Vorschau Rallye Spanien: Ogiers zweiter Matchball

Vorschau Rallye Spanien
Ogiers zweiter Matchball

Eigentlich ist die Aufgabe ganz einfach: Holt der Weltmeister Sébastien Ogier in Spanien einen Punkt mehr als sein Verfolger, bleibt er auch 2015 Weltmeister. 27 Punkte Vorsprung hat der Weltmeister trotz des Pleitenwochenendes beim Heimspiel in Frankreich nach Katalonien gerettet. Wären es nach der vorletzten Rallye der Saison 28, könnte Verfolger Jari-Matti Latvala im zweiten Werks-VW maximal gleichziehen, womit Ogier dank der größeren Anzahl Siege seinen Titel verteidigen würde. "Wir haben eine Menge wiedergutzumachen und für die Rallye Spanien bin ich umso motivierter. Vergangenes Jahr haben wir auch in Spanien gewonnen und ich fühle mich fantastisch“, sagt der Franzose.

So ganz einfach ist die Aufgabe dann aber doch nicht. Die Spanien-Rallye ist die einzige WM-Veranstaltung, die auf unterschiedlichen Belägen ausgetragen wird. Als Tabellenführer muss Ogier nach der Auftaktprüfung am Donnerstagabend in Barcelona den ganzen Freitag über als Erster auf die Piste. Bei einer Asphalt-Rallye normalerweise ein Vorteil, aber ausgerechnet die erste Etappe mit sechs Prüfungen wird komplett auf Schotter gefahren. Das gäbe Kontrahent Latvala wie bei einigen Rallyes in dieser Saison die Chance, einen Vorsprung herauszufahren und dann zu verteidigen. "Die Oberfläche der Schotterprüfungen ist relativ hart, allerdings liegt eine feine, lose Schicht darüber. Der Straßenfeger-Effekt ist hier besonders hoch. Und ich könnte einen kleinen Vorteil dadurch haben“, sagt der Verfolger.

Latvala nur mit geringen Titel-Hoffnungen

Trotzdem ist dem Nordmann klar, dass seine Titelchancen eher theoretischer Natur sind, wenn Ogier nicht ausfällt, er hofft dabei ein bisschen auf skandinavische Schützenhilfe. Andreas Mikkelsen hat als WM-Dritter im dritten Werks-Polo die beste Startposition. Der Norweger hat mit Rang zwei in Frankreich bewiesen, dass er auf jedem Belag zu einem Topmann gereift ist. Sollte Mikkelsen hinter Latvala landen, könnte der weitere Zähler auf Ogier gutmachen. Nur hat der Youngster andere Pläne: "Bei der Rallye Spanien werde ich vermutlich ein etwas höheres Risiko gehen, um mein nächstes Ziel zu erreichen.“ Das Ziel ist der erste WM-Sieg.

Angesichts der Tatsache, dass die Marken-WM längst gewonnen ist und auch der Fahrer-Titel in jedem Fall an einen der beiden VW-Werksfahrer geht, reibt sich der Sportchef die Hände: "Seit wir in der Rallye-WM mit dem Polo R WRC antreten, habe ich noch nie einen so großen Siegeshunger bei unseren Fahrern und Beifahrern gespürt,“ sagt Jost Capito.

Keine Lust, denen ganz vorn nur ehrfürchtig zuzuschauen, hat Kris Meeke. "Ich werde stärker und stärker, und kann mit immer weniger Riskio immer schneller fahren, sagt der WM-Sechste. Der Ire hat mit dem Citroën DS3 eine extrem scharfe Asphalt-Waffe, allerdings ist er in Spanien länger nicht angetreten, und muss gerade die Schotterprüfungen der ersten Etappe erst einüben. Zudem muss Meeke gar nicht allzu viel riskieren. Nach guten Ergebnissen ist er bei Sportchef Yves Matton für 2015 gesetzt. Sich strecken muss Mads Östberg im zweiten Citroën, der auf Apshalt in dieser Saison einiges Pech hatte, sich aber fahrerisch auch nicht besonders hervortat. Der Norweger hofft auf den geschotterten Auftakt: "Ich mag diese Prüfungen.“

