Schon auf der zweiten von 18 Prüfungen war das Heimspiel des Weltmeisters im Eimer. Ausgerechnet auf der 34 Kilometer langen Prüfung Pays d’Ormont starb plötzlich der Motor am VW Polo von Sébastien Ogier ab. Schuld war ein defekter Sensor im Getriebe, das Problem trat regelmäßig beim Hochschalten auf. Irgendwie hangelte sich der Tabellenführer durch die Gänge, schaffte es aus Prüfung und versuchte den Schaden zu beheben, da passierte gleich das nächste Malheur: Beifahrer Julien Ingrassia berechnete die Zeit zur nächsten Prüfung falsch und stempelte vier Minuten zu früh.
Der erste Morgen war gerade vorbei, und die großen Favoriten hatten fast achteinhalb Minuten Rückstand. „Im Prinzip ist das Wochenende gelaufen“, sagte ein frustrierter Ogier, dessen Familie und zahlreiche Fans extra den Weg von Südfrankreich ins Elsass gekommen waren, um der erfolgreichen Titelverteidigung beizuwohnen. Sauer auf seinen Beifahrer war Ogier nicht: „Wir gewinnen und wir verlieren zusammen.“ Angesichts des gigantischen Rückstands, der den VW-Werkspiloten auf den 63. Rang zurückwarf, kam es darauf auch nicht mehr allzu sehr an. Trotz der aussichtslosen Situation auf Platz 30 und 8:52 Minuten Rückstand wirft Ogier dennoch nicht das Handtuch. Ihm fehlen nur sechs Punkte zum Titel, und er will versuchen, auf der abschließenden Powerstage noch ein paar Zähler zu holen.
Jari-Matti Latvala setzt sich an die Spitze
Teamkollege Jari-Matti Latvala nutzte an diesem komplett trockenen und sonnigen Herbsttag die Probleme des Teamkollegen, setzte sich mit vier Bestzeiten an die Spitze und kümmert sich lieber um sich selbst als um den WM-Kampf: „Ich würde die heutigen Prüfungen am liebsten noch zwei oder drei Mal fahren“, sagt der Finne, der nach seinem Ausrutscher in Deutschland nun die große Chance hat, ein großes Ziel zu erreichen: seine erste Asphalt-Rallye zu gewinnen.
Allerdings kommt die Gegenwehr dieses Mal von anderer Seite. Andreas Mikkelsen im dritten Werks-Polo gelangen ebenfalls zwei Bestzeiten. Der Norweger liegt nur 8,2 Sekunden hinter Latvala und würde gern seinen ersten WM-Sieg feiern. „Wir schauen dem Duell mit Vergnügen zu“, sagt Sportchef Jost Capito, der sich entspannt zurücklehnen kann, schließlich ist der Markentitel schon seit Australien unter Dach und Fach. Dennoch hat Mikkelsen angekündigt, nicht alles riskieren zu wollen: „Ich will auf jeden Fall den dritten WM-Rang nach Hause bringen.“
Wie schon bei den Vergangenen Rallyes dar der Rest des Feldes den Polo-Fahrern nur ehrfürchtig zuschauen. Und wie bei den letzten Rallyes ist wieder einmal Kris Meeke der schnellste Nicht-VW-Starter. Mit 23,1 Sekunden Rückstand nach sieben Prüfungen ist der Nordire der einzige, der halbwegs in Schlagdistanz zur Spitze liegt und seinem Citroën-Team Freude macht. Wie zuletzt regelmäßig kommt Teamkollege Mads Östberg mit und seinem DS3 nicht zurecht. Der Norweger liegt mit 1:01 Minuten auf Rang fünf.
Daniel Sordo kann das Tempo ganz vorn nicht mitgehen
Im Citroën-Sandwich steckt Daniel Sordo als bester Hyundai-Pilot. Der Spanier fuhr auf der Superspecial vor dem EU-Parlament am Abend sogar eine Bestzeit. Ansonsten aber können die Doppelsieger von Trier bei ihrer zweiten Asphalt-Rallye das Tempo ganz vorn nicht mitgehen. Sordo hat als Vierter bereits 51 Sekunden Rückstand, die Teamkollegen sind noch weiter abgehängt. Asphalt-Spezialist Bryan Bouffier war eigentlich happy, dass er zu seiner Heim-Rallye im Werks-Hyundai antreten darf, aber als der erste Tag sich neigte, waren schon 1:45 Minuten futsch, weil der Südfranzose mit der Abstimmung des Autos haderte. Bouffier ist nur Achter. Deutschland-Sieger Thierry Neuville liegt als Elfter gar außerhalb der Punkte. Der Belgier verlor auf den Prüfungen zwei und drei zweieinhalb Minuten wegen eines gebrochenen Turboladers.
Unbelohnt blieb auch Elfyn Evans. Der junge Waliser war als Gesamt-Vierter schnell unterwegs und stellte seinen Teamkollegen Mikko Hirvonen und Robert Kubica im M-Sport-Team klar in den Schatten, doch nach dem Mittagsservice fand er sich mit knapp zwei Minuten Rückstand nur auf Platz zehn wieder, weil die Lichtmaschine am Fiesta versagte. Die Besatzung musste ihr Auto zum Regrouping am Mittag schieben. So ist Mikko Hirvonen als Sechster bester Ford-Mann. Der Finne liegt nur eine Sekunde hinter dem fünftplatzierten Östberg, muss aber seinerseits den Rückspiegel im Auge behalten: Robert Kubica, der einen fehlerfreien Tag absolvierte, ist Siebter.
Den größten Unterhaltungswert bot auf der ersten Etappe nicht das Feld der World Rally Cars, sondern zwei Porsche. Sportwagen-Ass Romain Dumas und Rallye-Rountinier Francois Delecour beharkten sich heftig mit den brüllenden Sechszylinder-Boxern, am Ende hatte Dumas mit seiem Vierliter-Motor einen etwas besseren Punch. Der Porsche-Werksfahrer liegt mit 4:46 Minuten Rückstand auf Gesamtrang 18, Delecour liegt als 20. Mit 31,8 Sekunden noch in Schlagdistanz dahinter. Der frühere Monte-Carlo-Sieger verlor etwa 20 Sekunden wegen einer ausgefallenen Gegensprechanlage, die ihn zeitweilig zwang, auf Sicht zu fahren. Das tat aber der Begeisterung für seinen 3,8-Liter-911 keinen Abbruch: „Hört euch diesen Sound an. Das ist wirklich schöner Krach.“