Es war ein schnöder Abzweig mit seifigem Boden, der die Spannung im Spitzenkampf schon auf der ersten Prüfung der zweiten Etappe zunichte machte. Jari-Matti Latvala kam im VW Polo beim Versuch Teamkollege Sébastien Ogier mit einer Morgenattacke zu überraschen einen Hauch zu schnell an den Rechtsknick der legendären Prüfung Clocaenog und endete im Graben.
"Ich habe ein bisschen zu panisch gebremst, und sofort standen alle Räder und der Motor ging aus. Ich habe beim Bremsen versucht, ihn wieder anzukriegen, aber dazu war es zu rutschig, und ich mit dem Heck voran in einen Graben gerutscht." Zwar fanden sich sofort hilfewillige Zuschauer, doch es dauerte über drei Minuten, bis der Polo wieder auf der Straße stand. "Ehrlich gesagt, wären finnische Zuschauer schneller gewesen", sagte Latvala.
Hirvonen und Meeke im spannenden Verfolgerduell
Doch der WM-Zweite grämte sich wenig über den Zeitverlust, denn mit dem Fehler in Zeitlupe - der Polo rutschte mit nur 30 km/h ins Aus - war der Kampf um die Spitze ohnehin verloren, zumal der VW seines Heckflügels beraubt bis zum Mittagsservice vor allem in schnelleren Kurven ein heikles Fahrverhalten an den Tag legte. Latvala fand sich auf Rang zehn wieder und konnte nun entspannt zuschauen, wie sich andere bei der Hetzjagd auf den tückisch glatten Strecken abplagten.
Mit 7,7 Sekunden Vorsprung auf Verfolger Kris Meeke war Ford-Pilot Mikko Hirvonen in den zweiten Tag gestartet. Fünf Prüfungen später waren es noch 0,7. Dann überholte der Ire im Citroën den Finnen und lag seinerseits 1,1 Sekunden vorn. Eine Prüfung später drehte Hirvonen den Spieß um 3,3 Sekunden wieder um und Meeke ärgerte sich ein bisschen: "Ich habe wie am Freitag in der selben Kurve zwei Mal den Motor abgewürgt. Ich glaube mittlerweile, dass irgendwas mit der Kupplung nicht stimmt."
Schließlich blieben Hirvonen 3,4 Sekunden Vorsprung im Etappenziel und damit die Aussicht auf ein packendes Finale zum Karriereende des 34-Jährigen Normannes. Von einer Spaßfahrt allerdings will er nichts wissen: "Ich wäre mit einem Podiumsrang sehr glücklich, aber trotzdem kämpfe ich bis zum Ende um Platz zwei." Hirvonen kommt entgegen, dass Meeke nicht alles riskieren darf: "Ich muss an Platz zwei in der Marken-WM denken", sagt der beste Brite im Feld.
Citroën-Pilot Östberg im Pech
Eigentlich war die Jagd um Rang zwei ein Dreikampf, denn Mads Östberg im zweiten Citroën folgte Meeke und Hirvonen bis zum Mittag wie ein Schatten. Doch ein Problem an der Gegensprechanlage und der hektische Reparaturversuch ließen ihn und Beifahrer Jonas Andersson in Zeitnot geraten. Um Sekunden kam das Duo zu spät zur nächsten Zeitkontrolle und kassierte zehn Strafsekunden. Damit nicht genug, löste sich auf der vorletzten Tagesprüfung am rechten Hinterreifen die Lauffläche. Östberg rumpelte vier Kilometer mit dem Schaden ins Ziel. Der um sich schlagende Reifen zerstörte die linke hinter Flanke des DS3 und der Zeitverlust die Moral seines Lenkers: "Ständig läuft in der zweiten Saisonhälfte etwas schief. Aber das Gute ist, morgen ist die Saison vorbei", maulte der Norweger.
Trotz seines Ausrutschers am ersten Tag und über einer halben Stunde Rückstand ließ sich Andreas Mikkelsen die Laune nicht verderben. Der Fahrer des dritten Werks-Polo startete als am schlechtesten platzierter WRC-Fahrer als erster in die Etappe, auf dem tiefen Boden der von tagelangem Regen durchweichten Waldwege in klarer Vorteil. Fünf Mal Schnellster, vier Mal Zweitschnellster lautete die Bilanz. Mikkelsens Sturmlauf zeigt, dass gerade auf den ersten Durchgängen die Startposition vorn extrem hilft, eine Erklärung, warum die VW-Kollegen Ogier und Latvala am ersten Tag dem Feld so leichtfüßig davoneilten.
Ogier ließ sich nach Latvalas frühem Ausritt auf keine Tempobolzerei mehr ein und schenkte 15 Sekunden Vorsprung auf Hirvonen her. Der Franzose sieht allerdings die größte Gefahr darin, dass ihm keine Gefahr mehr droht: "Es war ein langer Tag. Natürlich freue ich mich über meine Lage, unbedrängt vorn zu sein. Aber ich kann nicht zu langsam fahren, denn dann verlierst du den Rhythmus und das Auto untersteuert die ganze Zeit. Es ist so leicht, einen Fehler zu machen."
Lokalmatador Evans kommt immer besser in Fahrt
Elfyn Evans stammt aus Wales und schwört: "Seit ich denken kann, war es nie so glatt. Die Strecken sind wie poliert." Der Youngster im M-Sport-Team kommt dennoch immer besser in Fahrt. Mit guten Zeiten arbeitete er sich in seinem Fiesta an die Vorderleute heran. Evans kam als Sechster ins Etappenziel, ist aber nur 11,2 Sekunden von Östberg auf Platz vier entfernt.
Nur 3,3 Sekunden hinter dem Norweger liegt Thierry Neuville im schnellsten Hyundai. Den Belgier bremste nach einem Nasenstüber im i20 ein ausgefallener Lampenbaum auf der ersten von zwei im Dunkeln zu absolvierenden Prüfung. "Das war ganz schön dunkel da im Wald", gestand der Fünftplatzierte. Seine Teamkollegen Juho Hänninen und Hayden Paddon fuhren begünstigt durch gute Startplätze nach durchwachsenem ersten Tag zeitweilig ordentliche Zeiten, aber Rang 40 für den Finnen und Platz elf für den Neuseeländer bedeuten bisher null Punkte.
Tänak bester Nicht-Werksfahrer
Bester Nicht-Werksfahrer ist der möglicherweise nächstjährige M-Sport-Werksfahrer Ott Tänak auf Platz sieben. Allerdings hat der Este auf seinen DMack-Reifen schon früh den Anschluss an Markenkollege Elfyn Evans verloren. 40 Sekunden Rückstand sind zu viel. Andererseits liegen seine Verfolger Henning Solberg und Martin Prokop auf weiteren Ford Fiesta über eine Minute zurück auf den Rängen neun und zehn. Direkt hinter Tänak hockt Jari-Matti Latvala, der nach seinem Fehler noch eine Bestzeit fuhr und zwei Plätze gutmachen konnte. Aber 54 Sekunden Rückstand auf Tänak sind auf nur mehr 46 verbleibenden Kilometern zu viel.
Doch beim Kampf um die Ränge zwei bis fünf ist noch alles drin. Am finalen Sonntag sind sechs Prüfungen ohne jeden Service zu absolvieren. Mikko Hirvonen verkündete am Samstagabend: "Ich werde jeden Kilometer genießen."