- Fahreindrücke vom Mercedes Van.EA
- Wendekreis wie ein Kompaktwagen
- Veränderte Optik
- Nordkap-Testfahrt soll Alltagstauglichkeit zeigen
- Elektrische V-Klasse mit autonomer Fahrfunktion
- Van Vision Showcar 2025
Seit 2019 hat Mercedes die Pkw-Version der elektrischen V-Klasse (W447) auf der EVA-I-Plattform am Start. Mit dem neuen Modell geht Mercedes gleich mehrfach neue Wege. Ab 2026 werden alle neu entwickelten mittelgroßen und großen Vans von Mercedes auf der modularen, flexiblen und skalierbaren Elektro-Architektur VAN.EA (Mercedes-Benz Van Electric Architecture) basieren. Zudem rückt Mercedes von der EQV-Bezeichnung ab und wird den E-Van in Anlehnung an die elektrische G-Klasse "V-Klasse mit EQ Technologie" nennen.
Waren die Erprobungsmodelle bislang noch mit einer modifizierten Karosserie der aktuellen V-Klasse unterwegs, so wechseln die Erlkönige nunmehr auf die neue Karosserie. Vom Test der Einzelkomponenten geht Mercedes jetzt zur Erprobung des Gesamtfahrzeugs über. Wir konnten bei Testfahrten am Polarkreis dabei sein und durften hinters Steuer.
Fahreindrücke vom Mercedes Van.EA
Zwei VAN.EA stehen für eine Probefahrt bereit, in einer davon sitzt Chefingenieur Benjamin Kaehler. Mit ruhiger Hand steuert er den Prototypen über den Parcours, erläutert Einzelheiten über das Testprogramm und zeigt, was man hier so alles ausprobieren kann. Zu den technischen Daten gibt man sich noch schmallippig, darum soll es hier auf Eis und Schnee gar nicht gehen. 4Matic mit einem E-Motor vorn, einem hinten, das lässt sich immerhin sagen.
Kaehler pilotiert den Van über eine große Schneefläche. Zu den Hauptzielen der Wintererprobung zähle, so erklärt der Chief Engineer Vans, während er den Protoypen über das glatte Terrain wuseln lässt, die Analyse des Fahrverhaltens bei winterlichen Verhältnissen. Unter anderem verfüge dieses Exemplar über Hinterachslenkung. Die werde der neue Elektro-Van optional mitbringen.
Zum winterlichen Erprobungen zählen diesmal auch die sogenannten μ-Split-Bremsung, wobei das griechische Zeichen für My (gesprochen mü) hier für den Reibwert der Straßenoberfläche steht. Erst probiert der Ingenieur die Vollbremsung aus 80 km/h auf einer Unterlage, links aus festgefahrenem Schnee, rechts aus blankem Eis besteht. Dann darf der Redakteur hinters Lenkrad.
80 km/h auf dem Display, voll in die Eisen. Und es passiert: nichts. Also so gut wie nichts. Ein paar leichte Zupfer im Lenkrad, das ist alles. Der Van bleibt auf Linie, wie ein nordkoreanischer Parteisoldat. Der Wagen kommt sanft und sicher zum Stehen, nicht einmal ein Pulsieren im Bremspedal mahnt daran, dass hier unter schwierigsten Bedingungen gebremst wird. Was im Übrigen den Verdacht nährt, dass auch im Mercedes VAN.EA eine BCU (Brake Control Unit) mit entkoppeltem Pedal zum Einsatz kommt.
Wendekreis wie ein Kompaktwagen
Weiter geht's mit dem Testprogramm. Davor eine kleine Übung: Wenden auf minimalem Raum. Das von Pylonen abgesteckte Quadrat wirkt vom erhabenen Fahrersitz so klein, dass darin bestenfalls eine alte A-Klasse, nicht jedoch ein ausgewachsener Van wenden könnte. Und dennoch: kein Problem mit der mitlenkenden Hinterachse.
Die lenkenden Hinterräder sind auch beim letzten Programmpunkt gefragt, der Fahrt über die Handlingstrecke. Auf dem winkligen Parcours bleibt der Van so handlich wie ein mittelgroßer Pkw, mit sensibler und exakter Lenkung und ebenso sauberem wie berechenbarem Fahrverhalten. Mit der Fahrdynamik eines traditionellen Lieferwagens hat das jedenfalls nicht mehr viel zu tun. Der kräftig anschiebende E-Antrieb mit zwei Motoren vorn und hinten und dem Fahrwerk, das nur kurz mit aufblitzenden Traktionskontrollleuchten an den Untergrund erinnert, unterstreicht den Eindruck geradezu sportlicher Agilität.
Selbst spontane Lastwechsel bringen den Van nicht aus der Ruhe. Auch da helfen selbstverständlich die stabilisierend lenkenden Hinterräder. Verantwortlich für diese Entwicklung sei ein Kollege, den man von AMG ausgeliehen habe, heißt es. Das passt auch zu den – nun ja – Gerüchten, dass es auf der VAN.EA-Plattform nicht nur Vans für den Privat- und Nutzfahrzeugbereich zwischen 3,5 und fünf Tonnen, sondern auch Edel-Vans für den VIP-Shuttle-Betrieb oder eine AMG-Version mit weit mehr als den anvisierten 300 kW.
