Hongqi L5 im Check: So fahren Chinas Mächtige und Reiche

Hongqi (Red Flag) L5 V8 im Check
Rote Flagge für Chinas Mächtige und Reiche

Honqi L5 Chinas Staatslimousine
Foto: Luca Leicht

5,56 Meter Länge, 2,02 Meter Breite, und an den vorderen Kotflügeln zwei Standartenhalter im Kingsize-Format: Wer diesem Auto in China begegnet, dürfte wissen, dass man seinen Insassen besser Platz macht. Auf der Messe trägt die Limousine an den oben rund abgeschlossenen Kotflügeln keine rote Flagge der Staatsmacht. Dafür prangt weiter unten an der Flanke eine aus Plastik. Auch auf der Haube leuchtet eine transparente, strahlend rote, in Chrom gefasste, stilisierte Plastikflagge. Denn den L5 baut die FAW-Marke Honqi, was nichts anderes heißt als "rote Flagge". Insofern passt der L5 bestens ins Portfolio. Das Gesicht des 11 m²-Trumms mit dem mächtigen, chromglitzernden Kühlergrill blickt aus zwei suppentellergroßen Rundscheinwerfern eher manga-freundlich auf die Untergebenen, denn im Inneren der Scheinwerfer erzeugen Chrom und Glas die Optik einer allerdings farblosen Iris.

Wie bei den Scheinwerfern versteckt sich unter der Retro-Form moderne Technik. Hinter dem Kühlergrill arbeitet ein 6,0 Liter-V12 oder wie beim Ausstellungsstück ein 4,0-Liter-V8-Biturbo mit 408 PS. Er gibt seine rund 560 Nm Drehmoment an eine 6-Gang-Automatik weiter, die an einen Allradantrieb gekoppelt ist. Vermutlich muss der gar nicht an so viel Gewicht ziehen, wie man meinen könnte: Die Karosse ist an vielen Stellen aus Plastik: Die Kotflügel und Haube bestätigen die Behauptung des Standpersonals beim Klopftest. Der Chrom an Grill und Scheinwerfern hingegen fühlt sich metallisch kalt an.

Sehr saubere Verarbeitung im Innenraum

Beeindruckend auch der Innenraum. Dass die Platzverhältnisse angesichts der schieren Größe gut sind, überrascht weniger: Vorne sitzt man bequem auf breiten Sesseln, die wie das Lenkrad elektrisch verstellbar sind. In der Mitte des Steuers strahlt dem Fahrer eine rot eingefasste goldene Sonnenblume entgegen. Die Hupe wird über Ring in der unteren Hälfte des Lenkrads betätigt. Etwas übertrieben, aber eben ganz im Stil der 50er.

Honqi L5 Chinas Staatslimousine
Luca Leicht

Hinter dem Steuer liegt ein hölzernes Armaturenbrett, allerdings ohne Armaturen. Die Instrumente werden allesamt im riesigen Touchdisplay in der Mitte angezeigt. Insgesamt erinnert der Innenraum eher an ein englisches Luxusmodell, die ebenfalls für ihre akkuraten, doppelten Ziernähte und ihren exzessiven Umgang mit Leder glänzen. Der Honqi L5 legt da aber noch einen drauf und verwendet auf Wunsch chinesische Seide. So spürt man selbst vom Chauffeursitz aus die Macht, die eigentlich im Fond Platz nimmt.

Dort sitzt man selbstverständlich noch einmal deutlich komfortabler. Weich gebettet auf der bequemen Bank und mit üppigem Fußraum lässt sich vom Fond aus sicher stundenlang dem jubelnden Volk durchs Fenster zuwinken, ohne dass das Sitzfleisch leidet. Die Scheiben waren zu unserer Überraschung übrigens nicht gepanzert.

Modernes Infotainment hübsch verpackt

Ist mal niemand in der Nähe, dem man Aufträge erteilen kann, muss der Fondpassagier aber nicht Trübsal blasen. Stattdessen kann er entweder über die Touchscreen-Fernbedienung in der Mittelarmlehne über das Infotainmentsystem regieren oder einen der beiden Touchmonitore ausfahren, die mit einem filigranen Mechanismus hinten in den Sitzen eingelassen sind, und dort Filme schauen oder dem chinesischen Staatsfernsehen folgen. Für die Erfrischung zwischendurch bietet der Fond außerdem einen eigenen Kühlschrank mit Champagnerglashalter.

Vor allem, wie gut selbst Details gemacht sind, nötigt Respekt ab: Die Ziernähte sind alle sauber gezogen, in Leder und Seide sind keine Falten, die dort nicht sein sollten, und die Mimik der ausfahrenden Monitore im Fond ist eine Schau. Selbst die sonst so chinatypischen Ausdünstungen von Kleb- und Kunststoffen riecht man im Wagen mit der roten Flagge auf der Haube nicht. Hinzu kommen Zutaten wie ein Bose-Soundsystem und eine gläserne, selbstständig abdunkelnde Sonnenblende für Fahrer und Beifahrer. Das Standpersonal zeigte stolz, wie sich die durchsichtige Scheibe abdunkelt, wenn die Handy-Taschnelampe von vorne draufleuchtet. Zudem haben die Designer das chinesische Honqi-Schriftzeichen mal ins Leder des Automatikwählhebels geprägt, mal kunstvoll auf die Keramik gezeichnet, mal illuminiert in Schweller den Schweller integriert. An Liebe zum Detail fehlt es hier nicht.

Die einzige Schwachstelle: Die Fußablage für das arbeitslose linke Bein des Fahrers: Die Aluplatte haben die Honqi-Mitarbeiter lieblos mit eloxierten Spaxschrauben, die messingfarben statt silbern glänzen, im Bodenblech verankert. Das geht sicher schöner. Vor allem wenn man bedenkt, dass der staatstragende Wagen, der seit 2014 auch für Privatleute zu haben ist, etwa 600.000 Euro kostet. Dafür gibt es immerhin das Versprechen einer lebenslangen Garantie. Vielleicht kann man die billigen Schrauben gleich mal beanstanden.