Meister Wünsch sitzt bereits hinterm Lederlenkrad und stellt sich den Sitz passend ein. "Die Probefahrt gehört bei einem 1er immer zu den Höhepunkten", ruft er und grinst wie jemand, der gerade seinen Führerschein bekommen hat.
Unser Gebrauchtwagen- Checker trifft den Nagel mal wieder auf den Kopf: Kaum ein Kompakter trägt so viel Fahrspaß in seiner DNA. Denn obwohl der 1er für fast alle Lebenslagen taugt und auch gern die Rolle des Dienstwagens übernimmt, umhüllt ihn die Aura des Rebellen, der sich je nach Motorisierung erfreulich unvernünftig und emotional anfühlt.
Während die Konkurrenz den Motor quer einbaut und mit Frontantrieb kombiniert, um Kosten zu sparen und ein paar Zentimeter mehr im Innenraum zu gewinnen, pflegt der athletische Bayer den dynamischen Hüftschwung. Das alte BMW-Credo von der "Freude am Fahren", hier kann man es tatsächlich noch erleben. Meister Wünsch weiß das – er kennt diesen Autotyp gut, weil viele seiner Kunden einen 1er fahren. Heute wird er sich einen Vertreter aus der zweiten Generation zur Brust nehmen – die nicht nur mit vergnüglichem Handling punktet, sondern auch eine motorische Vielfalt liefert, die dem bis 2011 gebauten Vorgänger fehlt.
Die Varianten des 1er
Der 1er markiert seit 2004 den Einstieg in die BMW-Welt – die teuren Mini mal ausgeklammert. Zieht man den Fokus etwas auf, konkurriert er in der Kompaktklasse mit Golf und Co. Sein Alleinstellungsmerkmal? Heckantrieb und Reihensechszylinder- Motoren. Wobei selbst Typen mit BMW-Tattoo ahnen, dass beides mit der nächsten Generation Geschichte sein wird. Zum Glück sind ja auch 1er mit Vierzylindern keine Spaßbremsen.

Auf dem Gebrauchtwagenmarkt tummeln sich Tausende Modelle der ers-ten beiden Generationen. Zur Erinnerung: Der erste 1er (E87) lief als Zwei- und Viertürer bis 2011, danach folgte die hier vorgestellte zweite Generation vom Typ F20 (Viertürer). Warum Ihnen die besser gefallen könnte als ihr Vorgänger? Nun: Die neuen Vierzylinder-Ottomotoren tragen einen Turbolader. Die Sechsstufen- automatik des Vorgängers wurde durch eine achtstufige von ZF ersetzt. Das iDrive-System gibt’s nun auch ohne Navigation; zum ersten Mal sitzen die Seitenblinker in den Gehäusen der Außenspiegel. Es gibt einen Eco-Pro- Modus, der den Fahrer dabei unterstützt, Treibstoff zu sparen. Elektronische Schutzengel wie der Parkassistent, die Spurwechselwarnung, der Auffahr- warner, die Rückfahrkamera und eine Geschwindigkeitsinfo sind für diesen 1er verfügbar.
Wenig Geiz herrscht auch bei der Motorenauswahl: Die Benziner weisen ein Leistungsspektrum von 102 bis 340 PS auf. Empfehlenswert ist zum Beispiel der Vierzylinder-Turbo im 118i mit 170 PS und maximal 250 Nm Drehmoment, serienmäßig an ein Sechsgang-Schaltgetriebe geflanscht, gegen Aufpreis mit der erwähnten Achtgangautomatik ausgeliefert. Sechs Zylinder trommeln übrigens nur noch beim 135i und 140i unter der langen Haube.

Freunden moderner Selbstzündung serviert BMW eine Auswahl Vierzylinder-Turbodiesel mit bis zu 224 PS und einer Bandbreite von 235 bis stolzen 450 Nm Drehmoment. Unterhaltsam und sparsam zugleich: der 118d mit 320 Nm und 150 PS, der im Alltag meist mit rund fünf Litern Diesel auf 100 km auskommt.
Coupé (E82) und Cabrio (E88) starteten übrigens im Frühjahr 2014 als Zweier-Baureihe. Der 1er erhielt 2015 ein Facelift. Die Modelle der Baureihe entstehen aktuell im BMW-Werk Regensburg und seit März 2012 auch in Leipzig.
Hohe Preise, gute Wertstabilität
"Leider verlangt BMW ganz schön viel Geld für so einen neuen 1er", stellt Meister Wünsch fest. "Knackt ein 118i eigentlich auch schon die 30.000 Euro-Marke?", fragt er und kramt sein Handy hervor: "Wollen wir doch mal sehen", sagt er und ruft die BMW-Seite im Internet auf. Um kurz darauf langsam den Listenpreis zu murmeln: "Siebenundzwanzigtausendundfünfzig Euro." Ohne Extras. "Lag ich also gar nicht so verkehrt – denn mit ein paar Extras steht schnell eine große Drei im Kaufvertrag."
Keine Frage: viel Geld für einen kompakten Neuwagen mit Vierzylindermotor. Nach ein paar Sommern ändert sich das jedoch, dann rutscht der Preis des erwähnten 118i in Regionen, die auch dem Kopf gefallen. So wie bei unserem heutigen Testkandidaten in Mineralgrau. Im November 2011 wurde der BMW erstmals zugelassen, sein Tacho weist rund 77.000 Kilometer aus – die sich durch ein lücken- los geführtes Scheckheft und Prüfberichte von TÜV und DEKRA belegen lassen. Der Verkäufer will 11.500 Euro.

