzlich abbremst, um einen Unfall herbeizuführen, könnte anhand von Dashcam-Aufnahmen bewiesen werden, so Tibor.
Das sagen die Automobil-Clubs
Auch die Automobilclubs ADAC und AvD begrüßen die Entscheidung des BGH. Der AvD weist aber darauf hin, dass jeder Autofahrer „Herr seiner Daten“ bleiben muss. Insofern darf keine Pflicht bestehen, der Polizei oder dem Gericht Videoaufzeichnungen auszuhändigen, die den Fahrer selbst belasten. Sollte die Polizei so ein Video beschlagnahmen, erwartet der AvD vom Gericht ein Verwertungsverbot.
Der ACV (Automobil-Club Verkehr) begrüßt ebenfalls das Urteil. Der Club geht davon aus, dass sich mithilfe von Dashcamaufzeichnungen Drängler und andere „Verkehrsrowdys“ in die Schranken weisen lassen. In diesem Zusammenhang wünscht sich der ACV einen standardisierten Aufnahmemodus, der die Auslesbarkeit der Daten erst durch eine richterliche Anordnung erlaubt.

Welche Dashcams sind erlaubt?
Da Dashcamaufnahmen die Rechte anderer Unfallbeteiligter verletzen können (Recht auf informationelle Selbstbestimmung und somit das Recht am eigenen Bild), stellt sich die Frage, ob sich derartige Rechtsverletzungen technisch minimieren lassen. Der BGH hat dazu in seinem Urteil eindeutige Hinweise gegeben: Die Dashcamaufnahmen sollten in kurzen Abständen überschrieben und nur nach einem Crash oder einer starken Verzögerung dauerhaft gespeichert werden. Kameras mit diesen Fähigkeiten empfehlen aktuell auch einige Juristen – schließlich befürwortet der BGH keine allgemeine Aufzeichnung des Verkehrsgeschehens. Auch wenn die Verletzung von Persönlichkeitsrechten mit hohen Strafen geahndet werden können, gehen diese Juristen zurzeit davon aus, dass das Risiko, für solch eine Verletzung belangt zu werden, meistens recht gering ist. Somit würde sich auf Grund der Beweiskraft von Videos die Installation einer mit den oben beschriebenen Funktionen ausgerüsteten Dashcam lohnen. Wie die Abgrenzung zwischen Videobeweis und Persönlichkeitsrecht in Zukunft verläuft, wird erst die juristische Praxis der nächsten Jahre zeigen.
Dashcams: In Deutschland noch selten
Dashcams sind in Deutschland noch nicht weit verbreitet, woran sicher auch die bisher unsichere Rechtslage schuld war. Allerdings gibt es die kleinen Kameras teilweise schon ab Werk. Einer der ersten Anbieter in Europa war McLaren: Für die von McLaren Special Operations aufgelegte Karbon-Variante des 675 LT Spider gab es ab Ende 2016 eine Kamera, die zum Aufzeichnen von Rennrunden gedacht war. Preislich massenverträglicher kam Anfang 2017 der Citroën C3 mit aufpreispflichtiger Dashcam. Noch früher war China dran: Mit dem Roewe RX5 verkauft SAIC-Motor (Shanghai Automotive Industry Corporation) seit Mitte 2016 das weltweit erste Smartcar. Der mit einem Betriebssystem von Alibaba ausgerüstete Wagen trägt natürlich auch eine Dashcam hinter seiner Frontscheibe. Nachrüst-Dashcams gibt es inzwischen in einer unüberschaubaren Vielfalt. In der unten stehenden Tabelle haben wir die aktuell meistverkauften Dashcams zusammengefasst.