Die Niederlage beim Heimspiel am Nürburgring schmerzte, aber noch mehr schmerzte die Deutlichkeit: während sich Audi und Porsche in der LMP1-Klasse bei den ersten 3 WM-Läufen in Silverstone, Spa sowie beim 24h-Rennen in Le Mans faszinierende Duelle auf Augenhöhe lieferten, kassierten die Ingolstädter in der Eifel eine Klatsche: Porsche kam mit einem komplett neu entwickelten High-Downforce-Paket für die zweite Saisonhälfte der Sportwagen-WM zum Deutschland-Heimspiel - und rammte Audi in Grund und Boden.
Im Mittel der 20 Prozent der schnellsten Rennrunden war Porsche 0,7 Sekunden pro Runde schneller als Audi. Dazu konnten die Schwaben beim Nachtanken jeweils 5 bis 6 Sekunden pro Boxenstopp auf Audi gutmachen - die Überlegenheit von Porsche war erdrückend, Audi hatte in der Eifel null Chancen.
Audi in Austin mit Verbesserungen am Auto
Das war vermutlich selbstverschuldet: während Porsche auf der Aero-Seite Gas gegeben hatte, kam Audi Sport mit dem Aero-Paket aus Le Mans in die Eifel, das eigentlich für ein niedriges Abtriebsniveau konzipiert ist. In Austin geht Audi nun wieder mit mehr Abtrieb an den Start, um vor allem Reifennutzung und Rundenzeitenkonstanz zu verbessern. Am Nürburgring klagten die Audi-Chauffeure über inkonstante Gripverhältnisse - vermutlich eine Folge des niedrigen Abtriebniveaus.
Das zweite Problem am Ring: die Kühlung funktionierte bei den hohen Temperaturen nur unzureichend. "Die Basis für das Paket in Austin ist weiterhin der Le-Mans-Spec", erklärt Joest-Technikdirektor Ralf Jüttner. "Aber wir haben die Kühlung deutlich verbessert und fahren auch mehr Abtrieb. Für den Rest der Saison beurteilen wir Temperaturen, Kühlung und Abtriebsniveau von Rennen zu Rennen neu - und entscheiden dann, mit welcher Spezifikation wir fahren werden." Zu Deutsch: es ist nicht ausgeschlossen, dass Audi im weiteren Saisonverlauf auch noch einmal auf die High-Downforce-Variante vom Saisonstart in Silverstone zurückwechselt.
Auch bei Porsche gibt es für Austin Änderungen am neuen Aero-Paket. Bei den Schwaben sagt man, es handele sich nur um kleine Detailverbesserungen, während die Konkurrenz glaubt, dass FIA und ACO Änderungen verfügt haben sollen. Der Kampf um die beiden LMP1-Titel in der Fahrer- und Hersteller-WM ist zwischen Audi und Porsche bei noch vier ausstehenden Rennen komplett offen.
Porsche mit Zeitvorteil beim Nachtanken
Dennoch steht zu vermuten, dass der Porsche-Höhenflug weiter anhalten dürfte. Denn selbst wenn Audi die Lücke wieder schließt, hat Porsche weiterhin den Joker der kürzeren Tankstopps: die Schwaben haben im Tankbereich eine Lösung gefunden, die vermutlich durch Unterdruck mehr Benzin in den Tank saugt. Bei den 6h-Rennen mit normalerweise 6 Boxenstopps kann sich dieser Vorteil auf über eine halbe Minute aufaddieren.
Die LMP1-Gegner Toyota und Audi fordern unisono ein Einschreiten der Regelhüter von FIA und ACO, doch bei technischen Nachkontrollen am Nürburgring gab es keinerlei Beanstandungen wegen möglicher Regelverstöße. Insofern kann man davon ausgehen, dass Porsche auch in Austin das Nachtank-Pfund abermals voll nutzen kann.
Keine technischen Veränderungen gibt es beim dritten LMP1-Player Toyota. Die Japaner haben bereits alle Ressourcen voll auf 2016 umgelenkt, wenn ein neues Chassis mit neuem Energiespeicher (Batterien) und neuem V6-Biturbomotor kommt. "Im Prinzip müssen wir auf außergewöhnliche Umstände im Rennen hoffen, um eine Siegchance zu haben", orakelte Anthony Davidson bereits am Ring. Zu deutlich hinkt Toyota beim Speed hinterher. Also hoffen sie auf Haltbarkeitsprobleme bei den Gegner - oder Regen. "Das sind aber her die Defensivwaffen des Rennsports", flachste Davidson.
Porsche auch in der GT-Klasse stark
In der GT LM-Klasse für Werks-Teams blickt das Porsche-GT-Team von Olaf Manthey nicht weniger optimistisch nach Austin als die LMP1-Kollegen: ein zusätzlicher Test soll nach dem Doppelsieg am Nürburgring die Wettbewerbsfähigkeit verbessern, wie Marco Ujhasi, Entwicklungsleiter für das GT-Programm, erklärt: "Die Herausforderung in Austin besteht darin, für die langsamen Kurven die richtige mechanische Abstimmung hinzubekommen und für die schnellen Kurven die richtige aerodynamische Abstimmung. Ein entscheidender Faktor können auch die hohen Temperaturen sein. Wer die richtig einschätzt und mit den richtigen Reifen an den Start geht, ist schon mal im Vorteil. Wir werden vorher noch in Austin testen. Wenn wir das optimal nutzen können, dann bin ich sehr zuversichtlich fürs Rennen." Ferrari wird aber wie gewohnt sehr stark sein: am Nürburgring spielten die Italiener wegen Zuverlässigkeitsproblemen im Rennen zwar keine Rolle, beim Speed waren die 458 GTE aber den Porsche 911 RSR absolut ebenbürtig.