TCR-Serie - Bilanz der ersten Saison

TCR-Serie
Die Bilanz der ersten Saison der Billig-DTM

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Erinnern Sie sich noch an die Anfänge der DTM Mitte der 80er-Jahre? Als das "M" noch für Meisterschaft stand und nicht für Masters? Bezahlbarer Motorsport für jedermann lautete damals das Konzept. Das Feld war voll von Privatiers. Die Fans bekamen eine große Vielfalt an Autos geboten, die nicht gleich nach jeder kleinen Kollision unfahrbar waren. Doch mit der wachsenden Popularität kamen die Hersteller, steckten Millionen in die Technik und machten am Ende alles kaputt. Viele Fans können mit der modernen DTM nichts mehr anfangen. Doch jetzt könnte das Tourenwagenfieber in Deutschland wieder neu entfacht werden.

Der Rennwagenpreis liegt bei maximal 100.000 Euro

Ex-WTCC-Chef Marcello Lotti hat mit der TCR eine neue Rennserie aus dem Boden gestampft, die auf bestem Weg ist, an den Erfolg der alten DTM anzuknüpfen. Statt Herstellern treten ausschließlich Privatteams gegeneinander an. Die Technik ist einfach und standfest, die Einsatzkosten sind entsprechend überschaubar. Die TCR-Macher haben für die Rennwagen einen Maximalpreis von 80.000 bis 100.000 Euro festgesetzt. Nicht viel mehr muss noch einmal für den Einsatz pro Saison gerechnet werden.

Wer dagegen in der Tourenwagen-WM mitspielen will, kommt schnell auf ein Budget in Millionenhöhe pro Fahrzeug. Dabei sind die WTCC-Autos trotz Einsatz von teuren Carbonteilen nicht viel schneller - und dank der wulstigen Citroën-Dominanz erst recht nicht spannender.

TCR-Serie mit wachsender Popularität

Mit dem Rennen in Malaysia feierte die TCR-International-Serie Ende März 2015 ihre Premiere. Es war nicht gerade der erhoffte Bilderbuchstart: Das Feld umfasste nur 15 Autos. Und es hätten noch weniger sein können. Das Team Engstler Motorsport durfte nur dank Ausnahmegenehmigung mit zwei Audi-TT-Cup-Rennern antreten, die wegen ihrer Coupéform eigentlich vom Reglement nicht abgedeckt waren. Nach vier Rennen lief die Sonderregelung aus, und die Bayern mussten eine Pause einlegen. Erst nach der Saisonhalbzeit in Spielberg war der neue VW Golf TCR bereit.

"Wir haben das Feld zu Beginn absichtlich etwas kleiner gehalten, damit es nicht wie ein Seat-Leon-Markenpokal aussieht", verteidigt Lotti die Taktik. Eine Verschiebung des Saisonstarts stand aber nie zur Debatte: "Hätten wir den Herstellern gesagt, dass es erst 2016 losgehe, dann hätten wir die gleichen Probleme ein Jahr später gehabt. Also war es besser, gleich anzufangen."

Der Plan ging auf. Im Laufe des Jahres meldeten weitere Hersteller Interesse an. Nach Seat, Ford, Honda und VW haben mittlerweile auch Subaru und Opel eigene TCR-Fahrzeuge vorgestellt. Dann kam Alfa Romeo. Davon kann die Konkurrenz in der WTCC oder der DTM aktuell nur träumen. Und 2016 sollen noch mehr folgen, so verspricht es Marcello Lotti.

Keine Konkurrenz zur WTCC

Auch mit wenigen Autos in den ersten Rennen zeigte sich schnell, dass die Serie gut funktioniert. Obwohl die ganz großen Namen in den Cockpits noch fehlen, lieferten die Piloten packenden Rennsport. "Das fahrerische Niveau ist für mich auf einem hohen Level und hat sich das gesamte Jahr immer besser entwickelt", lobt Franz Engstler, der im gesetzten Alter von 54 Jahren noch einmal einen Neuanfang in der TCR gewagt hat. "Wenn wir jetzt noch Leute mit Namen aus dem Tourenwagensport wie Menu, Huff oder Coronel bekommen, passt das richtig gut."

