Seit 2002 ist die Rallye Deutschland abgesehen vom Jahr 2009 ein fixer Bestandteil des WM-Kalenders und erfreut sich dank toller Landschaft, anspruchsvoller Prüfungen und guter Organisation auch bei den Aktiven wachsender Beliebtheit. Dabei lohnte sich die Anreise für Sieganwärter bisher eigentlich kaum. Denn ein ungeschriebenes Gesetz verlangte, dass man einen Citroën fahren muss, um in Trier zu gewinnen. Schon die Generalprobe 2001 ging mit dem Erfolg von Philipee Bugalski im Xsara WRC an die Franzosen. Dann gewann von 2002 bis 2012 neun Mal die Citroën-Ikone Sébastien Loeb. Schlagen konnte ihn nur einer: Landsmann Sébastien Ogier stand 2011 ganz oben auf dem Treppchen, selbstredend mit einem Citroën.
VW reist als klarer Favorit an
Im Vorjahr war Loeb zurückgetreten, Ogier fuhr für VW, und der Sieg war frei für eine neue Marke, aber Ogier flog ebenso ins Aus wie Teamkollege Jari-Matti Latvala. Ausgerechnet das Heimspiel schloss der Marken-Weltmeister VW mit einem siebten Gesamtrang am schlechtesten ab. Den Sieg holte mit einem atemberaubenden Finale natürlich Citroën. Dani Sordo feierte an der Mosel seinen ersten und einzigen WM-Sieg.
"Wir brauchen ja noch Ziele für nächstes Jahr“, versuchte VW-Sportchef Jost Capito der Heimniederlage etwas Positives abzugewinnen. Seit diesem Wochenende im August hat VW zwölf WM-Rallyes in Folge gewonnen, eilt von Rekord zu Rekord und kann sich in diesem Jahr nach bisher acht Saisonsiegen in der Heimat schon vier Rallyes vor dem Jahresende zum erneuten Marken-Weltmeister krönen, was ein weiterer Rekord wäre.
Mit dementsprechend breiter Brust reisen die Hannoveraner nach Rheinland-Pfalz. Am Steuer ein souverän die Fahrer-Tabelle anführender Sébastien Ogier und ein nach dem Heimsieg in Finnland vor Zuversicht strotzender Jari-Matti Latvala. Der will aus dem Triumph in Jyväskylä möglichst viel Rückenwind mitnehmen: "Mein Ziel ist es, an die Rallye Finnland anzuknüpfen und wieder um den Sieg zu kämpfen.“ Latvala betont immer wieder, dass er sich auf Asphalt durchaus wohlfühlt, gibt aber zu, dass er schon mit einem Platz unter den ersten Drei zufrieden wäre.
Hyundai auf Asphalt stark
Ogier ist gewohnt selbstbewusst. Die Parole lautet: "Wir wollen an die bisherigen Erfolge in dieser Saison anknüpfen. Zudem gilt es, das magere Resultat aus dem Vorjahr mit einem Sieg wieder gutzumachen.“ Seinen Finnland-Bezwinger Latvala hat die Nummer eins im Team gar nicht auf der Rechnung. Spricht er über seine härtesten Konkurrenten auf deutschem Asphalt, kommen Ogier andere in den Sinn: Kris Meeke zum Beispiel. Der Nordire war in Finnland starker Dritter, ist auf Asphalt ein schneller Mann und vor allem fährt er einen Citroën. Doch Meeke tritt gleich auf die Erwartungsbremse: "Ich bin seit drei Jahren bei keiner echten Asphaltrallye mehr gefahren.“ Teamkollege Mads Östberg war noch nie die große Asphalt-Rakete. Nach Straucheln mit dem Setup in Finnland und durch unbeständiges Wetter schwierigen Testfahrten in Deutschland wäre der Norweger schon mit Platz fünf zufrieden.
