Es war der tragische Ausklang einer Saison, die mit einem Highlight enden sollte. Bei IndyCar-Saisonfinale waren 2,5 Millionen Dollar Preisgeld für den Fahrer ausgelobt, der nicht die komplette Saison bestritten hat und in Las Vegas gewinnt. Einziger Kandidat war Dan Wheldon. Jacques Villeneuve hatte in weiser Voraussicht abgesagt. Andere Fahrer konnten wegen Verpflichtungen in anderen Rennserie nicht teilnehmen.
Keine Chance auf Überleben
Elf Runden nach dem Start war der zweifache Sieger des Indy 500 tot. Wheldon wurde das Opfer einer Massenkollision zwischen den Kurve 1 und 2, in die insgesamt 15 Fahrer verwickelt waren. Der Dallara des Sam Schmidt-Teams war am Hinterrad von Charlie Kimball aufgestiegen, hatte sich im Flug zunächst mit dem Auto von Ernesto Viso verhakt und war dann kurz vor dem Mauerkontakt von dem ebenfalls durch die Luft fliegenden Dallara von Pippa Mann so unglücklich abgelenkt worden, dass er in den Sicherheitszaun oberhalb der Betonumrand krachte.
Der endgültige Unfallbericht liegt nun vor. IndyCar hat die Ergebnisse der Untersuchung am 15. Dezember veröffentlicht. Präsident Brian Barnhart erklärte: "Der Unfall war nicht überlebbar. Mehrere unglückliche Umstände gleichzeitig haben Dan das Leben gekostet." Ungefähr 3,8 Sekunden vor dem Kontakt mit dem linken Hinterreifen von Charlie Kimballs Ganassi-Dallara betrug Wheldons Geschwindigeit noch 361 km/h. Als Wheldon erkannte, dass weiter vorne mehrere Autos Richtung Mauer abbogen, reduzierte er die Gaspedalstellung zunächst auf 55 Prozent, zog nach innen und stieg in die Bremsen. Beim Aufprall notierte der Unfallschreiber eine Geschwindigkeit von 266 km/h. Die Gaspedalstellung betrug da nur noch zehn Prozent.
Nach dem Reifenkontakt flog das Auto mit der Startnummer 77 durch die Luft und begann sich nach rechts zu rollen, auch hervorgerufen durch die Berührung mit Visos Dallara. Dabei wurden Verzögerungswerte von 30 g lateral, 47 g in Längsrichtung und 25 g vertikal gemessen. Wheldons Auto berührte mit dem rechten Hinterrad den Asphalt, drehte sich einmal um die Achse und flog rückwärts Richtung Mauer. Das Cockpit war dabei der Mauer zugewandt. Insgesamt wurden auf Wheldons 99 Meter langen Irrfahrt durch die Luft zwölf Einschläge registriert, die mit Ausnahme von einem alle harmloser Natur waren. Den allerdings konnte der unglückliche Wheldon nicht überleben.
Tod durch Sicherheitszaun
Durch einen zusätzlich Stoß wurde das Chassis auf eine Höhe katapultiert, die über der Mauer lag. Beim ersten Aufprall in den Sicherheitszaun mit der rechten Chassisseite traf das Fahrzeug einen massiven Zaunfosten. Das passierte exakt 2,1 Sekunden nach dem Aufsteigen von Wheldons Auto. Dabei wurden der Karbonröhre vom vorderen Chassischott bis zum Cockpitt massive Schäden zugefügt. Der Überrollbügel hakte ein und brach durch die Drehbewegung ab. Wheldons Kopf wurde dabei mit 250 g in Längsrichtung, 100 g nach rechts und 200 g von oben nach unten beschleunigt. Die hohen Longitudinalwerte lassen darauf schließen, dass der Pfosten den Helm von vorne traf. Der Kopf- und Nackenschutz war durch den Kontakt mit dem Helm in drei Teile zerbrochen.
Der Zaun erfüllte seinen Zweck für den Fall, dass dahinter Zuschauer gestanden wären. Das Auto prallte an ihm ab und wurde zurück auf die Rennstrecke geschleudert. Wheldon erlitt bei dem Einschlag tödliche Kopfverletzungen. Ansonsten war der 33-jährige Engländer unversehrt.
IndyCar führte auch eine Untersuchung durch, ob Ovale mit derart überhöhten Kurven wie in Las Vegas geeignet für Rennen mit Fahrzeugen mit freistehenden Rädern sind. Die Kurven auf dem Las Vegas Speedway weisen einen Winkel von 20 Grad auf. Videoanalaysen und Aussagen der Fahrer brachten zu Tage, dass in dem Nudeltopf mehr Bewegung im Feld stattfand als je zuvor, auch weil die Bahn viele unterschiedliche Linien zuließ. Das habe die Chance von Kollision im Feld deutlich erhöht. Außerdem sei es für die Fahrer im dichten Pulk sehr schwer gewesen, die Absichten ihrer Kollegen zu antizipieren.
Rennen sollen sicherer werden
Der Dallara war in seinen acht Jahren Streckenpräsenz im Oval zu einem alltagstauglichen und unproblematischen Gefährt geworden. Das verleitete die Fahrer dazu, mit der Linienwahl zu experimentieren. Barnhart kündigte an, dass die neue Fahrzeuggeneration, die 2012 Einzug hält, höhere Ansprüche an die Fahrer stellen wird. Besonders auf Ovalen. Mit anderen Worten: Die Spreu trennt sich besser vom Weizen. Barnhart glaubt nicht, dass 34 Autos auf einem nur 2,4 Kilometer langen Oval zu viel waren. "Der Unfall hätte sich auch bei einem kleineren Feld so abspielen können."
Trotzdem will IndyCar in Zukunft die Strecken nach strengeren Gesichtspunkten auswählen. Man kam zu dem Schluss, dass gerade die Rennen auf Ovalkursen mit starker Überhöhung einer individuellen Sicherheitsuntersuchung bedürfen. Deshalb flog das Rennen von Las Vegas aus dem 2012er Kalender. Man will auf dem Speedway nahe des Spielerparadieses zunächst ausgiebige Testfahrten mit dem 2012er Auto abspulen, bevor man den Kurs vielleicht 2013 wieder ins Programm aufnimmt.
Der neue Dallara wird bessere Sicherheitsausstattungen haben als sein Vorgänger. Ein längeres und breiteres Cockpit, eine großzügigere Auspolsterung, mehr reißfeste Beplankung an den Chassisflanken und einen erweiterten Nackenschutz. Außerdem soll die Sicht aufgrund einer geänderten Fahrerposition besser werden. Barnhart schloss den Untersuchungsbericht mit den Worten: "Aus Tragödien wie dieser kann man nur lernen. So enttäuschend die Erkenntnis auch sein mag: Der einzig positive Aspekt ist, dass die Rennen danach etwas sicherer werden."