Mercedes Marco Polo und VW California: Reisemobile im Vergleich

Mercedes Viano Marco Polo und VW T5 California
Reisemobile im Doppel-Vergleich

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So sehen professionelle Fluchthelfer aus: Mercedes Viano Marco Polo und VW T5 California. Lang wie Oberklasse-Limousinen und mit 1,99 Meter Höhe noch niedrig genug, um in Tiefgaragen zu schlüpfen. Wer ab und zu ungezwungen Land und Leute entdecken, vielleicht auch mal den einen oder anderen Campingplatz unsicher machen möchte, ist an Bord dieser Multifunktions Bus se richtig. Im Alltag brave Einkaufstaschen, Kindergartentaxis und Baumarkt-Mulis, locken sie im Urlaub zum Verreisen in den wohl schnellsten Ein-Raum-Wohnungen der Welt. Beide bieten vier Sitz- und Schlafplätze sowie Höchstgeschwindigkeiten bis 180 km/h.

Schlafen im Aufstelldach

Wie das geht? Mit Aufstelldächern. Im Normalzustand tragen diese nicht auf, per Knopfdruck oder mit Muskelkraft fahren sie in die Höhe, laden dann in eine luftige, zeltartige Schlafgelegenheit für zwei im ersten Stock. Im Parterre gibt es zudem zwei Plätze auf der flachgelegten Rückbank samt Verlängerung. Beim VW T5 California müssen dazu eine Schlaufe und ein Hebel gezogen werden, der Mercedes Viano Marco Polo erledigt die Sache elektrisch. Besonders pfiffig: Seine Rückbank enthält Luftkissen, die während der Fahrt gute Kontur vermitteln. Zum Schlafen ist die Luft dann raus, die Liegefläche glatt. Oben ruht man im VW sogar auf einem Lattenrost, Mercedes offeriert einen punktelastischen Kunststoff-Unterbau.

Apropos Bau: Mercedes hat den Marco Polo mit Camping-Profi Westfalia entwickelt, VW nahm den California nach langer Zusammenarbeit mit Westfalia selbst in die Hand. Dazu gab die Hannoveraner Truppe richtig Gas. Die Möbel bestehen aus leichtem, stabilem Aluminium-Wabenmaterial mit Oberflächen in Holzoptik. Die Küchenzeile ist mit schickem Milchglas abgedeckt. Prädikat: architektentauglich. Der Mercedes Viano Marco Polo besitzt mit Zweiflammengaskocher, Kompressorkühlschrank, Frisch- und Abwassertank eine ähnliche Technik, setzt aber auf konventionelle Camping-Optik mit robusten Kunststoffoberflächen. Bei weitem nicht so schick, aber mindestens genauso praktisch. Wenn der California-Eigner Gästen den eleganten, verschiebbaren Tisch, der sich im Ruhezustand fast unsichtbar an die Seitenwand schmiegt, vorführt, die beiden Klappstühle aus der Hecktürverkleidung zieht und den Zusatztisch aus der Schiebetür klinkt, ist selbst bei Profis Staunen angesagt. Die Bordtechnik bedient man hier wie dort über ein übersichtliches Paneel, das elektrische Hubdach ist nur beim VW California serienmäßig.

Mercedes lässt Kunden die Wahl einer manuellen Betätigung. Erfordert zwar etwas Muskelkraft, ist aber pannensicherer. Bei aufgestelltem Dach lässt sich die Bettfläche hochstellen (bei VW mit Hydraulikhilfe), so dass darunter entspannte Stehfreiheit herrscht. Um Ordnung an Bord kümmern sich ein großes Schubfach unter der verschiebbaren Bank sowie sauber integrierte Schränke seitlich und im Heck. Die Bordtechnik (Gas, Wasser, Strom) ist gut zugänglich und selbst für Laien problemlos beherrschbar.

Kräftige Dieselmotoren im Angebot

Das Fahrverhalten sowieso. Der Mercedes Viano Marco Polo besitzt einen längs eingebauten Motor und Heckantrieb (Allrad als Option). VW treibt mit Quermotoren die Vorderräder an, bietet aber auch gegen Aufpreis einen Allradantrieb. Beim letzten Facelift flogen die seit dem Vorgänger T4 legendären Fünfzylinder-TDI raus, nun gibt es nur noch Zweiliter-Vierzylinder. Bei der 180-PS-Topversion für rund 60.000 Euro blasen gleich zwei Turbolader an, um die Tränen der Fünfzylinder-Fans zu trocknen. Ausreichend Druck liefert jedoch schon die 140 PS starke Variante.

Mercedes ging seinem 2,1-Liter-CDI ebenfalls an die Wäsche. Die 136-PS-Version gibt es für rund 49.000 Euro, doch für einen guten Tausender mehr stehen 163 PS parat. Wie bei den PKW-Geschwistern sorgt eine Ausgleichswelle für Ruhe, ein Start-Stopp-System für Stille an der roten Ampel. Damit kann der drei Liter große Top-Diesel (ab 55.000 Euro) zwar nicht dienen, wohl aber mit Sechszylinder-Kultur, satten 224 PS, 440 Newtonmeter Drehmoment und serienmäßiger Fünfgangautomatik. Mehr Punch geht nicht im Bus-Segment.

Teuer sind beide

Dafür bietet VW neben dem Comfortline das ultimative Surfermobil, den California Beach (mit 140-PS-TDI für rund 41.000 Euro). Ohne Küchenzeile, dafür aber mit breiter Dreier-Schlafbank, Aufstelldach und praktischen Verdunkelungs-Rollos ist er der Traum aller Freiheitsliebenden. Mehr Variabilität geht nicht, selbst zwei Motorräder finden Platz, während die Besatzung im Hochbett nächtigt.

Ergo: Der hinterradgetriebene Mercedes Viano Marco Polo ist insgesamt etwas preisgünstiger und pragmatischer. Der VW T5 California fährt nicht ganz so präzise, hat aber die bessere Laufkultur und wirkt innen wesentlich hochwertiger, zudem ist er der wandlungsfähigere und vor allem schickere Alltagsfluchthelfer. Teuer sind sie beide.