24h Le Mans: Rennanalyse

Le Mans 2023: Rennanalyse
Ferrari nicht zu schlagen

24h Le Mans 2023

Wenn sich das Dasein der Menschen mit der Welt der Götter oder Geister verknüpft, wenn etwas ganz Besonderes passiert, gehen uns oft die Worte aus. Dann bemühen wir gerne den Begriff Mythos, um das Unerklärliche zu erklären. Beim 100. Geburtstag des 24h-Rennens in Le Mans paarten sich zwei Mythen: der von Le Mans mit dem von Ferrari. Hier das ikonische Autorennen, das auch nach 100 Jahren nichts von seiner Faszination eingebüßt hat.

Dort die Kult-Sportwagenmarke Ferrari, die über den Dingen schwebt, sogar über dem deutschen Wunderkind Porsche. "In Le Mans zu siegen, das ist, als wenn du einen Dinosaurier mit einem Taschenmesser zur Strecke bringen willst." Das sagte Ferrari-Sportchef Antonello Coletta kurz vor dem Start zum Rennen, und man konnte den Druck förmlich in seinem Gesicht ablesen. Zum ersten Mal seit 50 Jahren hatte Ferrari wieder einen Prototyp für den Langstreckensport gebaut, der letzte Sieg an der Sarthe lag 58 Jahre zurück – und Ferrari erwartete von Coletta nichts weniger als einen Sieg.

Coletta und sein Team lieferten ab, vor den Augen des obersten Ferrari-Bosses John Elkann. Die Vorstandsdichte in Le Mans erreichte beim Jubiläumsrennen nie gekannte Ausmaße: Die Peugeot-Familie war vor Ort, der halbe Porsche-Vorstand und die komplette Führungsriege von General Motors, bei Toyota standen der Aufsichtsratschef Akio Toyoda und der CEO Koji Sato in der Box.

Die hohen Herren und Damen kommen nur einmal im Jahr zu einem Autorennen – in Le Mans. "Wir haben den Druck körperlich gespürt, und er nahm mit jedem Tag immer weiter zu", erzählte James Calado, der zusammen mit seinen Ferrari-Teamkollegen Alessandro Pier Guidi und Antonio Giovinazzi das Jubiläumsrennen gewann. Es war erst der vierte Renneinsatz für das brandneue Hypercar 499P – und gleich der erste Sieg beim härtesten Rennen der Welt.

Ferrari 499P - Le Mans 2023 - Rennen
xpb

"Ich hatte ein gutes Gefühl, dass wir beim Speed vorn dabei sind, aber ich war mir nicht sicher, ob wir ohne Probleme über die Distanz kommen", so Alessandro Pier Guidi. "Wir hatten deshalb den klaren Auftrag, jedes Risiko zu vermeiden und immer aufs Auto aufzupassen. Diese Rechnung ist aufgegangen."

Der Sieg war alles, aber kein simpler Durchmarsch. Zur Geisterstunde um Mitternacht stand Pier Guidi sogar kurz im Kiesbett, um einem Unfall zwischen einem GT-Porsche und dem Hypercar von Glickenhaus auszuweichen. Zur Rennmitte um vier Uhr morgens lag man wieder an der Spitze des Feldes, gefolgt vom Toyota mit der Startnummer 8 von Sébastien Buemi, Brendon Hartley und Ryo Hirakawa.