Lockruf des Herzens hörten nur wenige
Rückblende 2001: Zur Markteinführung kommentierte auto motor und sport-Autor Malte Jürgens: „Jetzt kommt es darauf an, wie viele Autofahrer den Mut zum individuellen Geschmack haben. Die Ansichten über Schönheit, das erklärte schon Immanuel Kant, folgen nicht der Logik; sie folgen allein dem Lockruf des Herzens.“
Dem Lockruf des Herzens folgten wenige. Nach 8.550 gebauten Modellen war schon im Februar 2003 Schluss mit Avantgarde, 1.114 Renault Avantime wurden bis dato in Deutschland verkauft, geplant waren 3.500 Stück pro Jahr. Ursprünglich peilten die Franzosen mit dem Modell 60.000 bis 80.000 Exemplare an – in den ersten fünf Jahren, versteht sich. Ambitioniert, hatte man bei Renault doch nie den Durchschnittskunden im Auge, man suchte, „dynamische Paare und kreative Menschen, die sich vom Mainstream positiv abheben und mit einem Auto nicht in erster Linie ihren Sozialstatus plakatieren wollen“ (auto motor und sport 14/2001).
Patrick le Quément zeichnete den Renault Avantime
Bereits auf dem Genfer Autosalon 1999 stelle Renault den Avantime als Studie vor, gezeichnet von Patrick le Quément, der auch für das Design des Twingo, Scénic, Vel Satis und des Espace verantwortlich war. Nahezu unverändert wurde die Serienversion auf der IAA im gleichen Jahr präsentiert.

4.642 mm lang, 1.834 mm breit und 1.627 mm hoch, auf diesem Platz versammelte der Renault Avantime das Espace-Gesicht, zwei riesige 1,40 Meter lange und 60 Kilo schwere Türen und eine steil stehenden gewölbte Heckscheibe. Auf eine C-Säule verzichtete le Quément ebenso, wie auf Scheibenrahmen. Vier Passagiere konnten den Avantime entern, der hintere Mittelsitz mit Beckengurt war eher als Notsitz ausgeführt. Um den Zugang über die beiden Türen zu erleichtern, verbaute Renault eine neue Türkinematik. Die Scharniere schwenkten den Drehpunkt der Türen rund 10 Zentimeter nach außen, wodurch selbst bei kleineren Öffnungswinkeln ein großer Einstiegsbereich geschaffen werden sollte.
Der puristische Innenraum wurde dank eines Panorama-Glasschiebedachs mit Licht durchflutet, der Fahrer blickte auf mittig angeordnete, in den üppigen Armaturenträger schmal eingelassene Instrumente. 599 Liter Gepäck durften die Reisenden hinter der zackig gestalteten Klappe verstauen, 11,3 Liter genehmigte sich der Top-Benziner, ein Dreiliter-V6 mit 207 PS pro 100 Kilometer. Dieser beschleunigte den fast 1,8 Tonnen schweren Avantime in 8,6 Sekunden auf 100 km/h, maximal standen 220 Sachen auf dem digitalen Tacho.
Mit Leistung glänzte der Avantime nicht
Wer von den kreativen Käufern nicht ganz so viel Power benötigte, hatte noch die Auswahl zwischen einem Zweiliter-Vierzylinder-Turbo mit 163 PS und einem 2,2-Liter-dCi mit 150 PS Leistung.

Mit Leistung, glänzte die Oberklasse-Limousine mit zwei Türen indes kaum. Der Top-Motor wirkte wenig top, sondern zeigte sich im Test laut, dröhnig und durstig. Komfort, Fehlanzeige, die Passagiere werden permanent durchgerüttelt. Wer es im Inneren gemütlich haben wollte, durfte sich auch nicht auf die Heizung verlassen, die war in Sachen Ansprechverhalten, Regulierbarkeit und Luftverteilung wenig Oberklasse-tauglich. Ohnehin schien der Zustieg schwieriger als erwartet, auch weil die Vordersitze kräftig ent- und wieder verriegelt werden mussten. Wegen des Tanks saß man im Fond zwar bequem, aber mit hochgezogenen Knien.
Renault zieht die Notbremse
Hochgezogene Augenbrauen indes gab es bei der Verarbeitung: Farbabweichungen der Kunststoffe sowie billige Gummiecken an den Fensterbrüstungen entsprachen kaum dem Luxus-Anspruch ... „und“, so Renault selbst über den Avantime, „zugegeben: Vielleicht war auch nicht jeder gebaute Avantime reif für seine Zeit. Denn das Traditionsunternehmen Matra – wo der Coupé-Van im Auftrag von Renault gebaut wurde – fiel immer wieder durch Qualitätsprobleme auf. Das wollte und konnte Renault nicht hinnehmen und entschied 2003, die Produktion des Avantime einzustellen“. Mit dem Tod des Avantime starb dann auch die Autoproduktion von Matra.