Alfa Romeo 155 V6 TI: DTM-Legende unterm Hammer

Auktion Alfa Romeo 155 V6 TI (1994)
Danners DTM-Held unterm Hammer

Alles sprach gegen Alfa Romeo. Neben der massiven Konkurrenz von Audi, BMW, Mercedes bzw. AMG und Opel war das deutsche Umfeld völlig fremd für den Turiner Hersteller. Zwar stand die Italo-Marke schon früher mehrmals in der Startaufstellung. Dabei handelte es sich aber mehr oder weniger um privat getriebene Projekte. Trotz der drohenden Mammutaufgabe entschied sich der Hersteller für den werksseitigen Einstieg in die höchste Liga des Tourenwagen-Sports.

Technisch profitierte die Rennabteilung in Mailand vom Rallye-Know-how des Konzerns. Der ehemalige Lancia-Ingenieur Sergio Limone war zum Rundstrecken-Projekt versetzt worden und sollte den passenden 2,5-Liter-V6 entwickeln. Auf ihn gehen auch die nach oben gebogenen Auspuffrohre zurück, die von der Presse schnell als Mysterium ausgemacht wurden. Später erklärte Limone: "Sie waren ein Ergebnis meiner Verzweiflung. Sonst hätten wir das Lautstärkelimit des Reglements überschritten." Einer anderen Legende nach wurden die Mercedes-Piloten angewiesen, diese gezielt einzudrücken, um den Rivalen Leistung abzuklemmen.

Alfa Romeo 155 V6 TI DTM (1994) - Auktion RM Sotheby's
Alexander Babic - RMS

Legendäres Duell mit dunklen Vorzeichen

Der legendäre Zweikampf zwischen den Sternen und den Schlangen war zu Beginn der Saison 1993 eine Mischung aus Hiobsbotschaft und Lebensrettung für die DTM. Aufgrund politischer Spielchen auf diversen Seiten hatten die anderen Hersteller die Serie vorzeitig verlassen. Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug wird im Fachbuch Tourenwagen-Story '93 so zitiert: "Diejenigen, die das neue Reglement am lautesten gefordert haben, kneifen jetzt." Alfa-Sportchef Giorgio Pianta holte direkt Pluspunkte bei den Schwaben: "Die Mercedes-Leute sind keine Gegner, sie sind Freunde." Nur zusammen könne man die DTM erhalten.

Von der vermeintlichen Freundschaft war auf der Strecke dann aber wenig zu sehen. Trotz des eingedampften Spitzenfelds ging es hart zur Sache. Im Mittelpunkt stand dabei Hightech auf Formel-1-Niveau. Max Mosley, Chef des Weltverbands, meckerte: "Das können sich nur die Deutschen leisten." Ironischerweise war der Alfa 155 V6 TI den heimischen Rivalen deutlich voraus. Der Krieg hinter den Kulissen hatte die Entwickler von Mercedes nämlich massiv beeinträchtigt. Schlussendlich schickten sie eine Übergangslösung.

Das Alfa-Projekt wurde im Eiltempo aufgezogen. Im Februar 1992 startete die Entwicklung, die parallel zur Meistersaison in der heimischen Superturismo ablief. Der September sah die erste Ausfahrt des Allrad-Prototyps. Als maximale Leistung gaben die Italiener beim Saisonauftakt im belgischen Zolder 420 PS an. Angeblich soll es dabei geblieben sein. Bei der Entwicklung konzentrierten sich die Norditaliener lieber auf das Drehmoment und das nutzbare Drehzahlband. Aus 11.200 wurden schließlich 12.000 Touren – gesteuert von einer Magneti-Marelli-Elektronik mit Renault-F1-Ursprung.

Alfa Romeo 155 V6 TI DTM (1994) - Auktion RM Sotheby's
Alexander Babic - RMS

Larini gewinnt besonderen Titel

Direkt beim belgischen Debüt holte Alfa Corse durch Nicola Larini zwei Siege. Mercedes-Mann Bernd Schneider sandte in Hockenheim anschließend eine doppelte Antwort. Doch im Mittelpart der Saison zog der 155 V6 TI unbeirrt davon. Auf den gegensätzlichsten Strecken des Kalenders – der Nordschleife und dem Norisring – gewann der in der Formel 1 unter Wert geschlagene Toskaner allein viermal am Stück. Bernd Schneider und der spätere Vize-Champion Roland Asch bäumten sich im letzten Drittel gegen die Roten auf. Dem zehnfachen Sieger Larini (plus ein Erfolg bei Einladungsrennen in Donington) war der Höhepunkt seiner Karriere aber nicht mehr zu nehmen: Er dominierte die zehnte Saison der DTM.

