Williams ist in den vergangenen Jahren durch einige tiefe Täler geschritten. Erst mit dem Verkauf des ehemaligen Familienrennstalls an den US-Investor Dorilton Capital Mitte 2020 kam wieder frisches Geld in die Kasse, um eine Trendwende zu starten. Und tatsächlich hatten die Fans des Teams aus Grove in der vergangenen Saison auch endlich wieder Grund zum Jubeln.
George Russell und Nicholas Latifi schaufelten immerhin 23 Punkte auf das Teamkonto. So viele gab es seit 2017 nicht mehr. Nachdem man drei Mal im Konstrukteurspokal auf dem letzten Platz gelandet war, konnte man nun mit Haas und Alfa Romeo gleich zwei Konkurrenten hinter sich lassen. Beim Rennen in Belgien kletterte Russell dank etwas Regen-Glück sogar erstmals in seiner Karriere aufs Podium.
Getrübt wurde die gute Stimmung im Williams-Camp nur durch den schwachen Saisonendspurt, bei dem es sieben Mal in Folge nichts Zählbares gab. 2022 würde die Truppe von Teamchef Jost Capito natürlich gerne wieder regelmäßiger in die Top Ten fahren. "Die Ergebnisse aus der letzten Saison haben dem Team einen riesigen Schub gegeben. Ich hoffe, dass wir den Schwung in die neue Saison mitnehmen können. Wir wollen natürlich einen weiteren Schritt nach vorne machen", blickt das deutsche Oberhaupt optimistisch in die Zukunft.

Kein Risiko bei FW44-Technik
Dabei helfen soll die komplett neue Rennwagen-Generation, mit der alle Teams wieder bei null anfangen müssen. Und so herrschte vor der Präsentation des neuen FW44 am Dienstag (15.2.) um 14 Uhr eine ganz besondere Spannung. Doch beim groß angekündigten Launch-Event bekamen die Fans zunächst noch keine Bilder des richtigen Autos zu sehen. Genau wie bei Red Bull in der Vorwoche wurde nur ein billiges Showcar aus Plastik enthüllt, das keine individuellen Technik-Features zeigte.
"Wir haben lange am neuen Farbschema gearbeitet und wollten, dass die Lackierung beim Launch perfekt aussieht. Das haben wir mit dem richtigen Auto leider nicht mehr rechtzeitig hinbekommen", entschuldigte sich Capito. "Der FW44 absolviert heute aber noch in Silverstone seinen Shakedown. Der Rollout war eigentlich schon am Vormittag geplant, hat sich aber leider durch Elektrik-Probleme etwas verzögert. Wir werden dann im Anschluss noch ein paar Fotos veröffentlichen."
Um 16.30 Uhr wurde das Versprechen dann auch endlich eingelöst. Williams ließ über seine Social-Media Accounts einige Bilder des echten Autos verbreiten. Latifi absolvierte auf der feuchten Strecke in Silverstone den Rollout auf profilierten Pirelli-Reifen. Was die Technik angeht, waren auf den ersten Blick aber noch keine spektakulären Ideen zu sehen.

Elegante Frontpartie
Bei den Aufhängungen setzt Williams auf bewährte Technik – vorne Pushrod, hinten Pullrod. Da ist die Konkurrenz von McLaren und Alfa Romeo mehr ins Risiko gegangen. Die Nase ist im Gegensatz zu den meisten anderen bisher gezeigten Autos vorne eher rundlich. Die Spitze scheint auf dem Hauptblatt aufzusitzen. Das sieht immerhin sehr elegant aus. Ob es auch schnell ist, wird sich noch zeigen.
Einen genaueren Blick lohnen auch die Seitenkästen. Die Airbox und die seitlichen Kühleinlässe wirken vorne sehr voluminös. Nach hinten zieht sich die Verkleidung dann aber extrem zusammen. Das ähnelt vom Prinzip her dem McLaren oder dem Haas. Hier müsste man ein Bild aus der Vogelperspektive sehen, um die genauen Dimensionen besser abschätzen zu können.
Der Front- und der Heckflügel wirken von der Form dagegen eher konservativ. Die Flaps sind gleichmäßig geformt. Da scheinen sich die Ingenieure der anderen Teams mehr Gedanken gemacht zu haben. Der Heckflügel ist nur auf einer einzigen Stelze abgestützt. Das haben wir bisher nur am McLaren so gesehen. Kühlschlitze in der Verkleidung waren keine zu erkennen.

Williams macht blau
Neben den technischen Features fiel natürlich auch der neue fast komplett dunkelblaue Anstrich ins Auge. Die weiße Frontpartie aus dem Vorjahr ist Vergangenheit. Das neue Auto trägt nur im Heck ein paar hellblaue Akzente, die einen Kontrast bilden. Für Abwechslung sorgen ansonsten nur noch ein paar rote Zierstreifen am Frontflügel, der Nase, an der Airbox und dem Heckflügel. "Damit wollen wir unsere Herkunft ausdrücken. Wir sind ein britisches Team", verriet Capito.
Beim Blick auf den FW44 fällt allerdings auch auf, dass noch viele Sponsorenflächen freigeblieben sind. Der Frontflügel präsentiert sich komplett ohne Logos. Am Heckflügel ist nur der Schriftzug "Williams Racing" angebracht, der leider keine zusätzlichen Einnahmen bringt. Auf der Motorhaube und den Seitenkästen hätten ebenfalls noch ein paar externe Partner Platz.
Selbst das Logo von Rennlegende Ayrton Senna, der 1994 in Imola in einem Williams ums Leben kam, ist in dieser Saison erstmals nicht mehr auf dem Auto zu sehen. "Wir blicken nicht zurück sondern nach vorne und wollen unsere Fahrer nicht daran erinnern, was passieren kann", begründete Capito die Entscheidung. Die Senna-Familie wurde über die Maßnahme übrigens nicht informiert.

Zwei Bezahlfahrer unter Druck
Der größte Geldgeber von Williams heißt dieses Jahr wohl Red Bull. Der Energy-Drink-Konzern hat mit seiner Millionen-Mitgift dafür gesorgt, dass Alex Albon eines der beiden Cockpits übernehmen durfte. Der Thailänder ersetzt George Russell, der in der Winterpause von Mercedes ins Werksteam befördert wurde. Nach einem Jahr Pause, die Albon in der DTM verbracht hat, muss der Youngster nun beweisen, dass er seinen Platz in der Königsklasse auch ohne Sponsorengelder verdient hat.
Diesen Beweis konnte Teamkollege Nicholas Latifi bislang auch noch nicht antreten. Der Kanadier steuert über persönliche Partner ebenfalls ein paar Milliönchen zum Teambudget bei. Gegen Russell sah Latifi in seinen ersten beiden Formel-1-Jahren meist alt aus. Im Vorjahr steuerte er nur sieben der 23 Teampunkte bei. Das Quali-Duell ging mit 2:20 sogar noch deutlicher verloren.