Marcello Gandini: Lamborghini-Countach-Designer kritisiert Neuauflage

Kritik von Countach-Designer Marcello Gandini
:
Neuauflage ist „Verleugnung meiner Design-DNA“

© Lamborghini 29 Bilder

Marcello Gandini ist der Schöpfer des originalen Lamborghini Countach. Für die Neuauflage Lamborghini Countach LPI 800-4 und den Hersteller hat der Italiener nur herbe Kritik übrig.

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Als Lamborghini Mitte August mit dem V12-Hybrid-Boliden Countach LPI 800-4 (siehe Fotoshow oben in diesem Artikel) die Neuauflage des Sportwagen-Keils vorstellte, waren die größten Worte gerade bedeutungsschwer genug. "Der Countach ist eine der wichtigsten Ikonen des Automobils", sagte Marken-Chef Stephan Winkelmann damals. Er verkörpere "unsere Philosophie, Grenzen neu zu ziehen, Unerwartetes und Außergewöhnliches zu erreichen und vor allem der ‚Stoff, aus dem Träume sind‘ zu sein." Zur Neuauflage lässt sich der Lamborghini-Präsident und -CEO wie folgt zitieren: "Er stellt dar, wie sich der legendäre Countach der 70er- und 80er-Jahre zu einem Elite-Supersportmodell dieses Jahrzehnts hätte entwickeln können."

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Lamborghini hat den Countach 500 wieder auf die Räder gestellt.
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Auf die Premiere im Sommer 2021 folgte im Spätherbst eine Probefahrt mit ersten Tests des wiederaufgebauten LP 500.
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Von Pirelli stammen die rekonstruierten "Cinturato CN12" mit historisch korrektem Profil.
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Die erste Ausfahrt fand auf der Pirelli-Teststrecke Vizzola Ticino statt.
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Das originale Auto war 1974 bei Crashtests zerstört worden.
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Das Interieur wurde ebenso rekonstruiert wie das Äußere.
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Zusatzanzeigen im Cockpit des LP 500.
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Im November zeigte Lamborghini das Auto in einer Ausstellung.
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Unter der Klappe arbeitet ein V12-Motor. Genaue Daten gibt Lamborghini nicht preis.
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Der Countach war bei seiner Premiere 1971 ein Design-Meilenstein mit charkateristischen Details.
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Die Kühlluftöffnungen wurden in der Serie später neu gestaltet, um mehr Luft zum Motor zum leiten.
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Dieses Bild zeigt gut, wie exponiert Fahrer und Beifahrer hinter der flachen Frontscheibe sitzen.
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Der Countach ist extrem flach und kantig, wirkt dadurch sehr sportlich und extravagant.
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Lamborghini hat das Showcar LP 500 für einen Kunden und Sammler rekonstruiert.
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Der Sportwagen wurde in mehr als 25.000 Arbeitsstunden orginalgetreu wieder aufgebaut.
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1971 wurde der LP 500 als Idea Car auf dem Genfer Autosalon gezeigt und drei Jahre später bei Crashtests zerstört.
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Seine „zweite“ Premiere feiert der Sportwagen auf dem Concorso d’Eleganza Villa d’Este in der Kategorie Konzeptfahrzeuge.
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Mit Hilfe des Pirelli-Archivs konnte auch der „Cinturato CN12“-Reifen nachgebaut werden.
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Absolut spoilerfrei - das Heck.
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Übrigens, Lamborghini hat unlängst eine moderne Interpretation des Countach gezeigt.
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Der legendäre Countach wird neu aufgelegt - und wie!
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Unter dem 70er-inspirierten Kleid steckt der Antriebsstrang des Sian.
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Dieser setzt sich aus einem V12-Sauger und einem Elektromotor im Getriebe zusammen.
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Gemeinsam bringen es die Aggregate auf 814 PS Systemleistung und 355 km/h Höchstgeschwindigkeit.
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Beim Design zeigen sich einige Verweise auf das Ur-Modell. Beispielsweise die Anordnung der Rückleuchten.
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Andere Elemente, wie die Lufteinlässe, sind neu interpretiert und fügen sich stimmig ins Gesamtbild.
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Im Innenraum hat der Neue mit dem Alten freilich wenig zu tun.
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Lediglich die Steppung der Sitze erinnert an den Original-Countach.
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Der Rest fällt deutlich digitaler aus.
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Analoge Instrumente gibt es im neuen Countach nicht mehr.
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Den 8,4 Zoll großen Touchscreen rahmt Karbon ein.
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Scherentüren sind ein Muss für Zwölfzylinder-Modelle von Lamborghini. Diesen Brauch hat der erste Countach gestartet.
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In 2,8 Sekunden beschleunigt der Countach LPI 800-4 auf 100 km/h.
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Seine Kraft schickt der Supersportwagen an alle vier Räder.
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Üblicherweise tragen Lamborghini-Modelle keine Modellnamen. Das darf nur der Countach - damals wie heute.
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Insgesamt 33 Farben bietet Lamborghini für den LPI 800-4 an.
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Die schlechte Nachricht? Es wird nur 112 Exemplare geben. Und die sind bereits alle verkauft.