Bereits im Zuge des Schlussspurts kündigte sich an, dass 1994 anders verlaufen könnte. Opel kehrte beim Finale in Form der Spitzentruppe von Joest Racing zurück. Mit dem über den Winter nachgeschärften Opel Calibra V6 4x4 zog in der elften Saison die Qualität deutlich an. Zudem konnte Mercedes endlich seine für das neue Reglement entworfene C-Klasse in den Kampf schicken. Doch auch Alfa rüstete nach. Beispielsweise änderten sich die viel diskutierten Auspuffrohre. Zudem hielt eine aktive Aufhängung Einzug.

Alfa Romeo 155 V6 TI DTM (1994) - Auktion RM Sotheby's
Alexander Babic - RMS

Vom Pech geplagter Auktionsheld

Parallel zu Nicola Larinis und Alfas Titelverteidigungs-Kampagne debütierte der Anlass für diese Geschichte. Das werksunterstützte Team Schübel Engineering erhielt ein völlig neues Chassis mit der Nummer ZAR167000 00088171. In das Cockpit setzte man Motorsport-Prominenz. Der 36-fache Grand-Prix-Starter Christian Danner wurde 1993 in Alfa-Diensten Fünfter und feierte sogar einen Sieg – blöderweise "nur" beim ersten Einladungsrennen in Donington. Die Hoffnung lag auf einer weiteren Leistungssteigerung im gezeigten Update-155-V6-TI.

Obwohl dieser Plan nicht aufging, verlief 1994 durchweg solide. Mehrere technische Probleme verhinderten wiederholt Größeres. Am Ende standen über alle Rennen hinweg drei Podien und Gesamtrang neun. Der schnelle, aber anfällige, überarbeitete Alfa Romeo ließ auch Larinis Traum eines zweiten Titels platzen. Fahrerübergreifend sackte die Alfa-Armada immerhin zwölf Siege ein. Mercedes-Routinier Klaus Ludwig holte seinen dritten Meisterpokal vor Markenkollege Jörg van Ommen und Larini.

1995 wanderte Danners Gebrauchter – eines von nur zehn 1994er-Exemplaren – in die Hände von Euroteam. Die Mannschaft aus der Lombardei wählte ebenfalls Formel-1-Erfahrung. Stefano Modena pilotierte den roten Wagen an den ersten beiden Wochenenden. Bei dessen Abschiedsrennen auf der AVUS steht hinter Modena zwar ein zweiter Platz vermerkt. Nach einem üblen Unfall wurde der zweite Lauf aber nicht gewertet. Im Anschluss kehrte der mehrmals knapp am Sieg vorbei geschrammte Tourenwagen-Held zur Werksabteilung zurück, für die er aber nur Marketing-Aufgaben absolvierte. Alfas Programm endete wie die erste DTM-Ära im Winter 1996. Alessandro Nannini setzte mit Meisterschaftsrang drei damals den Schlusspunkt.

Teurer als ein aktueller GT3

Zum Verbleib in den darauffolgenden Jahren bietet das Auktionshaus RM Sotheby's keine Informationen. Erst 2017 setzte sich die Geschichte fort, als der Markenspezialist Fabrizio Pandolfi den 155 aufwändig restaurierte. Im folgenden Jahr kaufte der aktuelle Eigentümer den roten Alfa im originalen 1994er-Design. Zum angebotenen Paket gehören neben einem Ersatz-V6 auch zwei Getriebe und ein Front-Differential. Außerdem überstand der Wagenpass die Zeit. Der Schätzpreis liegt bei satten 650.000 bis 700.000 Euro. Zum Vergleich: Ein aktueller Ferrari 296 GT3 soll rund 600.000 Euro kosten.

Die Auktion findet im Rahmen des neuen Oldtimer-Events "Concours of Elegance Germany" statt. Am Ufer des Tegernsees versteigert Partner RM Sotheby's den 155 V6 TI am 27. Juli. In unserer großen Bildergalerie können Sie den 30-jährigen Über-Tourenwagen aus zahlreichen Perspektiven begutachten.