Weniger Runden, kürzere Attack-Mode-Zeit, aber mindestens genauso viel Action: Auch das zweite Rennen der Formel E in Berlin war extrem hart umkämpft. Vor allem das offen ausgetragene Duell zwischen Jaguar und Porsche sorgte für reichlich Spannung.
Schon der Morgen brachte Freude im Porsche-Lager. Der amtierende Weltmeister und Andretti-Kunde Jake Dennis schlug den Samstagssieger Nick Cassidy im Final-Duell der Qualifikation. Ihre jeweiligen Teamkollegen, Norman Nato und Mitch Evans, positionierten sich dahinter. Maximilian Günther (Maserati-DS) und Pascal Wehrlein (Porsche) formten die dritte Startreihe. Da Costa wurde Zehnter.
Wehrlein zu Beginn mit Glück
Während Cassidy schnell die Führung übernahm, wäre Wehrleins Rennen fast nach nur wenigen Kurven geendet. Andretti-Kunde Norman Nato hatte den Deutschen leicht in die Mauer gedrückt, der Werksfahrer konnte größere Schäden jedoch verhindern. Aus der Start-Hektik wurde ab der dritten Runde die traditionelle Attack-Mode-Hektik. Nick Cassidy durchfuhr als erster Pilot die Aktivierungsschleifen. Diesmal waren insgesamt nur vier Minuten verfügbar.
Im elften von ursprünglich 38 Umläufen musste das Safety Car erstmals ausrücken, nachdem Maximilian Günther wie am Vortag unglücklich verunfallt war. Er konnte sich noch in die Box zurückretten, dort war das Aus des Deutschen dann besiegelt. Der Grund für Günthers Auffahrunfall war eine sich zusammenstauchende Spitzengruppe hinter Da Costa.
Bei der Wiederfreigabe bestand die Top 5 aus Da Costa, Wehrlein, Evans, Cassidy und Oliver Rowland (Nissan). Letzterer hatte wie so oft schnell den Weg von hinten nach vorne gefunden. Nick Cassidy gelang zügig die Rückkehr auf Platz eins, er bekam allerdings bald Druck durch Da Costa. Wenige Runden nach der Rennhalbzeit setzte sich der Portugiese durch.

Auch am Sonntag hatte Maserati-Mann Maximilian Günther Pech. Bei einem erneuten Unfall zog sich der Deutsche einen geprellten Unterarm zu.
"Hoffentlich können wir ihn diesmal behalten"
Die zweite Safety-Car-Phase – Norman Nato hatte den Nissan-Fahrer Sacha Fenestraz abgeräumt – brachte den wiederholten Reset. Zusammen mit drei später addierten Runden standen rund ein Dutzend Umläufe aus. Weil er seinen finalen Attack-Mode noch offen hatte, drängte Evans in die Führung. Da Costa ging beim Versuch, Cassidy zurückzuhalten, hohes Risiko. Parallel setzte sich das Pech von Wehrlein fort. Der Deutsche kollidierte ausgerechnet mit seinem Dauerrivalen Jake Dennis. Auch verbal am Funk flogen Giftpfeile zwischen Werkspilot und Kunde.
Durch eine unglückliche Kommunikation innerhalb des Jaguar-Lagers holte sich António Félix da Costa in der 34. von nun 41 Runden abschließend die Führung zurück. Sicher auch mit dem Frust der Disqualifikation in Misano im Kopf zog er davon. Dahinter bekämpften sich Rowland und Cassidy – mit dem besseren Ausgang für Samstagssieger Cassidy. Da Costa jubelte direkt verschmitzt im Funk: "Ich hoffe, wir dürfen den Erfolg diesmal behalten."
Der viertplatzierte Wehrlein berichtete: "Beide Andretti haben mir keinen Platz gelassen. Mein Unterboden, mein Flügel und meine Lenkung waren danach kaputt. Ich habe keinen Redebedarf, es war nichts Anderes zu erwarten." Mit der vierten Position hatte der Deutsche dementsprechend fast ein versöhnliches Ende. "Schade, dass es nicht für ein Doppelpodium gereicht hat. Insgesamt gesehen bin ich froh, dass ich wichtige Punkte holen konnte."

Werden keine Freunde mehr: Pascal Wehrlein und die Andretti-Kunden.
Misano raubt WM-Hoffung
Mehr als versöhnlich war der Sieg von Da Costa. Er resümierte: "Berlin zeigte sich durch zwei Siege zuvor oft nett, aber auch grausam mir gegenüber. Deswegen ist es schön, dass neue gute Gefühle nun draufgekommen sind. Zu Beginn des Rennens habe ich versucht, aufmerksam zu fahren und keine unnötigen Schäden zu riskieren." Ob es noch früh genug für eine späte WM-Offensive ist? "Das ist nur der Fall, wenn wir den Sieg aus Misano zurückbekommen. Sonst geht es allen voran um Einzelerfolge."
Der Nissan-Fahrer Oliver Rowland berichtete über seine erneut furiose Aufholjagd: "Ich habe die Zeit genutzt, in der die Spitzenfahrer nicht führen wollten, um im Getümmel nach vorne zu kommen. Trotz der guten Ergebnisse will ich nicht wirklich an die Weltmeisterschaft denken. Erstmal müssen wir Themen wie die Quali-Leistungen aussortieren. Aktuell haben wir Glück bei den Aufholjagden, aber das ist nicht gottgegeben."
Nick Cassidy fühlte derweil mit seinem Teamkollegen mit: "Es tut mir leid, dass Mitch sein Potenzial nicht ganz ausschöpfen konnte. So oder so ist der Sieg von Da Costa verdient. Die Daten, die wir in Berlin gesammelt haben, werden wertvoll auf den anderen Strecken werden, die vergleichbares Racing liefern."

Porsche gewann zum ersten Mal das Heimspiel in Berlin – sehr zur Freude des Besuchs aus dem Vorstand.
Porsche führt neue Wertung an
Der Blick in die WM-Abrechnung wird Cassidy noch zufriedener als eh schon gestimmt haben. Mit 140 Zählern konnte er Wehrlein (124) etwas distanzieren. Rowland (118), Dennis (102) und Evans (97) bilden das schon etwas abgeschlagene Verfolgerfeld. Bei den Teams marschiert Jaguar mit nun 237 Punkten weiter davon. Porsche ist nächstbester Verfolger mit 183 Zählern. Nissan (144), DS Penske (127) und Andretti-Porsche (126) bleiben deutlich auf Abstand.
Ein Lichtblick für Porsche ist hingegen die seit diesem Jahr neue Hersteller-Trophy. Dort liegen die Porsche-Antriebe nach einem bestimmten Faktor addiert durch den Sieg jetzt einen Punkt vor den Jaguar-Gegenstücken. Weiter geht es am 25. und 26. Mai auf einer kürzeren Variante des Shanghai International Circuit. Danach folgen noch Doubleheader in Portland und London.