Ein noch größeres Widerstandsnest als das französische sieht Weltmeister Ogier im bayerischen Alzenau. Dort ist das Hyundai-Werksteam beheimatet, und die Koreaner haben sich abgesehen von Ogier mit der stärksten Asphalt-Truppe eingedeckt, die es auf dem Markt gibt. Neben Vize-Weltmeister Thierry Neuville, der sich 2013 an gleicher Stelle als Zweiter nur knapp geschlagen geben musste, sitzt auch sein Bezwinger Dani Sordo in einem i20 WRC. Das dritte Auto fährt der Monte-Carlo-Zweite Bryan Bouffier aus Frankreich. Neben einen etwas stärkeren Motor setzt Hyundai nun auch erstmals ein verbessertes Fahrwerk ein. Auch wenn Teamchef Michel Nandan tief stapelt, Speerspitze Neuville ist voll motiviert: "Die Rallye ist auch für mich wie ein Heimspiel. Eine Menge belgischer Fans, meine Familie und Freunde eingeschlossen wir da sein. Wir hatten einen guten Test und ich habe ein gutes Setup gefunden.“
Während von den Ford-Piloten Mikko Hirvonen und Elfyn Evans niemand allzu viele erwartet, könnte der Auftritt von Robert Kubica im dritten M-Sport-Fiesta interessant werden. Der Pole siegte 2013 in Trier mühelos in der WRC2-Kategorie und wurde starker Gesamt-Fünfter. Niemand hat Zweifel, dass der frühere Formel-1-Star sich auf asphaltierten Pisten äußerst wohl fühlt, allerdings segelte der Pole seit dem Umstieg auf das stärkere World Rally Car in dieser Saison schon ein Dutzend Mal von der Straße, inklusive bei Testfahrten und sogar beim langsamen Recce-Fahren.
Dementsprechend stapelt Kubica möglichst tief: "Manche Leute haben hohe Erwartungen, aber ich muss realistisch sein. Es wird eine schwierige Rallye. Viele Haarnadelkurven und enge Abzweigungen machen Deutschland gerade bei meinen Einschränkungen zu einer noch größeren Herausforderung. Dieses Jahr wird es für mich auch deshalb schwierig, weil ein paar der Prüfungen in umgekehrter Richtung gefahren.“ Immerhin vermeldet man bei M-Sport schon als Erfolg, dass die Testfahrten trotz widrigem Wetter ohne Zwischenfall verliefen.
Chance für deutschen Nachwuchs
Vor dem heimischen Publikum will sich natürlich auch der deutsche Nachwuchs präsentieren. Im Opel-Cup will Julius Tannert an seinen kürzlich errungenen ersten Saisonsieg anknüpfen. Nach auskurierter Ellbogenentzündung ist auch Christian Riedemann froh, wieder im Auto zu sitzen. "Der WM-Lauf im eigenen Land ist immer wieder etwas ganz Besonderes. Darüber hinaus freue ich mich, endlich wieder auf Asphalt fahren zu können“, sagt der Sulinger. Weil Stamm-Copilotin Lara Vanneste sich auf ihr Studien-Examen vorbereitet, nimmt neben dem deutschen Citroën-Junior Riedemann Routinier Michael Wenzel Platz. Die Umstellung dürfte keine sein, die Paarung ist schon früher gemeinsam angetreten. Riedemann gibt für die Junioren-WM-Wertung offiziell einen Podiumsplatz als Ziel aus, wird aber versuchen, nach dem Sieg zu greifen. "Wir werden unser Bestes geben“, verspricht er.
Das sagt auch der Veranstalter, der nach einem kurzen Ausflug an den Kölner Dom im Vorjahr den Start wieder ins beschauliche Trier zurückverlegen musste. Dem Domprobst von Köln war der Rallye-Rummel zu groß. Trier lockt wie gewohnt mit einer großen Präsentation der Teams am ältesten Gebäude Deutschlands. Gegen 20:30 Uhr werden die 89 gemeldeten Teams am Donnerstag (21.8.) über die Startrampe unter der Porta Nigra rollen. Für die Fans ist das Spektakel kostenlos. Zudem sollen sie die Gelegenheit bekommen, Autogramm ihrer Stars zu ergattern.
Am Freitag (22.8.) geht es durch die Moselweinberge und bis an die belgische Grenze. Michelin stellt am Wochenende Shuttle-Busse zur Verfügung, die Fans mit gültigen Rallye-Tickets kostenlos vom Servicepark in Trier zu ausgesuchten Wertungsprüfungen und zurück bringen. Samstag steht das Truppenübungsgelände in Baumholder im Hunsrück auf dem Programm. Mit zwei langen und zwei kurzen Durchgängen an der berühmten Panzerplatte sollen die Fans dort den ganzen Tag über Rallye-Action geboten bekommen. In der Mittagspause unterhalten Motorsport-Legenden wie Jacky Ickx, Stig Blomquist, Hannu Mikkola, Michele Mouton, Ari Vatanen, Juha Kankkunen, Per Eklund, Timo Salonen, Armin Schwarz, Harald Demuth, Kalle Grundel, Dieter Depping und Klaus Fritzinger das Volk. Sie fahren zwischen 13 Uhr und 14 Uhr in original Rallye-Fahrzeugen von damals um die Strecke. Die Rallye schließt am Sonntag mit vier weiteren Prüfungen an der Mosel. Um 14:30 Uhr rollen die Teilnehmer an der Porta Nigra in Trier über die Zielrampe.