Der große Heilsbringer blieb am Ende doch eine Enttäuschung. Als die dritte Auto-Generation vor zwei Jahren an den Start ging, sollte sie die Formel E in eine neue Zeitrechnung überführen. 350 Kilowatt Spitzen-Leistung und das für besseres Racing kompakt ausgelegte Einheitschassis mussten die immer noch zahlreichen Kritiker doch endlich überzeugen. Bis in die vergangene Jubiläumssaison hinein wurde daraus allerdings nichts. Über die Pause haben die Meisterschaft und ihre Hersteller nun die Konsequenzen gezogen.
Bevor 2026/2027 die vierte Auto-Generation die Serie durch einen massiven Leistungssprung zumindest in Schlagweite der Formel 1 bringen soll, geht diese und nächste Saison die Gen3-Evo auf die Strecke. Rein optisch ist das Update unspektakulär. Zwar gab es Bodywork-Retuschen, die obendrauf dank verbessertem Material die ärgerlichen Frontschäden beheben sollen. Die entscheidende Evolution fand aber unter dem Carbon der 22 Renner statt.

Wegen der schweren Unwetter in Valencia musste der Test nach Jarama nahe Madrid umziehen. Dort fuhr der Deutsche Maximilian Günther erstmals öffentlich für DS Penske.
Temporäre Power aus allen Rohren
Im Heck durften die Hersteller selbst bei ihrem Antriebspaket nachjustieren. Diese Verbesserungen werden auch die Kunden eins zu eins übernehmen – ausgenommen ist der ERT-Nachfolger Kiro, der von Porsche die Vorjahrestechnik bezieht, allerdings trotzdem engen Support erhält. Im Team mit US-Lizenz ist nun der Deutsche David Beckmann bestätigt. Außerdem konnte man Cupra als Sponsor gewinnen.
Zusätzlich zur Power auf der Hinterachse kommt temporär ebenfalls Vortrieb von der Front. Der bislang nur für Rekuperation eingesetzte Einheitsmotor wird in drei Szenarien zum Allrad-Spender: Bei den K.o.-Duellen der Qualifikation, den Rennstarts und im altbekannten Attack-Mode. Was nach wenig Einsatzzeit klingen mag, soll laut DS-Neuzugang Maximilian Günther massiv helfen. Er geht von mehreren Sekunden aus, die man pro Runde gewinnen kann. Im Gegensatz zum vorher teils bestrafenden Attack-Mode soll der zukünftige ein echtes Überhol-Tool werden.

Optisch hat sich nur wenig getan, doch durch Updates holt die Gen3-Evo viel mehr aus den Möglichkeiten der dritten Generation heraus.
Wer sind die Favoriten?
Abgerundet wird das verlängerte Lastenheft der Strategen für São Paulo und Co. von einem Hankook-Update. Die Allwetter-Reifen der Koreaner erfüllten durchaus ihren Zweck der umweltfreundlichen Haltbarkeit, ließen aber die Fahrer häufig nach mehr Performance betteln. Dem Wunsch kommt der Zulieferer nun nach.
Florian Modlinger, Gesamtprojektleiter von Porsche, fasst die Ungewissheit der Gen3-Evo zusammen: "Durch die neuen Anforderungen des Pakets wächst die Gefahr, dass man bei einem schlechten Auftakt in den kompakten Veranstaltungen nicht nur aus den Top 10, sondern ganz ans Ende des Feldes fallen kann."
Der Porsche-Mann will in der elften Saison mehr als Wehrleins Titelverteidigung: "Es ist wieder unser Ziel, um Siege und um alle drei Meisterschaften – also Fahrer, Team und Hersteller – zu kämpfen." Betrachtet man die Testergebnisse, wird Jaguar die besten Argumente dagegen haben. Außerdem hoffen die Stellantis-Marken und Nissan, Lektionen aus den ersten Gen3-Jahren gezogen zu haben. Ob die Kundenteams, ähnlich wie bei der Gen3-Einführung, alle überraschen, und was Mahindra sowie Newcomer Lola bzw. Yamaha mit dem Einsatzteam Abt leisten können, sind weitere spannende Fragen.
Stichwort Frage: Bleibt noch zu klären, wann die mittlerweile "Pit Boost" genannten Schnelllade-Stopps endlich ihr Debüt geben. Sollten letzte Probeeinsätze gut verlaufen, sieht es danach aus, als ob die lange Wartezeit bei einem der frühen Doubleheader enden könnte. Und dann dürfte die Formel E 2024/2025 noch ein weiteres Stück unvorhersehbarer werden.
Formel E bleibt im Free-TV
Deutschsprachige Fans können erneut auf ServusTV-Nachfolger DF1 und Eurosport setzen. Nachdem im ersten Jahr der Namensneuerung viele Zuschauer irritiert gewesen sind, will DF1 die neue Aufmerksamkeit rundum Weltmeister Pascal Wehrlein und die Hersteller-Fights künftig besser nutzen. "Wir sind begeistert, die Free-TV Rechte der Formel E auch in dieser Saison zu halten und bedanken uns bei unseren Partnern für das Vertrauen in DF1. Mit unseren Live-Übertragungen hoffen wir, unseren Zuschauerinnen und Zuschauern erneut unvergessliche Momente zu bieten. Wir sehen voller Vorfreude dem Saisonstart am 7. Dezember in Brasilien entgegen", sagt David Müller, Geschäftsführer von DF1.
Diese Entwicklung dürfte auch dem neuen Mehrheitseigentümer der Serie, Liberty, extrem wichtig gewesen sein. Die Amerikaner wollen mit dem aus der Formel 1 bekannten Mindset ihr bislang eher vernachlässigtes Investment nach vorne pushen. Ob das Nachbessern bei Technik, Teams und TV-Programm wirklich die nötige Vorfreude für die kommenden zwei Saisons und die anschließende Einführung der vierten Generation liefert, wird über die Zukunft der Elektro-WM entscheiden.