Die erfolgreichste Marke der 24 Stunden von Le Mans bereitet sich weiter auf ihre Rückkehr in die Top-Klasse des Klassikers vor. Der beim Goodwood Festival of Speed vorgestellte LMDh-Prototyp 963 spulte Anfang September über 2.000 Kilometer auf dem Daytona International Speedway ab, wo er nun auch offiziell sein Renn-Debüt geben wird. Das 24-Stunden-Rennen dort findet vom 28. bis 29. Januar statt.
Zwar hatte Porsche mit der Idee eines Starts beim Saisonfinale der Sportwagen-WM WEC in Bahrain (12. November) gespielt. Doch verschiedene Gründe sprachen zuletzt dagegen. So erklärten die Verantwortlichen, dass ein Test unter Wettbewerbsbedingungen dem Projekt zwar geholfen, aber die Vorbereitung und die Logistik zu viel Zeit in Anspruch genommen hätten. Stattdessen wird es zwei weitere Tests in den USA geben.
Viele Testtage, größere Probleme
In seiner noch jungen Geschichte spulte der Le-Mans-Prototyp, der im kommenden Jahr sowohl in der WEC als auch in der nordamerikanischen IMSA-Sportwagenmeisterschaft antreten wird, bereits auf diversen Strecken Kilometer ab. Zu Beginn lag der Fokus auf europäischen Kursen: In Barcelona, Aragón und Spa gab es drei Langstrecken-Erprobungen. Im Juli stand dann ein fünftägiger Test auf dem Sebring International Raceway an.
Da man als erster LMDh-Hersteller auf die Strecke ging, erlebte der deutsche Pionier früh Schwierigkeiten mit dem für alle einheitlichen Hybridsystem. In Aragón hatten sich die Rotorbleche in der MGU von Zulieferer Bosch gelöst. In Sebring kam dann eine überarbeitete, standfestere Version zum Einsatz. Trotzdem gab es im Bereich des Einheitshybrids noch weitere Hausaufgaben für alle Beteiligten.
Zum Aussortieren von Sensor-Problemen holte man das für die USA designierte Chassis sogar für einen Sondertest nach Europa – genauer gesagt Monza – zurück, wo es parallel mit dem EU-Gegenstück Daten sammelte. Bis zur Homologation im Oktober will der deutsche Autobauer mit seinen 963-Testträgern noch massiv Kilometer sammeln. Daytona ist so der Auftakt einer späten Aufholjagd im Kampf gegen die Zeit.

Krieg der Konzept-Welten
Der 963 basiert auf dem LMDh-Reglement, das nächstes Jahr in der WEC und in der IMSA debütiert. Gemeinsam mit den bereits aktiven Hypercars (LMH) stellen die LMDh-Renner in beiden Meisterschaften die Top-Klasse dar. Neben Porsche setzen Acura, BMW und Cadillac ab 2023 sowie Alpine und Lamborghini ab 2024 auf LMDh-Autos, die kostengünstiger sind als Hypercars.
Toyota, Ferrari, Peugeot und Glickenhaus versuchen, mit ihren aus der Konstruktionssicht freieren Hypercars dagegenzuhalten. Während bislang noch kein Hypercar-Hersteller ein Projekt für die IMSA vorgestellt hat, planen im Moment bis auf Honda-Nobelmarke Acura alle LMDh-Hersteller Einsätze in Le Mans und in der WEC – BMW allerdings erst ein Jahr nach dem Debüt im wichtigsten M-Markt USA. Das belgische W Racing Team (WRT) wird die Nieren-Prototypen ab 2024 in der WEC betreuen.

V8-Motor mit 680 PS
Insgesamt 680 PS (500 kW) leistet der V8-Motor im Porsche 963. Dieser basiert auf dem Antrieb des ehemaligen LMP2-Autos RS Spyder. Der Motor im neuen Prototyp ist auch aus Gründen der Balance of Performance (BoP) doppelt-aufgeladen. Zum Verbrenner kommt der im LMDh-Reglement vorgeschriebene elektrische Einheits-Antrieb. Das Chassis liefert der kanadische Hersteller Multimatic, der neben Dallara, Oreca und Ligier einer von vier vorher ausgewählten Chassis-Hersteller der LMDh-Fahrzeuge ist.
Zusammen mit Porsche entwarfen die Aerodynamiker von Multimatic ein Design, das typische Elemente der Marke wie die Vier-Augen-Scheinwerfer aufgreift. Das in Goodwood vorgestellte und in Daytona ausgiebig gezeigte Folienkleid des neuen Porsche ist eine Hommage auf erfolgreiche Zeiten in Le Mans: Der Porsche 917 Salzburg war 1970 der Wagen, der mit Hans Herrmann und Richard Attwood den ersten Gesamtsieg bei den 24 Stunden von Le Mans einfuhr. Das rot-weiße Design des neuen 963 erinnert stark an den siegreichen 917.

Lotterer kehrt nach Le Mans zurück
Auf der Fahrerseite hat Porsche einen Großteil des Kaders bereits vermeldet. So kehrt unter anderem André Lotterer in den Langstreckensport zurück. Der gebürtige Duisburger und Porsche-Werksfahrer gewann bereits dreimal den Klassiker in Le Mans. Die Entscheidung ergibt Sinn, schließlich machte der nun für den Porsche-Formel-E-Kunden Andretti fahrende Lotterer nie einen Hehl aus seiner Liebe für Le Mans und bezeichnete im Mai die 24 Stunden in einem ams-Interview noch als "heißes Rennen".
Zu Lotterer gesellen sich Kévin Estre, Michael Christensen, Laurens Vanthoor, Matt Campbell, Mathieu Jaminet und die Prototypen-Piloten Felipe Nasr sowie Dane Cameron. Letzterer hatte auch die Ehre, den 963 in Goodwood zu fahren. Die WEC-Einsätze leitet das prestigeträchtige Rennteam der US-Legende Roger Penske von der neu gebauten Basis in Mannheim, während die Autos für die IMSA-Serie in Mooresville (North Carolina) vorbereitet werden.