Zur Expertenrunde zählte neben Daimler-Forschungschef Herbert Kohler, Aral-Vorstandschef Stefan Brok und Dekra-Vorstand Clemens Klinke auch Timm Kehler, Geschäftsführer der Erdgas Mobil GmbH, Thomas Nagel von Michelin sowie Hans-Josef Zimmer, Vorstandsmitglied der EnBW.
Kehler: Der Trend arbeitet für den Erdgasantrieb
Dass der Verbrennungsmotor auch in Zeiten des Elektro-Booms dringend weiter entwickelt werden muss, liegt für Daimler-Forschungschef Herbert Kohler auf der Hand. „Heute fahren wir zu 99,99 Prozent mit Verbrennungsmotoren. Und daran wird sich in den nächsten zehn bis 20 Jahren auch nichts ändern“, so Kohler. Der Elektromobilität komme jedoch ebenfalls eine wichtige Rolle zu. Denn die Kunden fragten mittlerweile verstärkt nach alternativen Antriebstechnologien, das Umweltbewusstsein sei stark gewachsen.
Die Angst vor Stromschlägen, die etwa nach einem Unfall von einem Elektroauto ausgehen könnten, entkräftete Clemens Klinke anhand der von der Dekra realisierten Tests mit Hybridfahrzeugen. Demnach sei es nach den Crashtests zu keinerlei Stromschlägen gekommen. Erstretter könnten die Karosserie bedenkenlos anfassen.
Auch der Erdgasantrieb stand im Rahmen der Podiumsdiskussion im Fokus. Timm Kehler, Geschäftsführer der Erdgas Mobil GmbH, verwies darauf, dass der Erdgasantrieb CO2-Einsparungen in Höhe von 25 Prozent ermögliche und damit der leistungsfähigste Kraftstoff sei. „Erdgas ist der versteckte Champion. Der Marktanteil von Erdgasfahrzeugen ist mit aktuell nur 0,3 Prozent zwar noch stark ausbaufähig. Aber der Trend arbeitet für uns“, so Kehler. Ziel müsse es sein, die Technologie uneingeschränkt verfügbar und bezahlbar zu machen. So seien im vergangenen Jahr rund 12.500 Erdgasfahrzeuge zugelassen worden. Das bundesweite Tankstellennetz umfasse derzeit rund 900 Erdgas-Zapfsäulen. „Früher waren Erdgasautos rollende Verzichtserklärungen. Das ist heute definitiv nicht mehr der Fall“, so Kehler.
Für Aral-Vorstandschef Stefan Brok steht indes fest, dass sich die Kraftstoffqualität kontinuierlich verbessert. „Wir können noch lange Kraftstoffe zur Verfügung stellen. Und weil sich deren Qualität immer weiter verbessert, sinken Verbrauch und CO2-Emissionen“. Gleichzeitig investiere der Aral-Mutterkonzern BP über einen Zeitraum von zehn Jahren rund acht Milliarden Dollar in alternative Energien. Allein in die Weiterentwicklung von Biokraftstoffen fließen knapp zwei Milliarden Dollar. Hier sieht Brok großes Potenzial. Vor allem Ethanol und Bio-Ethanol würden in Zukunft an Bedeutung gewinnen.
Rollwiderstand der Reifen soll sich halbieren
Um Verbrauch und CO2-Emissionen zukünftiger Automodelle weiter zu reduzieren, müsse das Augenmerk nach Meinung von Michelin-Vertreter Thomas Nagel verstärkt auf das Thema Reifen gelegt werden. Sie machten schon jetzt rund 20 Prozent des Verbrauchs aus. „Jede fünfte Betankung ist also auf die Reifen zurückzuführen“, so Nagel. Durch Leichtlaufreifen könne der Verbrauch aktuell um 0,5 Liter pro Kilometer reduziert werden, was einer CO2-Einsparung von zehn Gramm pro Kilometer entspricht. Bei Elektroautos dürften die Pneus nach Ansicht des Experten sogar bis zu 33 Prozent Anteil am Gesamtverbrauch ausmachen. Ziel sei es, den Rollwiderstand in den nächsten 15 bis 20 Jahren zu halbieren.
In der Expertenrunde war man sich einig, dass im aktuellen Fieber um den Elektroantrieb die Quelle des Stroms nicht vernachlässigt werden dürfe. Die sogenannte „Vorkette“, jene CO2-Emissionen also, die bei der Stromerzeugung entstehen, beliefen sich bei Kohlekraftwerken auf rund 25 Prozent. „CO2-freie Autos erfordern auch eine CO2-freie Stromerzeugung“, sagte Hans-Josef Zimmer, Vorstandsmitglied der EnBW. In Kürze startet die EnBW in Stuttgart ein Pilotprojekt mit 500 Elektro-Motorrädern. Zudem werde man weitere große Windparks in Nord- und Ostsee errichten, um eine CO2-neutrale Stromerzeugung zu ermöglichen, so Zimmer. Die Versorgung aus regenerativen Energiequellen wie Wind- und Solarkraft müsse jedoch sichergestellt sein, bevor man aus der Kernenergie aussteige: „Wir müssen sicher stellen, dass die regenerativen Energien stabil laufen. Heute beträgt die gesicherte Leistung von erneuerbaren Energien zehn Prozent, die von Kernkraftwerken liegt bei 90 Prozent.“ Zimmer plädierte in diesem Zusammenhang für eine Rücknahme der Laufzeitverkürzung von Kernkraftwerken.
Daimler-Forschungschef Herbert Kohler lenkte den Fokus auch auf den Brennstoffzellenantrieb: „Die Brenstoffzellenforschung ist weit vorangekommen. Heute spürt man weder bei der Reichweite noch in Sachen Leistung einen Unterschied zum Verbrennungsmotor. Aber oft fehlt es hier an der Umsetzung. Daher würde ich mir auch ein stärkeres Engagement der Mineralölindustrie wünschen“.