Trotz der Ähnlichkeit der Autos und dem Kampf um Fahrer und Hersteller sieht TCR Boss Lotti seine neue Serie nicht als Konkurrenz zur WTCC. Kleine Seitenhiebe hier und da zeigen aber, dass es sich nicht gerade um eine friedliche Koexistenz handelt. Das Saisonfinale fand auf dem legendären Stadtkurs in Macao statt. Hier hat früher die WTCC ihre letzten Runden des Jahres gedreht. Dank der guten Freundschaft zu Bernie Ecclestone fuhr die TCR auch im Formel-1-Programm auf GP-Strecken wie Shanghai und Singapur.

Premierenjahr nur mit kleinen Zwischenfällen

Ein Balance-of-Performance-System (BOP) sorgt für ein ausgeglichenes Feld und heiße Action auf der Rennstrecke. Stellschrauben sind der Luftmengenbegrenzer, Zusatzgewichte sowie die Fahrzeughöhe. "Die BOP hat sehr gut gegriffen. Schon beim zweiten Rennen lagen acht bis zehn Autos innerhalb von nur einer Sekunde", erinnert sich Engstler. "Ich bin sicher, dass die Verantwortlichen das auch mit den neu hinzukommenden Herstellern in den Griff bekommen werden."

Natürlich lief im ersten Jahr noch nicht alles perfekt. So wurde zum Beispiel der nagelneue Subaru Impreza vor seinem Debüt in Singapur am Flughafen in Luxemburg "vergessen". Der TCR-Cargo-Flieger war bereits mit anderer Fracht vollgepackt, die offenbar eine höhere Priorität genoss. Da ließ man den Rennwagen einfach stehen.

Statt im Training absolvierte das italienische Top-Run-Team den Shakedown einfach im Qualifying. Abgesehen von solch kleineren Zwischenfällen lief aber alles überraschend reibungslos. "Die von mir zunächst befürchtete zu kurze Vorlaufzeit, um eine neue Rennserie ins Leben zu rufen, hat sich nicht bestätigt", lobte Fahrer und Teamchef Engstler die TCR-Organisation.

Nationale Serie für 2016 geplant

Der Allgäuer ist so überzeugt vom neuen TCR-Konzept, dass er 2016 zusammen mit dem ADAC einen deutschen Ableger aus der Taufe heben will. Die nationale Serie wird im Rahmen der ADAC GT Masters starten. Einzelne Rennen sollen sogar live im Free-TV übertragen werden. "Für unser Startjahr planen wir realistisch mit circa zwölf Teams und rund 20 Autos", verrät Franz Engstler.

Das Interesse von Privatiers an der TCR scheint groß zu sein. Beim Tag der offenen Tür im belgischen Mettet Anfang Oktober kamen 500 Gäste. "Es ist nicht das Problem, Fahrer oder Teams zu finden, sondern rechtzeitig genügend Rennautos zu bekommen", so Engstler. Hersteller wie Volkswagen oder Opel machen aktuell noch die Entwicklungsphase durch. Am Steuer sollen vorrangig junge Talente eine Chance bekommen. "Die Nachwuchsförderung ist viel zu formellastig. Der Tourenwagensport wird zu stiefmütterlich behandelt, da muss endlich was passieren", klagt das Urgestein der Szene.

Neben der TCR Germany können Privatteams mit ihren Autos auch im Rahmen der VLN und beim 24h-Rennen am Nürburgring in einer eigenen Wertungsklasse starten. Die Langstreckendistanz ist kein Problem für die Rennwagen: Die robusten, rund 330 PS starken Zweiliter-Turbomotoren sollen locker eine ganze Saison durchhalten.

Organisatoren mit vielen Freiheiten

Lotti verspricht, dass die einmal homologierten Autos mindestens drei bis fünf Jahre in den verschiedenen Serien antreten können. Sein Netzwerk an regionalen und internationalen Meisterschaften soll dann den ganzen Globus umspannen. Dabei überlässt Lotti den Organisatoren freie Hand, was das sportliche Reglement angeht. "Wenn ein nationaler Veranstalter meint, dass die Zuschauer längere Renndistanzen sehen wollen, ist das überhaupt kein Problem. Wir mischen uns da nicht ein.

Auch in Sachen Marketing haben die Promoter freie Hand." Nur in einem Punkt kennt der Boss kein Pardon: "Das technische Reglement ist festgeschrieben und muss überall identisch sein." Damit soll sichergestellt werden, dass die Autos ohne Umbauten vielseitig einsetzbar sind.

