VW GTI als Lebensstil – aber ohne Schaltung und Geräusche?

VW ID. GTI für 2026
GTI als Lebensstil – aber ohne Schaltung und Geräusche?

"Es soll richtig schön scheppern," hieß die Anweisung von VW-Chefdesigner Andreas Mindt, als er seine Kollegen auf das neue Projekt vorbereitete – sinngemäß. Der Überlieferung nach war der Ausdruck sogar noch lautmalerischer. Dabei musste Mindt sein Team für diese Studie wohl kaum motivieren. Als nämlich feststand, dass der Konzern die GTI-Philosophie ins Elektrozeitalter retten will, war die Euphorie nicht nur bei den Designern riesig.

Markenchef Schäfer zweifelt am Sound

Gegenüber den Kollegen von Top Gear hat der Vorstandsvorsitzende der Volkswagen Pkw-Gruppe, Thomas Schäfer, bereits erste Zweifel zu einigen Details aufkommen lassen, über die etwa der Hyundai Ioniq 5 N als starker Konkurrent verfügt. Gemeint sind die animierten Schaltvorgänge und der künstliche Verbrenner-Sound. "Wir arbeiten noch daran‚ wie wir die Marke GTI in die Zukunft bringen. GTI ist nicht unbedingt das Motorengeräusch. Es ist ein Lebensstil und ein Gefühl", sagt der 54-Jährige. Schon jetzt ist klar – langweilig soll es einem im elektrischen GTI nicht werden.

Sound werde aber definitiv eine Rolle beim neuen ID. GTI spielen. Die Frage bliebe aber auch für Schäfer noch offen, wie VW das Sounddesign im Detail umsetzt. Der VW-CEO hat bereits Testwagenmodelle für die VW-Führungsriege bauen lassen, mit denen sie herumspielen konnte. Mit dabei: ein elektronischer Drehmomentverteiler, den wir als Torque-Vectoring oder Torque-Splitter kennen. Technisch gesehen sei auch das mit den künstlichen Schaltvorgängen machbar. Die Frage sei, ob es die Leute wollen. Er schätze die potenzielle Fangemeinde dafür bei 50 Prozent ein.

VW ID. GTI Concept auf der IAA

Bereits auf der IAA Mobility 2023 präsentierten die Wolfsburger ihren fertigen Entwurf für den ID. GTI, der bis zu den Anfängen der GTI-Historie vor fast 50 Jahren zurückblickt. In ähnlichem Format feierte nämlich 1976 der Golf I GTI – ebenfalls auf der IAA – seine Weltpremiere. Er ebnete den Weg für erschwingliche und sparsame Sportwagen mit viel Fahrspaß für jeden Tag. Und genau das soll der ID. GTI nun auch erreichen.

VW ID. GTI Concept IAA
Volkswagen

Technische Basis ist der ID. 2all

Weil der im März 2023 in Hamburg präsentierte Elektro-Kleinwagen ID. 2all in etwa der Größe früherer Golf-Generationen entspricht, bildet er die ideale Basis für eine moderne GTI-Interpretation. Auch wenn es sich bei dem Konzeptauto nur um ein sogenanntes Clay Model – also eine Skulptur aus Ton – handelt. Vier Zentimeter tiefer und drei Zentimeter breiter als der ID. 2all lassen den GTI extrem satt auf der Straße stehen. Mit vielen Details aus der GTI-Historie geschmückt, dürfte er in dieser Gestalt nicht nur ausgewiesene GTI-Fans begeistern.

"Den GTI hatte ich schon im Kopf, als ich zum ersten Mal den Stift für die Idee des ID. 2all zu Papier gebracht habe," erklärt Designchef Andreas Mindt. "Jetzt wird sie Realität und ermöglicht es uns, die GTI-Idee in das neue Zeitalter der Elektromobilität zu projizieren." Als Chefdesigner bei Bentley und Leiter Exterieur-Design bei Audi gehörte er bereits zu den wegweisenden Designern bei Volkswagen und schuf Bestseller wie den ersten Tiguan und den Golf der siebten Generation.