Marcello Gandini, der Designer des legendären Original-Countach, für den 1971 – also vor genau 50 Jahren – das Showcar LP 500 den Weg bereitete, scheint die Sache völlig anders zu sehen. Zumindest fühlte sich der inzwischen 83 Jahre Italiener genötigt, in einem offenen Brief ein paar Dinge bezüglich des Countach LPI 800-4 zurechtzurücken. Darin distanziert sich Gandini nicht nur von dem neuen Modell, sondern tritt auch dem Eindruck entgegen, er habe daran mitgewirkt. Er sieht sich genötigt "klarzustellen und zu wiederholen, dass er nicht an dem Projekt beteiligt war und keine Kenntnis davon hatte". Und weiter: "Die Vermutung, dass es sich um einen neuen Countach handelt, der von Marcello Gandini stammt (und sei es auch nur als Zustimmung), ist unwahr." Weiter kann man verbal nicht auf Distanz gehen.

"Nicht seinem Geist und seiner Sicht der Dinge"

Doch nicht nur das. Gandini erklärt in seinem Statement, dass "das Remake nicht seinem Geist und seiner Sicht der Dinge" entspreche. "Ich habe meine Identität als Designer, insbesondere im Bereich der Supersportwagen, die ich für Lamborghini entworfen habe, auf einem einzigartigen Konzept aufgebaut: Jedes neue Modell musste sich von dem vorherigen völlig unterscheiden. Mut und die Fähigkeit, mit dem Erfolg des vorherigen Autos zu brechen, die Gewissheit, der Gewohnheit nicht nachgeben zu wollen, waren die Essenz meiner Arbeit." Zwar sei es klar, dass sich die Märkte und das Marketing seither stark verändert hätten. "Aber die Wiederholung eines Modells aus der Vergangenheit ist meiner Meinung nach eine Verleugnung der Grundprinzipien meiner DNA als Auto-Designer."

Design-Talk alt und neu 2:49 Min.

Ganz besonders verärgert scheint Gandini wegen eines am 15. Juni 2021 gedrehten Videos zu sein, das die Lamborghini-Presseabteilung im Zuge der Präsentation des Countach LPI 800-4 veröffentlichte. Darin unterhält er sich mit dem aktuellen Design-Chef der Sportwagen-Marke, Mitja Borkert, über seine eigene Kreation und dessen Reinkarnation, die Lamborghini zum Countach-Jubiläum auflegt. Allzu begeistert von dieser scheint der Italiener während des – Original-Zitat – "Plauderstündchens" nicht zu sein. Als Borkert anhand von Zeichnungen und eines Modells seine Ideen erklärt, nickt Gandini verhalten und zieht die Mundwinkel nur verhalten nach oben."In seiner gewohnt eleganten und höflichen Art lächelte Marcello Gandini und nahm das von Borkert vorgestellte Modell während des Gesprächs entgegen", heißt es dazu in Gandinis Brief.

Serienauto statt "persönlicher Hommage"

Der Design-Grandseigneur hätte es wahrscheinlich auf sich beruhen lassen, würde Lamborghini den Countach LPI 800-4 jetzt nicht in Serie bauen. "Weder vor noch während des Interviews wurde erwähnt, dass das Fahrzeug für eine limitierte Serienproduktion vorgesehen war." Gandini war wohl der Ansicht, das von Borkert gezeigte Modell sei eine "persönliche Hommage an Maestro Gandini", die er für sich selbst und als Grundlage für ein Jubiläums-Modell angefertigt hatte, das im August in Pebble Beach anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des LP-500-Showcars enthüllt werden sollte.

© BMW

Marcello Gandini beim Concorso d'Eleganza Villa d'Este im Jahr 2019.

Die Linienführung des neuen Lamborghini Countach LPI 800-4 kommt in der Designer-Gilde übrigens generell nicht gut an. Viele Auto-Gestalter haben sich zur Neuauflage bereits kritisch zu Wort gemeldet. Besonders deutlich wurde dabei Ex-BMW-, Ferrari- und McLaren-Designer Frank Stephenson, der in einem Video sagt, Lamborghini missbrauche die großartige Reputation des originalen Countach als "Melkkuh". Die Kundschaft scheint da jedoch anderer Ansicht zu sein: Die Kleinserie von 112 Exemplaren ist bereits ausverkauft – und das trotz des Stückpreises von gut zwei Millionen Euro.

Fazit

Ist da ein verdienter, mit starker Reputation ausgestatteter Ex-Lamborghini-Mitarbeiter tatsächlich unwissend und unter Vortäuschung falscher Tatsachen für PR-Zwecke eingespannt worden? Oder fühlt sich hier ein eitler Designer nicht genug eingebunden oder gar in seiner Ehre angekratzt, weshalb er sein Vermächtnis gefährdet sieht? Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo in der Mitte, zumal die Tatsache, dass der Lamborghini Countach LPI 800-4 längst ausverkauft ist, jede weitere Diskussion erübrigen sollte. Aber es geht nun mal um eine der Sportwagen-Ikonen der Automobilgeschichte. Ein Auto, dessen Poster in unzähligen Kinderzimmern und Garagen hing oder noch hängt, lässt eben kaum einen Fan kalt. Weshalb Gandinis Einlassungen zum LPI 800-4 doch etwas mehr sind als "nur" pure Design-Kritik.

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