Als die Formel 1 im letzten Jahr in Spanien ihre Zelte aufschlug, befand sich die Königsklasse im Würgegriff von Red Bull. Die Fahrer Max Verstappen und Sergio Perez teilten die ersten sechs Rennsiege unter sich auf (Verstappen 4:2 Perez). Bis zum GP Singapur währte die Serie des Teams, ehe Carlos Sainz (Ferrari) die Formel 1 erlöste. Der Spanien-GP markiert den Auftakt eines europäischen Triple-Headers. Danach geht es nach Spielberg und im Anschluss nach Silverstone.
Max Verstappen beginnt die wilde Hatz durch Europa zwar mit einem komfortablen WM-Vorsprung von 56 Punkten auf Ferrari-Mann Charles Leclerc, doch die Konkurrenz ist dem Champion auf die Pelle gerückt. Der Niederländer fährt die Siege nicht mehr mit einer Leichtigkeit ein, wie es letzte Saison der Fall war. Verstappen setzte sich beim letzten Grand Prix in Kanada gegen die schnellen McLaren und die wiederauferstandenen Mercedes nur knapp durch. Die Silberpfeile waren in Kanada wieder ganz vorne mit dabei und haben Blut geleckt.
Mit dem Circuit de Barcelona-Catalunya wartet auf Verstappen nun eine Rennstrecke, an die er gute Erinnerungen hat. 2016 gewann der damalige Youngster damals sensationell sein erstes Formel-1-Rennen. Es war gleichzeitig sein erstes überhaupt in einem Red Bull. Inzwischen hat er 60 Siege für den Rennstall eingesammelt. In Spanien triumphierte Verstappen auch 2022 und 2023.
Die Sympathien sind klar verteilt. Es ist davon auszugehen, dass die Tribünen vorwiegend in Grün erstrahlen. Fernando Alonso ist der Lokalmatador. Der Mann aus Oviedo gewann 2013 in Barcelona sein bisher letztes Rennen. Im vergangenen Jahr war Alonso in seinem Aston Martin noch die Überraschung des Saisonstarts und kam mit fünf Podestplätzen im Gepäck nach Katalonien. Sicher werden die Spanier auch die Daumen für den zweiten Lokalhelden halten: Carlos Sainz im Ferrari.
In Kanada lebte die Spannung auch von unvorhersehbaren Witterungsbedingungen. Mal schüttete es aus Eimern, dann zeigte sich wieder die Sonne. Das Wetter würzte das Grand-Prix-Wochenende zu einem echten Gourmet-Rennen. In Barcelona könnte es ebenfalls zu Niederschlägen kommen. Die Wetterfrösche kündigen für den Sonntag Regen an.

Barcelona ist eine Strecke mit allen Kurventypen und einer langen Gerade. Das fordert die Reifen stark. Pirelli bringt deshalb das härteste Set nach Spanien.
Die Strecke: Circuit de Barcelona-Catalunya
Die Piste vor den Toren Barcelonas ist eine, welche die Teams aus dem Effeff kennen. Die Streckenbetreiber entschieden sich Winter 2023 dazu, die Schikane im letzten Streckenabschnitt auszubauen. Man hatte sie 2007 ins Layout eingepflegt. Nun erfolgt die Rückkehr zur alten Version, von der sich die Formel 1 etwas mehr Unterhaltung verspricht.
Die Strecke ist deshalb jetzt etwas kürzer und schrumpfte von 4,675 auf 4,657 Kilometer. Sie bietet weiterhin eine gute Mischung aus verschiedenen Elementen, auch wenn nun die besonders langsame Passage im Schlussteil fehlt. Das hat die Rundenzeiten wieder purzeln lassen. Der Circuit de Barcelona-Catalunya bleibt weiterhin ein idealer Gradmesser für die Leistungsfähigkeit der Autos. Schnelle Kurven mit hohen Fliehkräften wechseln sich mit mittelschnellen und langsamen Ecken ab. Vor allem Allrounder sind gefragt. Wer hier gut aussieht, ist es in der Regel auch auf anderen Strecken.
