Bergrenn-Ikonen: VW Golf, Scirocco und Co.

Wilde Oldtimer bei Bergrennen
Wo Golf, Scirocco und Co. noch Könige sind

Ein raues Dröhnen bricht sich in den hohen Nadelbäumen. Mit jeder Sekunde kommt es näher. Und eilt plötzlich als roter Klecks ins sonst dunkelgrüne Blickfeld. Wer ein GT-Monster oder gar einen Prototyp erwartet hat, wird enttäuscht. Stattdessen spurtet ein kantig beplankter VW Golf 1 die Kreisstraße A16 hinauf. Mit knapp 300 PS und 800 Kilogramm muss er sich trotzdem nicht vor den Goliaths verstecken. Am Steuer sitzt die 25-jährige Claire Schönborn.

Die Racerin stammt aus einer illustren Bergrenn-Familie. Vater Rainer betreibt seit Ende der 1980er-Jahre Motorsport und übergab jüngst das Steuer an seine Tochter – eine typische Story in der Szene. Da viele dort komplett auf Urlaub verzichten und ihr so hart Erspartes in die Autos stecken, gleicht das Fahrerlager einem Mix aus Ferien-Campingplatz, Kindergarten und Familienfeier.

Bergrennen Mickhausen - VW Golf - Claire Schönborn - Meisterin KW Berg-Cup
Dino Eisele

Sport der Überlebenskünstler

Die heute ganz dem Breitensport zugeordnete Disziplin erinnert sich nur noch entfernt an ihre goldene Zeit. Vor und nach dem Zweiten Weltkrieg ließen es sich selbst die Stars des jungen Sports – darunter Rudolf Caracciola und Bernd Rosemeyer – nicht nehmen, parallel zu Grands Prix auch Berge zu erklimmen. Vor allem in den Alpen gab es zahlreiche wilde Hatzen, am legendärsten ist jedoch der bereits 1916 begründete Pikes Peak International Hill Climb in Colorado.

Die beschauliche 2,2 Kilometer lange Bahn in Mickhausen ist dagegen die Miniatur einer Miniatur. Dass dort Anfang Oktober das Finale des deutschen Bergsports ausgetragen werden konnte, gleicht zudem einem kleinen Wunder. Denn eigentlich war die motorsportliche Geschichte im Augsburger Umland bereits auserzählt. Wie bei zahlreichen anderen Bergrennen erzwangen strengere behördliche Auflagen Mitte der 1980er-Jahre das vorzeitige Ende. Aus dem prestigeträchtigen Lauf, der am 12. September 1964 sein Debüt gefeiert hatte, war lange eine entfernte Erinnerung geworden.

Der aus der Region stammende Pilot Wolfgang Glas erinnert sich an die Rettung im Jahr 2001: "Ortsansässige haben mitbekommen, dass ich selbst Bergrennen fahre. Sie fragten mich: ‚Mensch, kannst du nicht mal schauen, ob wir es bei uns auch wieder machen können?‘ Ich habe dann einen Antrag an die Gemeinde geschrieben – und der ist einstimmig durchgegangen! Als Verein konnte ich den ASC Bobingen gewinnen."

Bei seiner Rettungsaktion durfte er auf die Unterstützung der Berg-Legende Georg Plasa setzen, der damit auch nach seinem tragischen Unfalltod im Jahr 2011 weiter positiv auf die Szene wirkt. "Der Zusammenhalt seit dem Neustart ist brutal. Die Leute im Dorf stellen ihre Garagen für die Teams zur Verfügung. Manche kommen schon viele Jahre zu denselben Familien und bringen ihnen verschiedene Geschenke als Dankeschön mit."

Bergrennen Mickhausen - Opel Astra GSI 16V
Dino Eisele

Kampf der Auto-Welten

In den sonst von SUV und Co. bewohnten Unterständen findet so ein wilder Mix zusammen. Freunde deutscher Oldtimer-Legenden der Kategorien BMW E30, Opel Ascona, NSU TT und VW Scirocco zücken dabei genau so ihre Smartphone-Kameras wie Anhänger von Exoten. Darunter: Mitsubishi Evo, Subaru Impreza und Mazda 323 Turbo. Doch nicht nur bei den Marken geht es bunt zu.