Klare Designmerkmale der GTI-Familie

Als Reminiszenz an die lange Historie hat VW die beiden existierenden Konzept-Autos in den Farben lackiert, in denen der Ur-GTI einst zu haben war: Das ID. GTI Concept auf die IAA Mobility ist in Diamantsilber metallic lackiert, das hier gezeigte Modell strahlt in Marsrot. Die rote Einfassung des Kühlergrills ist ein optisches Muss für GTIs – auch wenn die Lamellen in diesem Fall beim E-Auto geschlossen sind. Am Stoßfänger hängt ein schwarzer Frontsplitter mit dem Lufteinlass samt typischer Wabenstruktur darüber (seit der fünften Golf-GTI-Generation).

VW ID. GTI Concept IAA
Volkswagen

Im äußeren Bereich des Kühlergrills befinden sich zwei rote Abschleppösen, wie sie im Motorsport verwendet werden. An den Seiten haben die Designer vertikale LED-Tagfahrleuchten in die schwarz umrandeten Luftschleier des vorderen Stoßfängers integriert. Vor und hinter den mattschwarzen Seitenschwellern fallen die 20-Zoll-Räder in ihren ausgestellten Radhäusern ins Auge, die speziell für das Konzeptauto entworfen wurden. Erinnern soll das Design an die Pirelli-Felge des ersten Golf GTI oder die Denver-Räder aus dem Golf 5 GTI. In der Mitte der Felgen erinnert die Golfball-Form an den charakteristischen Schaltknauf, den es allerdings längst nicht bei allen Modellen gab.

Das "I" in GTI steht nicht mehr für Injection

Das fast 50 Jahre alte Kürzel GTI hatte einst eine eher technische Bedeutung, wobei GT wie bei anderen Fabrikaten auch für Gran Turismo steht – also eine alltagstaugliche Sportlichkeit ohne auf Komfort verzichten zu müssen. Das "I" besetzte zumindest Volkswagen mit der damals hochmodernen Einspritzung "Injection".

Übrigens nutzten auch andere Hersteller in der Vergangenheit das Kürzel GTI. Dabei orientierten die sich aber oft an historischen Rennklassen. "TI" stand früher in Italien beispielsweise für Tursimo Internationale, "GTI" für Gran Turismo Internationale – also verbesserte italienische Tourenwagen beziehungsweise 2+2-Sitzer. Darauf bezieht sich die Neuinterpretation von VW nun freilich nicht. Und statt "Injection" weisen die Wolfsburger dem "I" eine neue Bedeutung zu: "Intelligence".

Charakter früherer GTI-Modelle einstellbar

Intelligent soll sich das Auto nämlich an die Wünsche des Fahrers anpassen. Antrieb, Fahrwerk, Lenkung, Klangerlebnis und sogar die simulierten Schaltpunkte können dank der elektronischen Steuerung im ID. GTI verändert werden. Volkswagen verspricht, dass verschiedene Stile unterschiedlicher historischer GTI-Modelle simuliert werden können. Dazu passen die digitalen Anzeigen in Retro-Optik, die wir vor einigen Monaten vorstellten.

Klar im Fokus steht ein Fahrprogramm, dass den vollelektrischen ID. GTI wie einen Golf GTI I von 1976 fahren lässt – inklusive der Geräuschkulisse. Denkbar sind aber auch der erste Golf GTI II 16V von 1986 oder der legendäre Golf GTI IV "25 Jahre GTI" von 2001. Den Wolfsburgern schwebt vor, dass der ID. GTI eine hochdynamische Zeitmaschine wird. Ein Umstand, den vor allem junge Elektroauto-Hersteller ohne lange Historie beneiden dürften.

