Das Indy 500 wird von den Veranstaltern selbstbewusst als das größte Spektakel in der Welt des Motorsports vermarktet. Nachdem das Nudeltopf-Rennen letztes Jahr wegen Corona noch vor leeren Tribünen stattfinden musste, pilgerten dieses Mal immerhin 135.000 Zuschauer zum Indianapolis Motor Speedway. Sie sollten ihr Kommen nicht bereuen.
Normalerweise wird der Klassiker gerne mal durch unterschiedliche Reifenstrategien, das Timing von Gelbphasen oder außergewöhnliche Spritspar-Taktiken entschieden. Doch in diesem Jahr ging es nur um den Speed auf der Strecke. Lediglich zwei Mal musste das Pace-Car ausrücken. Das gab es zuvor noch nie. Der alte Indy-500-Rekord lag bei vier Neutralisationen im Laufe der 200 Runden.
Für den ersten Aufreger sorgte Stefan Wilson, der sich in Runde 33 nach einem Bremsdefekt in der Boxengasse gedreht hatte. Die beiden Mitfavoriten Scott Dixon und Alexander Rossi konnten wegen des Zwischenfalls nicht rechtzeitig zum Stopp abbiegen. Ohne Sprit im Tank ging bei beiden Autos der Motor aus, was ihnen die Chance auf den Sieg raubte.

Heftiger Crash von Graham Rahal
Auch für die zweite Neutralisation war ein Zwischenfall in der Boxengasse verantwortlich. Die Mechaniker von Graham Rahal hatten das linke Hinterrad nicht richtig festgeschraubt. Kaum war der RLL-Pilot wieder auf der Bahn, löste sich das Rad und schickte das Auto in die Mauer. Der Pilot blieb bei dem heftigen Einschlag zum Glück unverletzt.
Das herumfliegende Rad sprang Conor Daly direkt auf die Nase und den Frontflügel seines Autos, die dadurch beschädigt wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Carpenter-Pilot die meisten Führungsrunden abgespult. Doch mit der gestörten Aerodynamik musste der Lokalmatador der Konkurrenz im großen Finale den Vortritt lassen.
Weil das Rennen im letzten Renndrittel ohne weitere Gelbphasen auskam, wurde der Sieg in der heißen Schlussphase im direkten Duell auf der Strecke ausgefochten. Insgesamt 35 Mal wechselte die Spitze im Laufe der 500 Meilen. Alleine in den letzten zehn Runden sammelten vier verschiedene Fahrer Führungskilometer.

Castroneves mit starkem Schlussspurt
Das entscheidende Manöver setzte Helio Castroneves erst zwei Runden vor dem Ende in Kurve 1 an. Mit einem mutigen Manöver ging der brasilianische Routinier außen vorbei an Alex Palou und raste damit zu seinem insgesamt vierten Indy-500-Sieg. Mehr als vier Mal konnte den Klassiker noch kein Rennfahrer gewinnen.
Mit 46 Jahren ist Castroneves dazu auch noch der viertälteste Sieger des traditionsreichen Rennens. "Das ist nicht das Ende, sondern erst der Anfang", jubelte der alte Haudegen, nachdem er in Spiderman-Manier auf den Fangzaun an der Zielgerade geklettert war. "Tom Brady hat den Super Bowl gewonnen, Phil Mickelson hat beim PGA Golf-Turnier gewonnen und jetzt das hier. Die alten Jungs haben es immer noch drauf und treten den Jungen in den Hintern. Wir erteilen ihnen eine Lektion."
Bei Palou herrschte dagegen nach der Zieldurchfahrt Frust: "Ich hätte nicht gedacht, dass sich ein zweiter Platz so schlecht anfühlen kann", klagte der junge Spanier. Mit einer Gesamtzeit von 2:37.19,3846 Stunden und einem Schnitt von 190,690 Meilen pro Stunde sahen die Fans das schnellste Indy-500-Rennen aller Zeiten.