Die Klassenstruktur zeigt sich – auch durch eine eher kleinteilige Einordnung der FIA – sehr vielfältig. Simpel umgebaute Kleinwagen machen den Anfang. Ihnen folgen spezialisierte Tuning-Renner wie der Golf. An der Spitze stehen die rund 500 PS starken Prototypen. Bei Jahrgängen, Antrieben und Aerodynamik ist der Fantasie fast freier Lauf gelassen.

Patrik Zajelsnik, der zum dritten Mal in Folge den Mickhausener Klassiker gewinnen sollte, wechselte in seinem Nova Proto NP01 beispielsweise zuletzt einen Mugen-V8 gegen einen topmodernen Turbo-Vierzylinder aus. Durch das Update forderte der Deutsch-Slowene an vielen Strecken den Rekord heraus. Trotz großen Risikos waren die Temperaturen am vergangenen Wochenende allerdings zu niedrig für eine Bestzeit.

Bergrennen Mickhausen - Nova Proto NP01 - Patrik Zajelsnik
Dino Eisele

David schlägt Goliath

Über vier Läufe hinweg ging es zusätzlich um Titel. Die größte Aufmerksamkeit genossen die Deutsche Berg-Meisterschaft und der KW Berg-Cup. Sie basieren auf unterschiedlichen Ausschreibungsverfahren. Um den Titel der Deutschen Meisterschaft stritten sich Patrik Zajelsnik und Marcel Hellberg (VW Brügge Golf 8V). Das optisch extrem ungleiche Duell zwischen Prototyp und extrem getunten Oldtimer wird durch den Parallelvergleich der Klassen möglich – ähnlich wie bei der NLS.

Da ein schwerer Abflug eines Konkurrenten Zajelsniks Feld schrumpfen ließ, war der Weg für Hellberg am Sonntag mehr oder weniger frei. Trotzdem wollte der VW-Mann es ordentlich ins Ziel bringen. "Im letzten Jahr habe ich schon nach acht Rennen geführt, bin aber dann am Baum geendet. Das gehört im Motorsport dazu. Für 2024 haben wir uns wieder neu aufgestellt und das Auto repariert. Dieses Jahr konnte ich alle zehn Läufe gewinnen. Mehr geht nicht! Der Patrik hatte leider nicht genug Starter nach einem Trainings-Unfall."

Angesichts der Umstände zeigte sich Patrik Zajelsnik etwas frustriert, rückte jedoch das Positive in den Vordergrund: "Ich bin dieses Jahr Luxemburgischer Meister geworden und habe hier den Titel bei den Rennsportfahrzeugen gewonnen." Nächstes Jahr will er wieder angreifen und dann auch endlich den Streckenrekord im Naturpark Augsburg knacken.

Bergrennen Mickhausen - VW Golf - Claire Schönborn - Meisterin KW Berg-Cup
Dino Eisele

Jung, weiblich, meisterlich

Bis zum Ende dramatisch lief es beim KW Berg-Cup ab, wo Claire Schönborn Geschichte schreiben wollte. Sie konnte die erste Titelträgerin werden – und obendrauf die jüngste. Der Plan ging in den ersten drei Läufen auf, doch dann plötzlich Hektik. Vater Rainer berichtete: "An der Lichtmaschine ist ein Halter abgebrochen, wodurch sie komplett schief hing. Die Stromversorgung war so unterbrochen."

Nach einer notdürftigen Reparatur und einer Zwischenlösung mit geliehenen Batterien der direkten Konkurrenz (!) konnte ihr VW Golf 1 STW den letzten Lauf gerade so antreten. Die Racerin aus Traben-Trarbach blieb cool und brachte es ins Ziel: "Ich hätte es am liebsten nicht so dramatisch gemacht. Am Ende war ich doch nervös. Und: Ich konnte mich sogar verbessern! Im Parc fermé hat das Auto aufgegeben."

Während der Bergsport in den Winterschlaf gleitet und die dort weiter quicklebendigen Tuner mit dem Revidieren beschäftigt sind, hat die Titelträgerin Schönborn Großes vor. Sie tritt vom 17. bis 20. Oktober bei der Zentraleuropa-Rallye an. Den Startplatz erkämpfte sie sich bei einer Juniorinnen-Sichtung des Promoters. Die Szene-Familie wird ihr die Daumen drücken und hoffen, dass mit ihr wieder eine von ihnen den Sprung auf die große Bühne schafft – so wie früher.

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