Weil alle Kurventypen untergebracht sind, ist ein effizientes Aerodynamik-Paket erforderlich. Trotz zweier DRS-Zonen und der mehr als einen Kilometer langen Gerade ist das Überholen in Barcelona traditionell sehr schwierig. Die Qualifikation bleibt sehr wichtig. Der über 600 Meter lange Sprint in die erste Kurve ist einer der längsten in der ganzen Saison. Hier sehen wir oft Windschattenschlachten, bei denen die Verfolger den Mann auf der Pole-Position jagen.
Fast Facts
- Streckenlänge: 4,657 Kilometer
- Rundenzahl: 66
- Renndistanz: 307,236 Kilometer
- Anzahl Kurven: 14 (6 links / 8 rechts)
- Rundenrekord (Rennen): 1:16.330 min (Verstappen, 2023)
- Absoluter Rundenrekord: 1:12.272 min (Verstappen, Q3, 2023)
- Distanz von Pole-Position bis zur ersten Bremszone: 549 Meter
- Länge der Boxengassen: 369 Meter
- Zeit in der Boxengasse bei Speedlimit: 17 Sekunden
- Vollgas-Anteil (Rundendistanz):
- Top-Speed: 325 km/h
- DRS-Zonen: 2 (T9-T10, T14-T1)
- Safety-Car-Wahrscheinlichkeit: 40 Prozent (2/5)
- Reifensorten: C1, C2 & C3

Das Setup
Seit 1991 ist Barcelona fester Bestandteil des Kalenders. Die Techniker kennen die Tücken der Strecke fast in- und auswendig. Die wechselnden Winde vom nah gelegenen Mittelmeer können ab und zu für Überraschungen sorgen. Die Flügel müssen auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya sehr steil gestellt werden, um genügend Abtrieb und Stabilität für die schnellen Kurvenkombinationen zu bieten.
Bremsenverschleiß ist normalerweise kein Thema. Auch die Motoren werden nicht übermäßig belastet. Die Reifen sind dagegen regelmäßig ein Spannungsfaktor im Rennen. Pirelli bringt wie 2023 in diesem Jahr die Mischungen C1 bis C3. Die schnellen Rechtskurven T3 und T9 belasten den linken Vorderreifen. Der flüssigere Schlussabschnitt wird sie zusätzlich aussaugen. Denn die Fahrer dürften Kurve 13 und 14, beide jeweils rechts herum, mit ordentlich Speed nehmen.
Die Upgrades
Barcelona zählt wie bereits erwähnt zu einer der Referenzstrecken der Formel 1. Zusätzlich ist sie dank der Nähe zu den heimischen Fabriken für Upgrades prädestiniert. Die Teams bringen deshalb reihenweise neue Teile nach Spanien. Technik-Fans dürfen sich über die neuesten Clous der Ingenieure freuen.
Das größte Paket karrt Toro Rosso nach Barcelona. Red Bulls B-Team verpasst dem VCARB01 einen neuen Unterboden, neue Verkleidungsteile, einen neuen Unterboden und veränderte Seitenkästen. Die Ingenieure der Truppe aus Faenza sprechen vom umfangreichsten Upgrade des Jahres. Schlagen die neuen Teile auf der Stoppuhr ein, könnte Toro Rosso der Anschluss an die Top-Teams gelingen.
Doch die ruhen sich nicht auf ihrem Vorsprung aus. Mercedes-Teamchef Toto Wolff versprach bereits in Montreal frische Teile für den Silberpfeil. Ein neuer Unterboden soll den W15 wieder einen Schritt näher an die Spitze bringen. Der Aufwärtstrend zeigt seit einigen Rennen nach oben und das Selbstvertrauen bei den ehemaligen F1-Dominatoren wächst stetig.

Mercedes bringt einen neuen Unterboden für den W15 und will in Barcelona wieder auf das Podest fahren.