Fan-Nähe ist Trumpf

Mit seiner Erfahrung aus der ersten Saison in der internationalen TCR sieht sich Engstler künftig nicht nur als Teamchef, sondern auch als Schnittstelle zwischen dem ADAC und den anderen Teams. Er verspricht, den Motorsport mit der TCR Germany wieder ganz nah an die Fans zu bringen.

Mit dem Werkssport in der DTM sei die neue Meisterschaft nicht vergleichbar, betont der Kämpe. "Wir bieten Breitensport mit interessanten und extrem zweikampfstarken Rennen. Eine Vielfalt mit Fahrzeugen, zu denen der Fan eine persönliche Beziehung hat. Der Zuschauer muss wieder Kontakt zur Marke, zum Team und zum Fahrer bekommen und seine Emotionen ausleben können. Mit dem GT Masters, der Formel 4, den TCR-Tourenwagen und einem attraktiven Rahmenprogramm bietet der ADAC den Zuschauern 2016 ein richtig umfangreiches und hochwertiges Rennwochenende. Da bekommt der Fan für sein Geld wirklich etwas geboten."

Interview mit TCR-Boss Lotti

"Wir sehen unsere Serie nicht als WTCC-Konkurrenz"

Wie gut ist das erste TCR-Jahr gelaufen?

Lotti: Es war anstrengend. Aber wir sind zufrieden. Es gab zu Beginn einige Baustellen. Am Ende war die Reaktion der Hersteller jedoch sehr positiv. Viele überlegen jetzt, Autos nach dem TCR-Reglement zu entwickeln. Es haben sich auch viele Veranstalter gemeldet, die ein Interesse daran haben, TCR-Serien auf nationaler Ebene zu starten.

Zu Saisonbeginn mangelte es an Autos. Kam der Start nicht etwas zu früh?

Lotti: Wir hatten sicher ein paar Probleme. Aber wenn man nicht irgendwann anfängt, dann geht es nie los. Hätten wir den Herstellern gesagt, dass die TCR-Serie erst im Jahr 2016 starte, dann hätten wir die gleichen Probleme ein Jahr später gehabt. Also war es besser, gleich loszulegen.

Wie viele Autos sind im zweiten Jahr geplant?

Lotti: Da muss man realistisch bleiben. Momentan rechnen wir erst einmal konservativ mit einer Zahl von 24 Autos von sieben verschiedenen Marken.

Wird die Serie auch prominentere Fahrer anlocken?

Lotti: Ich sehe die Teilnahme von Stars als nicht so wichtig an. Wenn man eine neue Serie aus dem Boden stampft, geht es erst einmal darum, ein solides technisches Reglement zu etablieren. Wir mussten vor allem sicherstellen, dass unsere Ziele auf der Kostenseite eingehalten werden. Wächst die Meisterschaft weiter, produzieren wir irgendwann vielleicht selbst die Stars. Ein bekannter Fahrer von außen würde jetzt vielleicht für ein kurzes Strohfeuer sorgen - aber nicht für dauerhafte Medienaufmerksamkeit.

Welche Hersteller sind momentan noch an einem TCR-Einstieg interessiert?

Lotti: Wir haben doch schon so viele, dass wir ein Podium mit fünf Plätzen bräuchten, um alle glücklich zu machen. Spaß beiseite: Mit Alfa Romeo gibt es aktuell acht konkrete Projekte. Darüber hinaus zeigen noch zwei oder drei Marken Interesse. Aber erst im Frühjahr 2016 kann ich mehr dazu sagen.

Die TCR hat sich dieses Jahr mit der WTCC um das Rennen in Macao gestritten? Machen sich die Serien jetzt gegenseitig Konkurrenz?

Lotti: Nein, so war das nicht. Wir haben gewartet, bis der Platz frei war. Erst dann haben wir mit Verhandlungen begonnen. Wir sehen uns generell nicht als WTCC-Konkurrenz. Das sind zwei Paar Schuhe. Die WTCC ist eine Weltmeisterschaft, die von der FIA kontrolliert wird. Sie ist technisch auf einem höheren Level und produziert damit auch höhere Kosten. Wir schauen nur auf uns selbst. Wenn man zu viel nach links und rechts blickt, übersieht man leicht den Baum, der vor einem steht.