Colin Kolles mag seinen Doktortitel in Zahnmedizin erworben haben. Einen Namen hat sich der in Rumänien geborene 54-Jährige jedoch im Motorsport gemacht. In der Formel 1 war Kolles zeitweise als Rennleiter und Teamchef unterwegs, wenn auch nur bei Hinterbänkler-Teams wie Spyker, HRT und Caterham. In der DTM setzte er mit seinem in Greding ansässigen Rennteam ebenso Audi-Boliden ein wie beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans. Mit überschaubarem Erfolg.
Beim französischen Langstrecken-Klassiker und in der FIA-Langstrecken-Meisterschaft wollen die Bayern im kommenden Jahr ihr Comeback feiern. Dafür bauen sie gerade einen Rennwagen für die Hypercar-Kategorie auf, der allerdings nicht unter dem bisherigen Teamnamen ByKolles antreten soll. Die Truppe will den Hybrid-Renner unter dem Namen Vanwall an den Start bringen. Motorsport-Kennern ist der Name aus den Fünfzigerjahren ein Begriff, als der britische Rennstall mit namhaften Piloten wie Stirling Moss und Tony Brooks erfolgreich in der Formel 1 unterwegs war. 1958 konnte Vanwall gar den Konstrukteurs-Titel gewinnen, der in diesem Jahr erstmals in der Formel 1 vergeben wurde.
V8-Hybridantrieb mit 1.000 PS
Doch zurück zu Colin Kolles und der Vanwall-Wiederauferstehung. In Greding entsteht nämlich nicht nur ein Rennwagen, sondern auch ein Straßenableger des Hypercars. Dieser trägt den Namen des Vanwall-Gründers Tony Vandervell und seinen Leistungswert in der Modellbezeichnung. Der Vanwall Vanderwell 1000 soll folglich 1.000 PS leisten.
Damit ist er deutlich stärker als der Rennwagen, der auf etwa 700 PS kommen soll. Kein Wunder: Während der Le-Mans-Bolide von einem V8-Saugmotor angetrieben wird, vertraut der Vanderwell 1000 zusätzlich auf die Power aus einem Elektromotor. ByKolles aka Vanwall stellen in Aussicht, dass der Verbrenner, der aus der britischen Rennmotorenschmiede Gibson stammt, mit Biokraftstoff gefüttert werden kann. Zum maximalen Drehmoment machen die Bayern jedoch ebenso wenig Angaben wie zu den Fahrleistungen.
Leicht domestizierte Optik
Optisch liegen der Renn- und Straßensportwagen nah beieinander, wenn auch das Design für den Vanderwell 1000 leicht domestiziert wurde. Das frontseitige Spoilerschwert ragt nicht gar so weit nach vorne, anstelle der Zusatzscheinwerfer befinden sich zusätzliche Lufteinlässe in den vorderen Kotflügeln und das längs angeordnete Luftleitelement über der Abdeckung des Mittelmotors ist viel kleiner dimensioniert. Auf den mächtigen Hecklügel verzichtet das Straßenauto komplett, während auch der Diffusor sichtbar abgespeckt wurde. Als dramatisch lässt sich das Erscheinungsbild mit nach oben verlegter Nase, kuppelartigen Greenhouse mit darüber angeordneter Lufthutze und üppig bemessenen Luftein- sowie -auslässen trotzdem bezeichnen.
Die Rennwagen-Basis macht sich auch beim Gewicht bemerkbar. Für den straßenzugelassenen Vanderwell 1000 mit seiner Kohlefaser-Karosserie stellt ByKolles ein Gewicht von exakt 1.000 Kilogramm in Aussicht. Eine nur für Einsätze auf der Rennstrecke vorgesehene Version soll sogar nur 950 Kilogramm wiegen. Sie verzichtet allerdings auf das Hybridsystem, weshalb allein der V8-Benziner – dann mit 650 PS – die Antriebsarbeit erledigt.
Droht ein Streit um die Namensrechte?
Vieles liegt beim Vanwall Vanderwell 1000 jedoch noch im Dunkeln. Wann er auf den Markt kommen wird, ist bislang ebenso unbekannt wie der Preis. Und dann droht auch noch Ärger wegen des Namens: In Großbritannien existiert nämlich ein Unternehmen namens Vanwall Group, das sich selbst als "Nachfolger des legendären britischen Rennstalls aus den 1950er-Jahren" bezeichnet und einen Nachbau des Formel-1-Weltmeisterautos von 1958 anbietet. Offenbar beschäftigt die Angelegenheit bereits die Juristen und sind EU-Behörden bereits dabei, zu prüfen, wer die Namensrechte an Vanwall tatsächlich besitzt.