Das finale Rennen des Nord- und Südamerika-Triple-Headers der Königsklasse steigt in São Paulo. Die letzten Grands Prix in den USA und Mexiko entschied Ferrari für sich. Die Italiener machen aktuell den besten Eindruck. Der WM-Kampf bei den Fahrern tobt aber zwischen den beiden Kumpels Max Verstappen und Lando Norris.
Doch wie lange hält die Freundschaft solche Duelle wie in Austin und Mexico-City aus? In der Millionenmetropole schob Verstappen in seinem Red Bull den McLaren-Mann gleich zwei Mal neben die Strecke und kassierte dafür je zwei 10-Sekunden-Strafen. Norris konnte den Abstand in der Tabelle zwar auf 47 Punkte verkürzen, bei nur noch vier anstehenden Wochenenden benötigt der Engländer nun aber Big Points, um Verstappen noch abzufangen. Der könnte es hingegen auf eine Kollision ankommen lassen. Seinem Konkurrenten würde ein Nuller vermutlich jegliche Chance auf den Titel nehmen.
In der Konstrukteurs-Wertung muss McLaren seine Augen auch auf Ferrari richten. Die Italiener überflügelten dank des Sieges von Carlos Sainz und P3 von Charles Leclerc Red Bull und liegen nur noch 29 Zähler hinter McLaren. Im Gegensatz zum Tabellenführer McLaren hat kein Ferrari-Pilot mehr eine reelle Chance auf die Fahrerkrone. Ein Vorteil für die Roten: So kann sich die Scuderia einzig und allein auf den ersten Gewinn des Konstrukteurs-Titels seit 2008 konzentrieren.
Zum vorletzten Mal in dieser Saison findet auch ein Sprint statt. Das Format sorgt immer wieder für Abwechslung und dürfte den WM-Kampf mitbeeinflussen. Der Klassiker in Brasilien könnte auch vom Wetter durcheinander gewirbelt werden. Die Gefahr von Niederschlag steigt ab Freitag sukzessive an. Die Temperaturen bewegen sich laut den Meteorologen zwischen 17 und 27 Grad Celsius.
Die Strecke: Autodromo José Carlos Pace São Paulo
São Paulo gehört zu den Dinos im Kalender. Schon seit 1972 werden auf der berühmten Strecke in Interlagos (übersetzt: "zwischen den Seen") Grand-Prix-Rennen ausgetragen. Damals lag die Piste noch im Brachland vor den Toren der Stadt. Mittlerweile hält die Krake São Paulo das 4,309 Kilometer lange Asphaltband fest umschlossen.
Der Grand Prix von Brasilien war in seiner Geschichte immer wieder Schauplatz berühmter Schlachten. Unvergessen bleibt der erste Heimsieg von Ayrton Senna 1991, bei dem er sich total erschöpft und von Krämpfen geschüttelt auf das Podium schleppte. Auch das Krimi-Finale 2008, als Lewis Hamilton Felipe Massa wenige Meter vor dem Ende den Titel wegschnappte, dürfte vielen F1-Fans noch gut in Erinnerung sein.
Vom Layout her hat das Autodromo José Carlos Pace alles zu bieten: Lange Vollgaspassagen wechseln sich mit schnellen und langsamen Kurven ab. Zwei DRS-Zonen – auf der Ziel- und der Gegengerade – sorgen stets für viel Action. 800 Meter über Meereshöhe gelegen, bedeutet das Rennen auch für die Turbos Schwerstarbeit. Nach dem Extrem-Test von Mexiko (2.200 Meter) sollten die Ingenieure allerdings für diese Herausforderung gewappnet sein.
Fast Facts GP Brasilien
- Streckenlänge: 4,309 km
- Rundenanzahl: 71
- Renndistanz: 305,879 km
- Anzahl Kurven: 15 (10 links / 5 rechts)
- Rundenrekord (Rennen): 1:10.540 Min. (Bottas, 2018)
- Absoluter Rundenrekord: 1:07.281 Min. (Hamilton, Q3, 2018)
- Distanz von Pole-Position bis zur ersten Bremszone: 196 Meter
- Zeit in der Boxengasse bei Speedlimit: 18 Sekunden
- Vollgas-Anteil (Rundendistanz): 72 Prozent (Rundenzeit: 60 Prozent)
- Top-Speed: 327 km/h
- DRS-Zonen: 2 (T3-T4, T15-T1)
- Pirelli-Reifen: C3, C4, C5
- Bremsenverschleiß: hoch
- Safety-Car-Wahrscheinlichkeit: 80 Prozent (4/5)