Spanien müsste Kubica liegen

Mikko Hirvonen stößt ins gleiche Horn, Asphalt war noch nie sein Metier. Der Finne in den Diensten des M-Sport-Teams ist in der kuriosen Lage, dass er als WM-Vierter und damit bester Nicht-VW-Pilot nach Spanien reist. Der 34-jährige hat neben den drei Polo-Piloten als Einziger zehn Mal gepunktet, nur geglänzt hat er nie. Selbst Teamchef Malcolm Wilson geht davon aus, dass der Auftritt in Katalonien Teil der Abschiedstournee des viermaligen Vize-Weltmeisters ist. Die Hoffnung ruht auf Elfyn Evans. Der junge Waliser zeigte gerade auf Asphalt in dieser Saison beachtliche Leistungen.

Asphalt ist klar die Domäne von Ex-Formel-1-Fahrer Robert Kubica, doch der Pole brachte sich mit einem Abflug auf den letzten Kilometern in Frankreich um Rang vier und damit um sein bestes WRC-Ergebnis. Die eher breiten Pisten mit ihren meist mittelschnellen Kurven ohne nennenswerte Bodenwellen liegen dem Polen, doch der Krakauer sieht ein Problem: "Wir haben vorher zuletzt auf Asphalt getestet, auch der Shakedown und die Auftaktprüfung sind asphaltiert. Am Freitagmorgen muss sich zusehen, dass ich mich möglichst schnell auf den Schotter einstellen kann.“

Eher verhalten will Hyundai-Youngster Haydon Paddon die Auftaktetappe angehen. Der Neuseeländer will erst auf den Asphalt-Etappen am Samstag und Sonntag attackieren. Er muss den Spagat schaffen, Teamchef Michel Nandan zu beeindrucken und dennoch keinen unnötigen Fehler zu machen.

Hyundai-Pilot Sordo will beim Heimspiel glänzen

Zuletzt im Elsass lagen die Hyundai erheblich hinter den Zeiten der Topautos zurück, daher wagt Teamleader Thierry Neuville trotz seines WM-Sieges in Deutschland keine markige Prognose: "Wir versuchen, ein gutes Tempo zu fahren und tun unser Bestes.“

Große Ambitionen hat dagegen Teamkollege Dani Sordo. Dabei geht es nur nebenbei um das Heimspiel des Nord-Spaniers. Der Sieger der letztjährigen Deutschland-Rallye fährt um ein Hyundai-Cockpit für das nächste Jahr. Der 31-Jährige ist wegen seiner sporadischen Einsätze nur WM-Zehnter, will aber gerades aus dieser Not eine Tugend machen: "Ich habe eine gute Startposition und hoffentlich eine saubere Piste. Das könnte helfen.“ Es ist seine letzte Chance, sich zu empfehlen. Beim Finale in Wales wird der Finne Juho Hänninen im zweiten i20 sitzen.

Mal wieder in einem WM-Cockpit sitzt in Spanien Publikumsliebling Ken Block. Der Amerikaner tummelt sich wie schon im Vorjahr lieber in der heimischen Szene und schiebt gern Sponsorinteressen vor, dass er sich nicht öfter auf seiner Traum-Spielwiese Rallye-WM zeigt. In Wahrheit musste der Mitvierziger feststellen, dass er als Nachwuchstalent in der höchsten Spielklasse nicht mehr durchgeht. Nichtsdestotrotz ist der Mitbegründer der Kult-Kleidermarke DC ein Publikumsliebling, der auch auf Asphalt einen spektakulären Fahrstil pflegt.

Die Spanien-Rallye beginnt am Donnerstagabend mit einer Asphalt-Showprüfung auf dem ehemaligen Olympia-Gelände von Barcelona. Nach den sechs Schotterstrecken des Freitags stehen am Samstag und Sonntag weitere zehn Asphalt-Prüfungen auf dem Programm. Mit 373 Kilometern zählt der spanische WM-Lauf zu den längsten im Kalender. Die Königsprüfung der diesjährigen Ausgabe ist die zwei Mal zu fahrende Strecke von Escaladei mit 50 Kilometern. Die Rallye Spanien endet am Sonntag um 13:30 Uhr im katalanischen Badeort Salou.