Gebrauchtwagen-Report: Oberklasse-Youngtimer für kleines Geld

Gebrauchtwagen-Report
Oberklasse-Youngtimer für kleines Geld

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Die Kaufkraft des Euro ist stärker denn je. Zumindest in der Gebrauchtwagen-Grauzone zwischen gerade noch exportfähigem Altwagen und künftigem Liebhaber-Youngtimer gibt es für ein Budget zwischen 2.000 und 5.000 Euro richtig viel. Da lässt es sich bei Auto Scout24 oder mobile.de unter den Typbezeichnungen gängiger deutscher Mittel- und Oberklassewagen abendelang rauf- und runterscrollen - eine im Winter kurzweilige Beschäftigung zwischen Dreikönig und dem Abschmelzen des Vorjahresurlaubs.

Einzige Ausnahme auf diesen Seiten ist der Mercedes 107. Der startet als halbwegs brauchbarer SL C, etwa als Fehlfarben-350er in Coloradobeige mit Stoff Karo, Schaltgetriebe und ohne Colorglas schon bei 5.000 Euro. Der beliebtere offene SL beginnt stark kompromissbeladen bei rund 10.000 Euro - etwa als 450er in US-Version nach 1973, als die Stoßstangen zu prächtigen Chromgeweihen wuchsen.

Wir haben die beiden Modelle trotzdem als Appetizer fürs nächste Frühjahr mit in diese Auswahl hineingenommen, weil sie in der Youngtimerszene schon vom großen Bestand und von der heftigen Clubmitgliedschaft her die zweitgrößte Rolle nach dem W 123 spielen - und weil der Offene ganz besonders und der geschlossene Siebziger-Jahre-SL mehr denn je des reiferen Knaben Wunsch ist.

Baby-Benz 190 um 2.000 Euro

Wer wirklich nur maximal 2.000 Euro für eine nette Eintrittskarte in die Youngtimer-Erlebniswelt übrig hat, der kann auf jede Menge brauchbares Mercedes-Material ohne SL-Adel zurückgreifen. Angefangen beim Baby-Benz 190, den man aber vorzugsweise als seltenes Urmodell bis 1985 in zeitgeistiger Farbkombination, etwa Silberdistel mit Polster Dunkelolive oder Petrol mit Creme, oder aber als seltenen 190 E 2.6 mit schöner Beinahe-Vollausstattung suchen sollte.

Die Typen nach 1989 sind noch voll alltagstauglich, die 16-Ventiler leider inzwischen zu teuer. Aus Rentnerhand gibt es noch gepflegte 190 E 1.8 im beinahe unvermeidlichen Rauchsilber mit Stoff Champignon. Bei den 126er-S-Klassen wird die Luft auf den Kiesplätzen mit 2.000-Euro-Limit schon dünn, nur verbrauchte Achtzylinder der ersten Serie sind hier zu erwarten. Oder 280er mit Webfehlern wie etwa Vergasermotor, Buchhalter-Ausstattung und ohne G-Kat.

Die Welt der immer noch ungezählten W 124 steht bis 2.000 Euro dagegen offen, sofern es sich um eine minder nachgefragte Limousine handelt. Als Liebhaber-Zweitwagen empfehlen sich die Sechszylinder, am besten mit Automatik und schöner Wunschausstattung. Das Angebot an 124er-Limousinen ist so groß, dass der Interessent sein Wunschmodell fast so individuell wählen kann wie beim Neuwagenkauf.

BMW-Youngtimer günstiger, aber nicht schlechter

Auch die großen BMW aus der Design-Ära von Claus Luthe sind noch zahlreich verfügbar. Die Preise liegen zumindest beim 7er deutlich unter Mercedes-Niveau, die Autos sind aber keinesfalls schlechter. Sie bestechen mit souveräner Motorisierung und hohem Fahrspaß, vor allem mit den großen Sechszylindermotoren als 535i und 530i oder als 730i und 735i. Die späteren V8 sind zwar eher sparsamer, aber wegen ihrer komplizierten Ventilsteuerung wartungsintensiver und reparaturanfälliger. Die kleinen Zahnriemen-Sechszylinder im 520i und 525i machen ihre Sache erstaunlich gut. Ersthand-Rentnerautos heißen nicht selten 525i, sind bronzitbeigemetallic und mit Automatik ausgestattet. Selbst solche 20 Jahre alten Autos fahren sich erstaunlich modern.

Wer mit seinem Youngtimer gern einen exotischeren Akzent zum treu-deutschen Alltagsauto setzen will, könnte auf den brillanten Sechszylinder und die schöne Linie des Jaguar XJ 40 reflektieren. Autos bis 2.000 Euro gibt es häufig, sie erfordern jedoch ein kleines Unterhaltsdepot in der Hinterhand. Der 222 PS starke Vierliter-DOHC mit G-Kat ist die harmonischste Motorisierung, die zweite Serie mit analogen Zusatzinstrumenten zeigt bereits die bei Jaguar wichtige Reife in Karosseriebau und Elektrik.

Eine andere reizvolle Auto-Welt signalisiert auch der von Pininfarina elegant gestylte Alfa Romeo 164. Rost ist dank großzügiger Verzinkung ein weit geringeres Problem als bei Mercedes, doch gibt sich gerade das konstruktiv und akustisch betörende Vierventil-V6-Triebwerk mit 210 PS wartungsintensiv. Der bewährte DOHC-Vierzylinder 2.0 Twin Spark schont das schmale Budget.

Eher auf Nummer sicher setzt man bei Volvo - ein 740 ist der geräumige und robuste Kombiwagen schlechthin. Ein charismatischeres Langzeitauto für weniger Geld ist schlicht nicht vorstellbar. Außer man greift zum Volvo 760 GLE mit Europa-V6-Motor und dem verführerischen Flair einer Luxuslimousine.

Billig heißt oft auch riskant

Auch wenn die Fotos im Internet noch so locken, einen Youngtimer sollte man nie blind kaufen. Angesichts von Alter und Laufleistung empfiehlt sich eine gründliche Inspektion des Wagens auf der Hebebühne. Rost-, Fahrwerks- und Elektronikprobleme gelten als Budget-Killer nach dem Kauf.

Eine gründliche Probefahrt inklusive Autobahnetappe mit höheren Drehzahlen sollte Pflicht sein, aber nach längerer Standzeit keinesfalls Vollgas fahren. Fenster zu, Radio aus, damit verdächtige Geräusche nicht untergehen. Der Motor sollte ein einwandfreies Start- und Kaltlaufverhalten an den Tag legen, sonst drohen Elektronikprobleme. Ein schwammiges Lenkgefühl in schnell gefahrenen Kurven deutet auf eine überholungsbedürftige Vorderachse hin.

Ab einem Kaufpreis von 3.000 Euro sollte man auf einer HU/AU bestehen; da zeigt sich auch, ob Katalysator und Lambda-Sonde exakt arbeiten. Rost bildet sich bei Youngtimern vor allem an den Wagenheberaufnahmen, an den Radläufen hinten und an den Stehblechen im Motorraum rings um die Federbeine.