Die Grundlagen dafür weist der VAN.EA jedenfalls schon mal auf, mit 800-V-Technik, MB.OS-Betriebssystem oder Luftfederung und Hinterachslenkung. Und einen VAN.CA mit Hybridantrieben wird es ebenfalls geben. Aber das ist ebenfalls kein Geheimnis mehr.
V-Klasse mit EQ-Technologie auf Van.EA
Die neue Van.EA (Van Electric Architectur) mit 800-Volt-Technik besteht aus drei Modulen. Das Frontmodul beherbergt den elektrischen Antrieb, der über alle Modelle hinweg gleich bleibt. In der Basisversion bringt Mercedes die elektrische V-Klasse nur mit Vorderradantrieb auf den Markt. Das mittlere Modul umfasst die im Unterboden eingebaute Hochvoltbatterie. Mit diesem Modul ist die Länge der V-Klasse skalierbar, wenngleich das Akku-Gehäuse gleich bleibt und es lediglich mit Batterien unterschiedlicher Kapazität gefüllt wird. Im Heckmodul findet dann in der Allrad-Version der zweite E-Motor-Platz, bei den Modellen mit Frontantrieb bleibt das Modul antriebsseitig leer. Allerdings kann die elektrische V-Klasse mit einer Hinterachslenkung ausgerüstet werden, was gerade bei den Versionen mit langem Radstand für eine bessere Handlichkeit und einen kleineren Wendekreis sorgt. Als Reichweite stehen mehr als 500 Kilometer nach Darstellung des Herstellers im Raum, in 20 Minuten soll der Van von 10 auf 80 Prozent geladen sein.
Veränderte Optik
Gegenüber der alten V-Klasse trägt der neue Van eine flacher liegende Fronthaube, auch die Windschutzscheibe scheint flacher angestellt zu sein. Insgesamt sinkt die Dachlinie, was zu einem schmaleren seitlichen Fensterband führt. Waagerecht ausgeführt wirken zudem die neuen LED-Scheinwerfer. Die Heckklappe scheint im unteren Bereich in der Breite zu wachsen. Übernommen werden dürfte die separat zu öffnende Heckscheibe. Kommen werden ebenso Schiebetüren an beiden Seiten.
Nordkap-Testfahrt soll Alltagstauglichkeit zeigen
Auf einer ersten großen Testtour ist Mercedes mit dem Erprobungsträger rund 3.300 Kilometer gen Nordkap gefahren. In dem konkreten Modell mit Frontantrieb waren das aktuelle MB.OS-Betriebssystem sowie ein 22-kW-AC-Lader verbaut. Ziel der Fahrt war es, "bereits in einem frühen Entwicklungsstadium einen Vergleich zwischen Prüfstand und realem Fahrbetrieb zu ziehen", so Mercedes. Statt wie bisher zwei, drei große Erprobungsfahrten in einem späteren Stadium der Entwicklung mit Hitze- und Kälteerprobung wollte man einen neuen Weg analog zu agilen Softwareprojekten gehen. Entsprechend sind es viele kleine Sprints in crossfunktionalen Teams (wie Pkw oder Van).
Im Rahmen der Fahrt sollte zudem die Alltagstauglichkeit des Fahrwerks und das Fahrverhalten unter realen Bedingungen getestet werden. Außerdem sammelte man Daten zur Effizienz des eATS, zum Energie- und Thermomanagement der Batterie und zum Ladeverhalten. Weitere Effizienzsteigerungen will Mercedes durch Leichtbau, geringere Verlustleistung des Akkus , ein optimiertes Lade- und Kühlsystem sowie eine Optimierung der Energieverbräuche von Bordnetz und Klimatisierung erreichen. Auch weitere Aerodynamik-Maßnahmen für das Exterieur sind geplant.
Elektrische V-Klasse mit autonomer Fahrfunktion
Mit Blick auf die Sensoren, die man beim frühen Prototyp an Spiegeln, am Heck und an der Front erkennen kann, wird es eine weiterentwickelte Version des Drive-Pilot-Systems von Mercedes geben. Allerdings wird das automatisierte Fahren nach SAE-Level 3 erst zum Ende des Jahrzehnts möglich sein, zuvor müssen Kunden mit Level 2 vorliebnehmen.
Der EQV-Nachfolger basiert auf der für Privat-Kunden optimierten Van.EA-P, die neben Freizeitfahrzeugen auch mobile Büros und VIP-Shuttle im Fokus hat. Eine besonders luxuriöse Maybach-Version für die Märkte USA und China ist ebenfalls in Planung.
Van Vision Showcar 2025
Einen ersten Ausblick auf das Serienmodell, das ab 2026 kommt, soll bereits im April 2025 das Showcar Vision V liefern. Ein erstes Teaserbild zeigt den Schriftzug sowie etwas unscharf die Karosseriefläche mit kleinen Mercedes-Sternen. Dazu heißt es bei Mercedes: "Das Showcar Vision V zeigt buchstäblich die Vision von Mercedes-Benz Vans, ein großzügiges Raumangebot mit höchster Exklusivität zu verbinden. Traditionell in feiner Handwerkskunst gefertigte Materialien verschmelzen mit hypermodernen, technisch anmutenden Design-Elementen, die ebenso stilvoll wie unerwartet sind".