Der Auftakt der neuen Formel-E-Ära war wie erwartet unberechenbar. Direkt in der Qualifikation, dem ersten echten Kräftemessen der dritten Generation, durfte jemand jubeln, der am Vortag wohl nicht damit gerechnet hätte. Mahindra-Leader Lucas di Grassi kämpfte sich durch das gesamte Quali-Turnier und traf im Finale auf Jake Dennis. In einem dramatischen Zeitvergleich setzte sich der Brasilianer nach einem deftigen Verbremser von Dennis durch.
Jake Hughes (McLaren-Nissan), André Lotterer (Andretti-Porsche) und Dan Ticktum (NIO 333), die weitere große Überraschung der Quali, rundeten die Top 5 ab. Vorjahressieger Pascal Wehrlein ging von Rang sechs aus ins Rennen. Für die beim Valencia-Test starken DS-Antriebe endete die Qualifikation schon in der Gruppenphase.

Robin Frijns mit Handverletzung
Nachdem die Startphase in den ersten Kurven noch relativ sauber abgelaufen war, kam es früh zum ersten schweren Unfall der Saison. Abt-Cupra-Pilot Robin Frijns traf in der neuen Schikane unglücklich das Heck von Norman Nato (Nissan) und wurde im Zuge dessen vom um sich schlagenden Lenkrad verletzt. Die Fraktur im Bereich des linken Handgelenks gefährdet seinen Start beim kommenden Double-Header in Saudi-Arabien (27. und 28. Januar).
Direkt nach der dadurch ausgelösten, ersten Safety-Car-Unterbrechung musste die Rennleitung rund um Scot Elkins erneut das Geschehen neutralisieren. Der Jaguar-Fahrer Sam Bird war mit Antriebswellen-Problemen die Start-Ziel-Gerade hinunter gehumpelt und in der zweiten Kurve gestrandet.

Führungswechsel legt Grundstein
Anschließend konnten die Fahrer erstmals über einen längeren Zeitraum echte Rennrunden abspulen. Wie so häufig hielten sich viele Piloten aber dem Energiemanagement zuliebe noch zurück und sparten sich Angriffe für die ersten Attack-Mode-Phasen auf. Seit dieser Saison können die Fahrer zwischen drei Alternativen wählen: 2+2 Minuten, 1+3 Minuten sowie 3+1 Minuten.
In der zwölften von 36 regulären Runden luchste der zu Beginn noch vorsichtige Jake Dennis dann di Grassi die Führung ab und drückte dem Rennen von da an seinen britischen Stempel auf. Hinter ihm bildete sich eine intensive Kampfgruppe, in der unter anderem Pascal Wehrlein reichlich Druck ausübte.

Drittes Safety Car gefährdet Dennis-Sieg
Ein Abflug von Maserati-Mann Edoardo Mortara mit dem Heck voran in Kurve eins erzwang zur Rennhalbzeit die dritte und letzte Neutralisierung. Dennis ließ sich davon jedoch nicht beirren und zog nach der Wiederfreigabe zügig davon. Dahinter brachten die nächsten Attack-Mode-Aktivierungen weitere Spannung und (über)ambitionierte Manöver.
Wehrlein schob sich in den letzten Umläufen auf den zweiten Rang vor, Dennis war da schon längst enteilt – bedeutet: erneuter Porsche-Doppelsieg, aber diesmal mit umgekehrten Vorzeichen für Wehrlein. Die letzte große Storyline des Auftakts war somit die Suche nach dem ersten Drittplatzierten der neuen Ära. Die Anwärter: Lucas di Grassi, André Lotterer und Jake Hughes.

Wenig großes Technik-Chaos
Fünf zusätzliche Runden in Folge der Unterbrechungen gaben dem Kampf um den letzten Podiumsplatz einen verdienten, spannenden Abschluss. Weil sich seine Herausforderer in den letzten Zügen lieber mit sich selbst beschäftigten, konnte Lucas di Grassi Rang drei ins Ziel retten. André Lotterer und Jake Hughes komplettierten nach einem intensiven Schlagabtausch die Top 5. In der Meisterschaft führt Dennis dank der schnellsten Rennrunde mit 26 Zählern vor den punktgleichen Wehrlein und di Grassi (18 Zähler).
Porsche geht somit als stärkste Kraft aus dem Auftakt der neuen Ära. Nachdem es im Vorfeld größere Technik-Sorgen gegeben hatte, fällt das erste Fazit positiv aus: 17 von 22 Fahrern beendeten das Rennen in der Führungsrunde. Angesichts des eher untypischen Streckencharakters des Autódromo Hermanos Rodríguez könnte aber schon in Saudi-Arabien wieder alles auf den Kopf gestellt werden.