Ferrari war in Montreal als Favorit angereist. Doch die Roten erlitten in Kanada eine schwere Schlappe. Ohne einen einzigen Zähler im Koffer ging es zurück nach Europa. Damit sich das nicht wiederholt, schraubt Ferrari ebenfalls neue Teile an den SF-24. Laut italienischen Medienberichten soll es wie bei Konkurrent Mercedes einen optimierten Unterboden geben.
McLaren treibt die Weiterentwicklung des MCL38 voran. Teamchef Andrea Stella hatte einige Upgrades für die kommenden Grands Prix angekündigt. Wie Mercedes setzt das Traditionsteam auf sukzessive Updates am Auto und verbaut nicht auf einen Schlag ein riesiges Paket an dem Papaya-Renner. Stella ließ sich aber nicht entlocken, um welchen Bereich sich das Upgrade in Barcelona handeln soll.
Tabellenführer Red Bull verriet ebenfalls nicht, wie ihr Entwicklungsplan für die Europa-Rennen aussieht. Max Verstappen forderte zuletzt, dass die Techniker die Schwächen des RB20 auf Bodenwellen ausmerzen sollen. Das letzte größere Upgrade aus Imola verpuffte nahezu. Mercedes-Technikchef James Allison bezeichnete das Paket sogar als "Downgrade".
Aston Martin wird sich in Barcelona darauf konzentrieren, sein in Imola runderneuertes Auto besser zu verstehen. Wir rechnen mit keinem umfassenden Paket für den AMR24. Die Mittelfeld-Teams Williams, Haas und Sauber werden in Barcelona ebenfalls frische Teile an ihre Rennwagen schrauben, um im Entwicklungsrennen nicht abgehängt zu werden. Alpine hat für den Spanien-GP keine Upgrades geplant.

Max Verstappen reist mit dem Rückenwind des Kanada-Sieges nach Barcelona.
Die Favoriten
Trotzt der aufholenden Konkurrenz, sehen wir Red Bull einen Hauch vorne. Barcelona fordert die Autos in allen Aspekten. Und genau das sollte Red Bull besonders stark machen. Der RB20 ist aerodynamisch der Primus. Ein Allrounder, der nahe der Perfektion und auf jeder Strecke schnell ist. Mit Max Verstappen am Steuer gewinnt das Tandem auch Grands Prix, in denen die Gegner die bessere Pace haben. In Imola und Montreal lieferte der Niederländer sowohl in den Qualifyings als auch in den Rennen außerirdische Leistungen ab.
Ganz dahinter dürfte sich McLaren einreihen. Sie waren zuletzt das Team der Stunde. Die Truppe aus Woking hat sich seit dem Saisonstart zum Sieg-Kandidaten gemausert. Dem Norris-Sieg in Miami folgten drei zweite Plätze. Zwei Mal musste sich Lando Norris seinem Kumpel Max Verstappen geschlagen geben (Imola und Montreal), Oscar Piastri kam in Monaco nur knapp hinter Charles Leclerc ins Ziel. Der MCL38 hat kaum noch Schwächen.
Mercedes könnte für die Überraschung des Wochenendes sorgen. In Montreal waren die W15 von George Russell und Lewis Hamilton konstant flott unterwegs. Ein Sieg war im Bereich des Möglichen. Die Upgrades der letzten Rennen haben gefruchtet und in Barcelona war das Team die vergangenen Jahre immer konkurrenzfähig. Wir haben sie im Kampf um die Spitzenplätze definitiv auf dem Zettel.
Ferrari will sich in Barcelona revanchieren und die böse Schlappe in Montreal vergessen machen. Der SF-24 ist in den Händen von Charles Leclerc in der Qualifikation immer ein Kandidat für die Pole-Position. Carlos Sainz wird bei seinem letzten Heimspiel in Rot besonders motiviert sein. Die Frage lautet, ob die Scuderia aus ihren Fehlern in Kanada gelernt hat.
