Mercedes-Benz W124 E-Klasse (1984-1997) Kaufberatung

Mercedes-Benz W124 (1985-1996) Schwächen, Preise
Haltbarer Klassiker aus der Sacco-Ära

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Das sagt sich so leicht: „Ich fahre einen 124er.“ Da kommen die meisten Autoliebhaber automatisch auf die Mercedes-Mittelklasse und denken kaum einmal an einen Fiat. Aber welcher 124er ist es denn? Die Ende 1984 vorgestellte Limousine, die dem barockig gestalteten Vorgänger mit einem für viele damals befremdlichen, weil ungeheuer sachlichen Design folgte? Oder doch der von Mercedes etwas verschwurbelt T-Limousine genannte Kombi mit dem Baureihen-Code S 124, der ein Star der Frankfurter IAA des Jahres 1985 war? „124“ könnte aber auch für den C 124 stehen, das auf dem Genfer Salon 1987 vorgestellte Coupé. Das entlockte dem kühlen Design plötzlich nicht nur wegen des um 8,5 Zentimeter gekürzten Radstands ungeahnte Eleganz. Bleibt noch das Cabriolet A 124, das 1991 die Viererbande komplettierte und im Jahre 1997 als letzter 124 aus der Produktion ging. Die ältesten W 124 dürfen heute bereits das begehrte H-Kennzeichen tragen.

Mercedes baute 2,5 Millionen W124

Mercedes-Benz W124 Cabrio, Frontansicht
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Man sieht schon: Der in mehr als 2,5 Millionen Exemplaren gebaute 124 tat einiges dafür, unterschiedlichste Käuferwünsche abzudecken – sogar den nach einem Allradantrieb. Der kam 1985 unter dem Namen 4Matic ins Programm. Und so ist auch sichergestellt, dass heute jeder seinen 124er findet. Wichtig ist nur, die Suche gelassen anzugehen und sich beim Kauf eines Billigheimers klarzumachen, dass der Kaufpreis meist nur der Anfang ist.

Billig kann teuer werden

Mercedes W124 Kaufberatung
Mercedes

Der W124 und seine Spielarten können alle Gemeinheiten auf Lager haben, die einem nach dem Kauf den letzten Nerv rauben können. Können. Müssen aber nicht.

Rost etwa ist für die Mittelklasse mit dem Stern alles andere als ein Fremdwort mit vier Buchstaben. Seien es die vorderen Kotflügel über den Blinkergehäusen oder die Heckleuchten, an denen wegen geschrumpfter Dichtungen Wasser eintreten kann. Seien es Radläufe, Schweller und Wagenheberaufnahmen, sei es das Blech um die Heckscheibe – wer suchet, der findet. Und manchmal muss man ziemlich aufwendig suchen.

Tipp: auf Rost achten – und die Achsen

Mercedes E-Klasse - sechs Generationen
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Die für den geschmeidigen Federungskomfort und das angenehme Handling verantwortliche Mehrlenkerachse – schon aus dem kleinen W 201 bekannt – nehmen vier verstärkte Bleche auf. Die verrotten gern mal im Laufe der Jahrzehnte, und wie weit der Gammel fortgeschritten ist, lässt sich nur auf einer Hebebühne feststellen. Wer bei der Sichtprüfung schon so weit gegangen ist, sollte, wenn hinten alles in Ordnung ist, auch den Unterfahrschutz des Vorderwagens abschrauben und einen Blick auf die Querlenkeraufnahmen am vorderen Achsträger werfen. Träger und Lenker neigen nämlich zum Durchrosten. Ein vermeintlich billiges Auto der 1000-Euro-Klasse (also meist eine Vierzylinder-Limousine) kann schnell viel Arbeit und Geld verlangen, um wieder verkehrssicher zu werden.

Wichtig für die Suche nach Rost sind überdies zwei Daten: Zur ersten kleinen Modellpflege im August 1989 bekam die E-Klasse flächige Verkleidungen an Kotflügeln und Türen, die nach Mercedes-Chefdesigner Bruno Sacco benannten Sacco-Bretter. Sie kaschieren Korrosion schon mal ganz gut (was natürlich nicht der Grund ihrer Einführung war) und sollten bei einer sorgfältigen Prüfung abgenommen werden.

Reizwort Wasserbasislack

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Zum Zweiten ist der August 1992 zu erwähnen. Da stellte Mercedes auf wasserbasierte Lacke um. Eine Entscheidung mit Folgen, denn fortan rostete das Blech besonders intensiv, weil die umweltfreundlichen Lacke durch falsche Produktionsprozesse oft schon verunreinigt waren, bevor sie aufs Blech kamen. Mercedes besserte großzügig nach – zum Teil auch mit Neulackierungen an gar nicht mal so alten Fahrzeugen. Doch es gibt gewichtige Stimmen, die diesen Lacken nicht trauen. Zeigen sich großflächige Lackabplatzer – gern auch mit Unterrostungen –, darf man drauf wetten, ein Exemplar der Wasserbasislack-Jahre vor sich zu haben.

Langlebige Technik? Ja

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Puh, mag nun manch einer denken, massig viele Problemstellen für ein Auto, das sich so großer Beliebtheit erfreut. Doch wie gesagt: Es muss ja nicht so schlimm kommen. Viele Besitzer investierten ja in Pflege und Werterhalt, und selbst heute gibt es noch gute Zweit- oder Dritthand-Exemplare, die ohne jeglichen Wartungs- oder Reparaturstau Fahrfreude von Anfang an versprechen und auch liefern.

