Vor 38 Jahren rollte in Shanghai der VW Santana vom Band – als erstes Volkswagen-Modell in China überhaupt. Die viertürige Stufenheck-Limousine wurde zum Verkaufsschlager und kurbelte die Popularität des deutschen Konzerns auf dem chinesischen Automobilmarkt mächtig an. Jetzt plant SAIC Volkswagen Automotive (früher Shanghai Volkswagen Automotive) das Produktionsende des legendären Modells. Das geht laut der Nachrichtenagentur Reuters aus durchgesickerten Dokumenten hervor.
Sinkende Nachfrage
Derzeit passiert der Santana noch die Werkstore in der ostchinesischen Stadt Yizheng – bei einer aktuellen Produktionskapazität von stolzen 224.400 Einheiten pro Jahr. Eine Zahl, die bald hinfällig ist. Direkt zum voraussichtlichen Santana-Abschied äußerte sich Volkswagen auf eine Anfrage von Reuters nicht. Was das Unternehmen aber einräumte: Das Interesse seitens der chinesischen Kundschaft hat sich deutlich verändert. Inwiefern? Nun, der Trend zum SUV macht bekanntlich auch vor Ikonen nicht Halt und so schickt die sinkende Nachfrage das Modell in den Ruhestand.
Verdrängt vom Elektro- und SUV-Boom
Laut VW verschiebe sich die Präferenz zumdem klar von Stufenheck-Modellen mit Verbrennungsmotor hin zu batterieelektrischen Fahrzeugen – und nicht erst damit zunehmend ins SUV-Segment. Passend dazu die Absatzzahlen: Brachten die Wolfsburger im Jahr 2019 noch 255.836 Santana-Exemplare an chinesische Kunden, wurden 2020 nur noch 175.728 Stück verkauft. Ein massiver Rückgang um 80.108 Einheiten also.

Vom Marken-Missionar zum China-König
Mehr als schade, denn der Santana hat eine glorreiche China-Historie hinter sich. Dabei startete im Jahr 1983 alles nur mit einer kleinen Testserie. Auf Basis des Passats in zweiter Generation modellierten die Wolfsburger eine viertürige Stufenheck-Limousine mit verbesserter Ausstattung. Abgesehen vom Stufenheck grenzte sich der Santana durch einen eigenen Grill, große rechteckige Scheinwerfer, weiße Blinker und etwas Chromschmuck ab. Zudem gab's ein frischeres Interieur. Für die gut 100 Erstlings-Exemplare schickte der Hersteller CKD-Bausätze nach China, um die Fahrzeuge dort zusammenzubauen. Erst 1985 begann die reguläre Fertigung vor Ort.
Und der Santana hielt, was sich VW von ihm versprochen hatte: Bereits im September 1986 betrug die Anzahl der in China gebauten Exemplare 10.000 Stück. Im Zuge des chinesischen Wirtschafts-Booms mauserte sich die erschwingliche Limousine in den Neunzigern zum automobilen Statussymbol, leistete ihren Dienst häufig bei Beamten und Taxi-Unternehmen. Der Santana rockte die Volksrepublik und katapultierte den deutschen Hersteller in Sachen Absatzzahlen an die Spitze der ausländischen Autobauer.

Indes verlegte VW die Santana-Produktion – im Jahr 1995 fabrizierte der Konzern nahezu 90 Prozent der Komponenten in der Volksrepublik – fast komplett nach China. Im selben Jahr kam der überarbeitete Santana 2000 auf den Markt. 2004 brachte VW mit dem Santana 3000 eine weitere Modellpflege sowie eine Langversion. Eine komplette Neuentwicklung ließ bis 2013 auf sich warten. Zwei Jahre darauf folgte erstmals eine Schrägeck-Variante namens Gran Santana.

Daheim ein Außenseiter
38 Jahre nach der Premiere der Ikone hat VW insgesamt über sechs Millionen Einheiten in China verkauft. Während er in China zum wichtigsten VW-Modell avancierte, blieb er in seiner Heimat jedoch immer ein Außenseiter und fand kaum Anklang. Hierzulande hatte VW den Santana deshalb schon 1985 abgehakt und schlicht zur Stufenheck-Variante des Passat umerkoren.