Neulich im Internet: Da schlendert man nichts ahnend über den virtuellen Automarktplatz seiner Wahl – und stolpert über einen kleinen Toyota Yaris . Freundlicher Metallic-Lack, stolze Aluräder, schwarze Sportsitze und sogar 106 Pferdchen unter dem Häubchen. Die dazugehörigen 136.000 Kilometer (Laufleistung) klingen dagegen weniger sexy. Mal lesen, wie viele Vorbesitzer das Wägelchen schon hatte. Im Inserat werden zwei angezeigt.
Mehr als 100.000 km, aber scheckheftgepflegt
Später am Telefon versichert der Privatverkäufer, den Wagen erst vor zwei Jahren erstanden zu haben – von einer älteren Dame, die ihn stets in der Fachwerkstatt warten ließ. Das sei alles im Scheckheft notiert – und abgestempelt. Die Herren von der DEKRA hätten sich den Kleinen im Dezember vorgenommen – und keine Mängel festgestellt, worauf es eine neue HU-Plakette gab. Über die Zuverlässigkeit, das erwähnt der Verkäufer zweimal, könne man auch online viel lesen. Doch hierbei gilt: Bitte stets an das ungeschriebene Gesetz der drei „W“ denken – wer im World Wide Web nach Problemen sucht, wird sie auch finden. Alle! Schließlich lassen sich Besitzer von mängelfreien Exemplaren – ob von einem Toaster oder einem Kleinwagen – nur selten in Blogs oder Foren aus.
Fragt man dennoch Google nach Problemzonen beim Yaris der ersten Generation (1998 bis 2006), findet sich aber tatsächlich vergleichsweise wenig Kritik: Die Steuerketten der kleinen Vierzylinder scheinen sich nicht zu längen, die Aufhängungen der Achsen halten, und Rost kommt auch nur selten zu Besuch.
Fast 2.700 Euro ruft der Yaris-Verkäufer für den 16 Sommer alten Fünftürer noch auf. Da aber auch er die Marktpreise vorab überprüft hat, hat er „Verhandlungsbasis“ in die Anzeige geschrieben.
„Ein seltener Gast, und noch dazu im Sportdress“, ruft Meister Wünsch zur Begrüßung. Er nimmt ohne weiteres Geplänkel die Karosse des Yaris unter die Lupe. Natürlich wollen wir ihm den kleinen Toyota nicht vorenthalten – seine Einschätzung im Meister-Check ist kostbar. Während er den Kleinwagen beschnuppert, betrachten wir die Gebrauchtwagenpreise. Bei diesem alten Yaris handelt es sich um die sportliche TS-Version, die stets die teuerste war. Daher rührt auch die Preisvorstellung des Verkäufers. Sucht man in den gängigen Gebrauchtwagenbörsen im Internet nach Yaris-Modellen der ersten Generation, geht es schon bei 750 Euro los. Ab 1.000 Euro wird’s dann interessant – weil bereits ein lückenlos ausgefülltes Scheckheft dabei ist und die Laufleistung meist unter der 150.000er- Marke liegt. Allerdings ist der kleine Toyota dann meist auch nur 68 PS stark – was aber für die meisten nahen Wege völlig ausreicht.

Drei Kratzer, sieben Beulen und einen Steinschlag diagnostiziert Meister Wünsch. „Aber der liegt nicht im Sichtbereich des Fahrers, also stört er zunächst auch nicht.“
Optische Mängel – ein Fall für den Dellen-Doc
Die Schrammen an der hinteren Stoßstange und die Beulen zaubert ein Smart-Repair-Profi weg. Bleiben die Bordsteinspuren an den Alufelgen – aber auch die lassen sich von Spezialisten ausbessern, weiß Meister Wünsch. Er fügt nach einer kurzen Atempause hinzu: „Man kann es aber auch lassen – ist ja kein Neuwagen mehr.“
Als Nächstes ist der Innenraum dran. Hier findet der Meister Flecken auf den Rücksitzen und vermisst den Wagenheber. „Sonst hat sich der Toyota gut gehalten – schauen wir mal, wie er fährt.“
Der Anlasser braucht nicht lange, bis der Motor sein sportliches Brummen von sich gibt. „Kein Steuerkettenrasseln, das ist schon mal gut.“ Bis zur Stadtgrenze ist der Benziner auf Betriebstemperatur, der Meister ruft höhere Drehzahlen ab. Kein Problem für den 1.500er: Stoisch zieht er durch, im vierten wie im fünften Gang. „Toyota hat ein kurz übersetztes Getriebe verbaut – das ist gut für den Antritt, aber nicht für Ohren und Verbrauch. Ein sechster Gang wäre perfekt.“ An der Hebebühne angekommen, gibt es folgende Zwischenbilanz vom Meister: „Außen hat er ein paar Macken, innen fehlt es ihm etwas an Pflege. Motor und Getriebe fühlen sich trotz der Kilometer fit an, das Fahrwerk poltert nicht.“
Kurz darauf staunt Meister Wünsch unter dem Yaris nicht schlecht: die Bremsen (Scheiben rundum) haben noch reichlich Belag, alle Kugelköpfe der Lenkung sind gut in Form, keine der vier Achsmanschetten ist eingerissen. Am Antrieb klebt nicht ein Tropfen Öl, und der Kühler macht auch noch einen guten Eindruck. „Nach 16 Jahren sieht das hier nicht aus. Respekt! Vor allem weil die meisten Teile nicht gewechselt wurden, sondern trotz ihres Alters noch gut in Schuss sind.“
An der Hinterachse angekommen, legt der Meister die Stirn in Falten: „Hier rostet der Kleine. Ist zwar noch nicht schlimm, sollte aber vorm nächsten Winter beseitigt und versiegelt werden.“ Auch wegen der HU-Relevanz. Für den unteren Falz der Beifahrertür kommt eine solche Behandlung zu spät, hier drängt der Rost bereits zwischen den Blechen hervor. Ist kein tragendes Teil, daher auch nur ein Schönheitsfehler. Davon hat der Yaris ja ein paar, technisch ist er jedoch 1 a. „2.000 Euro wären daher ein guter Deal“, so der Meister. Mal sehen, was der Verkäufer sagt.