Die hängt natürlich nicht unwesentlich vom gewählten Motor ab. Einen 200D muss man sich heute wirklich nicht mehr antun, denn 75 PS liefern auch bei bescheidenen Ansprüchen ans Temperament kaum jene Souveränität, die man in der kommoden E-Klasse erwartet. Ab 90 PS passt es dann schon besser, wobei Kenner gern zur Automatik greifen. Die Schaltgetriebe des W 124 bieten nämlich nicht ansatzweise die Präzision und Funktionslust wie die des Dauerrivalen aus München. Und da sprechen wir gar nicht mal vom legendären Bonanza-Effekt, der in den ersten Produktionsjahren noch mehr Ärger verursachte als der zur Schlierenbildung neigende Einarm-Scheibenwischer, der im Alter allerdings besser funktioniert als von vielen Skeptikern erwartet.

Motorentipp: M104 Reihensechszylinder

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Als erwiesen gilt, dass die Vierganggetriebe erheblich höhere Laufleistungen erreichen als die Fünfgangboxen, deren höchster Gang gemeinhin als Schongang ausgelegt war. Spaßig sind als Schalter Autos mit dem 1989 eingeführten Dreiliter-Vierventiler M 104. Der bringt mit seinem bissigen Hochdrehen eine unerwartete Sportlichkeit ins Auto. Aber noch mal zurück zu den Getrieben: Die Wandlerautomaten, die Mercedes natürlich selbst entwickelte und nicht irgendwo zukaufte, gefallen wirklich mit perfekt getimten und ausgeführten Gangwechseln und sind fein auf die doch sehr unterschiedlichen Charaktere der Motoren vom 72-PS-Diesel bis zum 326-PS-V8 abgestimmt.

Doch zeigt der Kilometerzähler erst mal mehr als 300.000 an, hat für sie auch dann der Zugabenteil begonnen, wenn das Öl regelmäßig alle 100.000 Kilometer gewechselt wurde. Will heißen: Dann sollte man ein paar Euronen auf der hohen Kante haben, um gewappnet zu sein für die Komplettüberholung oder den Austausch des Getriebes, das aufs nahe Ende mit ruppigen Schaltvorgängen aufmerksam macht. Das Differenzial heult ein wenig auf der Probefahrt? Nicht überbewerten, das ist im Alter normal und kann noch sehr lange gut gehen.

Gut für viele Kilometer

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Für eine halbe Million Kilometer gut sind auch die Motoren, von denen es im W 124 eine erkleckliche Anzahl gab. Nicht besonders temperamentvoll, aber unkompliziert und robust sind die Vierzylinder-Benziner der M-102-Familie, mit denen der W 124 1984/85 startete. Eng verwandt sind die frühen Zweiventil-Sechszylinder-Benziner M 103, die noch heute in Sachen Laufkultur zum Besten zählen, was man kaufen kann.

Besonders gesucht ist natürlich der 300er, der mit Katalysator etwas an Leistung verlor, mit 180 PS aber noch immer souverän ans Werk geht. Kenner begnügen sich mit dem 260, dessen geringere Leistung nur beim direkten Umstieg aus dem 300 auffällt. Der 1989 präsentierte Vierventil-300er M 104 läuft etwas kerniger und nervöser und passt am besten ins Coupé oder ins Cabrio. Die AMG-Varianten mit 3,4 und 3,6 Litern Hubraum und Leistungen von 252 bis zuletzt 272 PS sind heute gesuchte und teure Sammlerexemplare.

Am besten in die E-Klasse passen indessen die 1992 eingeführten neuen Vierventiler im E 200 und E 220 (Vierzylinder) beziehungsweise im E 280 und E 320 (Sechszylinder). Die Vierzylinder klingen zwar wenig animierend, erfreuen aber mit Drehmoment und niedrigem Verbrauch, die Sechsender sind ohne Diskussion rundum erfreulich.

Probleme: Mengenteiler und Motorkabelbäume

Für alle Benziner gilt, dass die Zylinderkopfdichtungen im Alter durchblasen können. Frühe Motoren mit KE-Jetronic können zudem unter maladen Mengenteilern leiden – keine große Sache, zumal die Ersatzteilversorgung gut funktioniert. Ebenso unproblematisch zeigen sich auch bei hohen Laufleistungen die Dieselmotoren, wobei durch den Turbolader eine mögliche Problemstelle hinzukommt.

Ein bekanntes Problem des W 124 ab Baujahr 1993 sind die Motorkabelbäume. Die Hitze im Vorderwagen lässt sie schlicht zerbröseln, was durch Überspannungen die Motorsteuergeräte killt. Das gilt natürlich besonders für die fulminanten Achtzylinder des 400 E und 500 E, die dank ihrer Leistung ein Niedrigdrehzahl-Leben fristen und bis auf die Kunststoff-Gleitschienen des Steuerkettenspanners keine größere Schwachstelle kennen.

Bei Cabrio und Coupé verdienen die elektrischen Gurtbringer einen Check, beim T-Modell ist eine Prüfung der serienmäßigen Heckklappenschließung und der Hinterachs-Niveauregulierung nicht verkehrt. Ansonsten: in Ruhe suchen, vergleichen, nicht den Billigsten kaufen, dann 124 genießen – welchen auch immer