"Klar: Für dieses Sümmchen gibt es Kompaktwagen, die nur halb so alt sind", wirft Meister Wünsch ein – um dann jedoch zu ergänzen: "... die aber vermutlich auch nur halb so viel Spaß machen." Während er den Blechdress des 1er unter die Lupe nimmt, werfen wir einen langen Blick auf die Ausstattung des 118i. Offenbar war sein Erstbesitzer kein geiziger Typ: Er spendierte dem Viertürer unter anderem eine Klimaautomatik, Sitzheizung vorn, ein Multifunktions-Lederlenkrad, ein elektrisches Glasschiebedach, Ablagen in den Türen und Parkpiepser am Heck. "Damit dürfte auch dieser 118i einst die 30.000-Euro- Schallmauer durchbrochen haben", schätzt Meister Wünsch.
Das Cockpit ist astrein in Schuss, auch den Sitzen sieht man das Alter nicht an. Zwar passen einige Verkleidungen nicht zum selbsternannten Premium-Anspruch – doch der BMW nervt auch nach all den Jahren nicht mit Knistergeräuschen: "So muss das sein – wenn die Qualität stimmt, dann rechtfertigt das auch den Preis", freut sich Meister Wünsch und dirigiert den 118i durch die Stadt. "Die Lenkung arbeitet schön direkt, die Vorderachse poltert nicht, und das Getriebe wechselt die Gänge, ohne zu zicken. Angenehm überrascht mich der Durchzug des 170 PS starken Turbobenziners", fasst Meister Wünsch nach der Probefahrt zusammen.
An der Karosse konnte unser Checker nur ein paar zarte Kratzer und zwei kleine Dellen finden – typische Alltagsspuren. Schlecht instand gesetzten Unfallschäden fielen ihm keine auf.
"Schauen wir uns den Wagen mal von unten an", schlägt Meister Wünsch vor. Bevor er die Hebebühne bedient, drückt er uns einen Zettel in die Hand: "Hab hier mal ein paar Probleme notiert, die wir bereits mit dem 1er der zweiten Generation in der Werkstatt hatten."
Darauf steht: "Wenn der Motor Aussetzer und keine Leistung hat, sind nicht selten die Zünd- spulen hinüber. Listet der Fehlerspeicher einen defekten Einspritzinjektor auf, ist das nicht weiter tragisch. Bei einigen Motoren müssen allerdings alle vier Injektoren getauscht werden – keine günstige Nummer. Hin und wieder kommen Ausfälle am Start-Stopp-System vor." –
"Und was selten ein Kunde glaubt: Wenn die Starterbatterie des Wagens tot ist und gegen eine neue ersetzt wird, will die Fahrzeugelektronik darüber per Diagnosesystem informiert werden. Sonst funktioniert nichts", erklärt Meister Wünsch.
"Das klingt jetzt so, als wäre der 1er ein Sorgenkind – ist er aber nicht. Es handelt sich nur um Erfahrungen mit einem beliebten Autotyp, daher die Ansammlung."
Rost? Veröltes Hinterachsdifferenzial?
Mit solchen Problemen nervten BMW früher. Heute indes sind ihre Hinterachsen schön trocken und die Schweller gut gegen die braune Pest geschützt. Nur einige zart angerostete Schrauben entdeckt Meister Wünsch an den Achsen – sie verraten das Alter des 118i –, mehr nicht.

Nach dem gründlichen Check der Vorderachse (nichts ausgeschlagen) sucht der Meister den Antrieb auf Undichtigkeiten ab – ohne Befund. Auch der Auspuff präsentiert sich in einem super Zustand. Bei den Bremsen hält sich der Verschleiß noch in Grenzen – "allerdings werden die vorderen Beläge keine 10 000 Kilometer mehr mitmachen".
Nach gut einer Viertelstunde surrt der BMW wieder abwärts. "Ein schönes Auto", fasst der Meis- ter zusammen. "Größere Mängel gibt es nicht, nur ein paar kleine kosmeti- sche. Natürlich steckt keiner von uns in der Technik drin – aber ich gehe davon aus, dass dieser 1er noch ein langes Leben vor sich hat. Der nächste Besitzer darf sich freuen."
Ob Benziner oder Diesel spielt fast keine Rolle – bei den Preisen sind beide Antriebe derzeit gleichauf.
BMW 118i | |
Grundpreis | 27.000 € |
Außenmaße | 4324 x 1765 x 1440 mm |
Kofferraumvolumen | 360 bis 1200 l |
Hubraum / Motor | 1598 cm³ / 4-Zylinder |
Leistung | 125 kW / 170 PS bei 4800 U/min |
Höchstgeschwindigkeit | 225 km/h |
0-100 km/h | 7,7 s |
Verbrauch | 5,7 l/100 km |
Testverbrauch | 8,6 l/100 km |