Aston Martin und Toro Rosso dürften sich um den fünften Platz balgen. Die Engländer müssen trotz der doppelten Punkteankunft in Montreal in den Rückspiegel schauen. Toro Rosso macht sowohl auf der Strecke als auch im Entwicklungsrennen mächtig Druck auf das Team von Besitzer Lawrence Stroll.
Liefern die sechs besten Teams ein fehlerfreies Wochenende ab, werden Zähler für den Rest des Feldes eine Utopie sein. Haas und Williams befinden sich in Lauerstellung, falls etwas vom großen Punktekuchen abfällt. Nico Hülkenberg will im Haas nach drei punktlosen Wochenenden mal wieder was Zählbares mitnehmen. Williams findet peu à peu den Weg aus der Krise. Dem FW46 bekommt die Diätkur – Alex Albon kämpft nun wieder um Punkte.
Alpine hat zwar weiterhin ein schwaches Auto, doch die Franzosen schafften es mit dem A524 in Monaco und Kanada dennoch in die Top-Ten zu fahren. Teamchef Bruno Famin kann sich da vor allem bei seinen Fahrern bedanken. Pierre Gasly und Esteban Ocon holten mehr aus dem Alpine heraus, als von der Pace her drinsteckte. Ohne neue Teile dürfte es in Barcelona äußerst schwierig werden zu punkten.
Sauber ist das einzige Team ohne einen einzigen Zähler in dieser Saison. Die Schweizer kleben am letzten Tabellenplatz fest. Zuletzt ging es bei der Performance sogar noch weiter zurück. Die Fahrer Valtteri Bottas und Guanyu Zhou schieden seit dem GP Miami immer in Q1 aus. Schlechte Startpositionen verhagelten häufig schon vor dem Rennstart die Chance auf Punkte.

Gegen Max Verstappen war 2023 in Barcelona kein Kraut gewachsen.
So lief der letzte GP Spanien (2023)
Max Verstappen musste sich nach seiner Pole-Position im vergangenen Jahr am Start gegen Carlos Sainz verteidigen. Der Lokalmatador nutzte von P2 aus den Windschatten seines Ex-Teamkollegen und versuchte es außen herum. Doch Verstappen blockte den Ferrari ab und blieb in Führung. Lance Stroll profitierte von einem Tête-à-Tête zwischen Mercedes-Mann Lewis Hamilton und dem McLaren-Piloten Lando Norris. Der Kanadier beendete Runde 1 als Dritter.
Norris benötigte nach der Rempelei mit seinem englischen Landsmann einen neuen Frontflügel, während Hamilton ohne Schaden weiterfahren konnte. An der Spitze nutzte Verstappen den Vorteil der Medium-Reifen und kontrollierte die auf den weichen Reifen gestarteten Verfolger. In Runde 8 schnappte sich Hamilton Stroll am Ende der Start- und Zielgeraden.
Der höhere Reifenverschleiß des Ferraris spielte Mercedes im Laufe des Rennens in die Karten. Lewis Hamilton und der George Russell konnten Carlos Sainz auf der Strecke überholen. An einen Angriff auf Max Verstappen war aber nicht zu denken. Der Red-Bull-Pilot zog einsam seine Kreise an der Spitze und legte einen Start-Ziel-Sieg hin. Hinter dem Niederländer holten Hamilton und Russell ein Doppel-Podium.
Sergio Perez überquerte die Ziellinie als Vierter und betrieb nach Startplatz elf Schadensbegrenzung. Carlos Sainz wurde Fünfter. Lance Stroll behielt im Teamduell mit Fernando Alonso die Oberhand und schaffte im Aston Martin Rang sechs. Alonso attackierte den Kanadier am Ende nicht mehr. Esteban Ocon (Alpine), Guanyu Zhou im Alfa-Sauber und der zweite Alpine-Pilot Pierre Gasly komplettierten die Top-Ten.
In unserer Galerie zeigen wir noch einmal die Highlights vom GP Spanien 2023.
Zeitplan GP Spanien 2024