Pirelli bringt die weichste Reifen-Garnitur aus seinem Sortiment nach Brasilien.
Das Setup
Die Einstellung des Fahrwerks ist durch das abwechslungsreiche Layout stets kompliziert. Aus den langsamen Kurven 8, 9, 10 und 12 benötigen die Piloten gute Traktion und damit eine etwas weichere Abstimmung. Die schnellen Ecken (Kurven 3 bis 7) verlangen dagegen eine stabile Straßenlage. Hier muss der optimale Kompromiss gefunden werden.
Ein Fragezeichen schwebt immer über dem Asphalt. In São Paulo werden die Ingenieure regelmäßig von neuen Bodenwellen überrascht, die von einem zum anderen Jahr entstehen. Mit den tiefen Ground-Effect-Autos sind hier Rennwagen im Vorteil, die in einem breiten Setup-Fenster funktionieren.
Bei den Flügeln ist der richtige Mix aus Luftwiderstand und Abtrieb gefragt. Wegen der langen Gerade wird der Heckflügel nicht maximal angewinkelt. Vorne setzen die Piloten dagegen tendenziell auf etwas mehr Anstellung, damit das Auto auf der Vorderachse stabil in die schnellen Kurven einlenkt. In puncto Bremsbelastung gibt es dagegen keine großen Herausforderungen.
Die Frage lautet, ob der Reifenverschleiß wieder ein größeres Thema wird. Im Gegensatz zu den Vorjahren hat Pirelli die weichsten Sorten C3, C4 und C5 im Gepäck. Das spielt den Autos in die Karten, die den Pneu am besten schonen.

McLaren brachte seit längerer Zeit mal wieder Upgrades, die sich positiv auswirkten.
Updates
Die Saison befindet sich auf der Zielgeraden. Große Upgrade-Pakete sind zum Abschluss des Triple-Headers nicht zu erwarten. Bei nur einem freien Training fokussieren sich die Teams auf die Abstimmung ihrer Rennwagen. Interessant wird zu sehen sein, wie sich McLaren in Brasilien präsentiert. Erstmals bekommt auch Oscar Piastri das vollständige Paket an seinen MCL38 geschraubt. Zuletzt kam nur Lando Norris in den Genuss, die neuen Teile zu fahren. Das Team war zufrieden mit der Performance auf der Strecke.
Während bei Ferrari zuletzt alles glattlief, haben Red Bull und Mercedes mit ihren jüngsten Upgrades keine entscheidenden Schritte nach vorne gemacht. Der Red Bull ist in den Händen von Max Verstappen auf eine Runde schnell, doch im Rennen geht die Schere auf. Mercedes kann wegen des Russell-Crashs im Mexiko-Training keine neuen Teile mehr produzieren, um das Budget-Cap nicht zu sprengen. Die Silberpfeile wollen die Buckelpiste von São Paulo für Experimente beim Setup nutzen.

Ferrari ist das Team der Stunde und auch in Brasilien der Favorit auf den Sieg.
Die Favoriten
Nach drei Siegen aus den letzten fünf Rennen reist Ferrari als Top-Favorit nach São Paulo. Die Scuderia hat Blut geleckt und will McLaren noch den Konstrukteurs-Titel abjagen. Beide Fahrer steuern den SF-24 verlässlich in die Punkte, während bei McLaren Oscar Piastri bei den vergangenen Grands Prix etwas strauchelte. Das Team braucht den Australier aber im Kampf mit Ferrari und im Titel-Fight gegen Max Verstappen. Piastri soll dem Weltmeister wichtige Punkte wegnehmen. Lando Norris muss mehr Zähler auf Verstappen aufholen als zuletzt. Ein Norris-Sieg in Brasilien ist nahezu Pflicht.
Red Bull war in Mexiko trotz der ersten Startreihe von Verstappen nur vierte Kraft. Im Rennen war der RB20 langsamer als der Mercedes. Sergio Perez schied mal wieder in Q1 aus und dürfte keine große Hilfe für seinen Teamkollegen mehr sein. Die Diskrepanz zum dreimaligen Champion ist zu frappierend. Hinter den vier Top-Teams erwarten wir Haas. Der US-Rennstall überzeugte auch in Mexiko und vergrößerte den Vorsprung auf Toro Rosso im Kampf um den sechsten Platz bei den Herstellern auf zehn Punkte.
Toro Rosso bezahlte beim letzten Grand Prix schmerzhaft für die beiden Crashs von Yuki Tsunoda. Auch die Kollision von Liam Lawson mit Perez war für Red Bulls B-Team unschön. In Brasilien braucht es einen Konter gegen Haas, sonst bleibt es bei P7 bis zum Ende der Saison. Williams, Aston Martin und Alpine bewegen sich bei ihrer Performance auf einem ähnlichen Niveau. Mit etwas Glück und einem perfekten Setup sind Punkte drin. Sauber dürfte trotz des kleinen Aufwärtstrends keine Chance auf die Top-Ten in São Paulo haben.
Zeitplan GP Brasilien
Dem deutschsprachigen Zuschauer spielt der Grand Prix von Brasilien mehr in die Karten als die Rennen in den USA und in Mexiko. Die geringere Zeitverschiebung sorgt für frühere Anstoß-Zeiten der Sessions. Das einzige Training des Wochenendes beginnt am Freitag um 15.30 Uhr deutscher Zeit. Vier Stunden später geht es im Sprint Shootout zur Sache. Der Sprint am Samstag startet um 15 Uhr und das Qualifying geht ab 19 Uhr über die Bühne. Die Ampeln für das Rennen am Sonntag gehen um 18 Uhr aus.
In unserer Galerie finden Sie die Highlights des Brasilien-GP des Vorjahres.