Sportliche Fahrleistungen mit Frontantrieb

Wie bei der aktuellen Verbrenner-Generation des Golf GTI auch, werden beim ID. GTI die Vorderräder angetrieben. Allradantrieb ist angesichts des für Kleinwagen modifizierten Baukastens (MEB Entry) zum jetzigen Zeitpunkt unwahrscheinlich. Denkbar sind trotzdem rund 300 PS. Dafür erhält der elektrische GTI eine Vorderachs-Differentialsperre, die vom Fahrdynamik-Manager elektronisch gesteuert wird. Damit wäre der ID. GTI, dessen Basismodell ID. 2all schon 226 PS an die Vorderräder schickt, der erste Elektrowagen mit dieser Technik.

Überhaupt lassen sich über die Elektronik unterschiedlichste GTI-Profile realisieren, da der Antriebsstrang anders als beim Verbrenner beliebig variiert werden kann. Der Fahrer kann im ID. GTI über eine neu entwickelte GTI Experience Control auf der Mittelkonsole selbst bestimmen, welche Charakteristik der kleine Sportwagen aufweisen soll.

Interieur in der Theorie sensationell

Allein die Ideen für den Innenraum würden den Rahmen für diesen Artikel sprengen. In jedem Fall will das zuständige Designteam den Sports- und Spielgeist der Fans wecken. Ob rot strahlende Sitzlogos, die bei Annäherung wie ein Herzschlag pochen, leuchtende Play-Pause-Pedale oder ein Schlüssel in Hexagon-Form, der zum Start ins Lenkrad geklickt werden muss – vor allem die junge Kundschaft dürfte von solchen Gimmicks begeistert sein.

VW ID. GTI Concept IAA
Volkswagen

Rot scheint dabei die Farbe der Wahl zu sein. Wobei sämtliche Ambienteleuchten und auch die glimmende Fläche vor dem Beifahrer auf andere Farbtöne eingestellt werden können. Sobald der Fahrer aber beispielsweise den neuen GTI-Modus aktiviert, schalten die Hintergrundbeleuchtung und alle Anzeigen auf die Farbe GTI Red Turbo um. Und ein neuartiges Augmented-Reality-Head-up-Display eröffnet zudem unbekannte Möglichkeiten. Fährt der Fahrer beispielsweise im GTI-Modus auf die Nürburgring-Nordschleife, kann er sich den Streckenverlauf und die Position seines Autos ganz links auf der Windschutzscheibe anzeigen lassen. Bei der Teilnahme an einem Rennen sind zusätzlich die aktuelle Position im Feld und der Fortschritt ("GTI Achievements") zu sehen.

Echtes Modell lässt noch auf sich warten

So vielversprechend und unterhaltsam die Ideen für das Interieurkonzept auch sind – noch besitzt der hier gezeigte ID. GTI noch nicht einmal einen Innenraum. Wie gesagt, es handelt sich dabei um ein Modell aus Ton. Auf der IAA 2023 wurde ein silbernes Modell gezeigt, das einem echten Auto schon ähnlicher sah. Bevor die ersten VW ID.2 zusammen mit den Konzerngeschwistern von Skoda und Cupra aus dem spanischen Seat-Werk Martorell laufen, vergeht noch einige Zeit. Immerhin verspricht Volkswagen für den ID. 2all (Reichweite: 450 km) einen Preis von unter 25.000 Euro. Frech spekuliert dürfen also mindestens 30.000 Euro für den GTI fällig werden.

Bereits im Dezember 2023 bestätigte VW-Chef-Designer Andreas Mindt, dass der ID. GTI tatsächlich in Serie gebaut wird – und zwar noch 2026. In der bewegten Automobil-Landschaft von heute ist das dennoch eine Ewigkeit. Bleibt zu hoffen, dass sich das Außendesign bis dahin nicht verändert wird, zumindest einige Ideen aus dem Innenraumkonzept überleben und bis dahin nicht fortschrittlichere Konzepte aus China das Segment übernommen haben.