Es fühlt sich nach einem Déjà-vu an. Als der Formel-1-Tross in den letzten beiden Jahren nach Abu Dhabi reiste, war Max Verstappen auch immer schon Weltmeister. Offen ist diese Saison aber immerhin noch der Kampf um die Krone in der Teamwertung. Beim letzten Rennen sind nur noch zwei Teams in der Verlosung. Verfolger Ferrari muss 21 Punkte auf Spitzenreiter McLaren aufholen – schwierig, aber nicht unmöglich.
Die eher winklige Strecke mit ihren langen Geraden dürfte dem SF-24 wieder deutlich besser schmecken als das flüssige Layout beim letzten Rennen in Katar. Aus eigener Kraft kann die Scuderia den Titel aber nicht einfahren. Sollten Charles Leclerc und Carlos Sainz tatsächlich den Doppelsieg feiern, reichen dem McLaren-Duo immer noch die Plätze drei und vier, um den Pokal nach Woking zu holen.
Die Frage lautet, ob Mercedes oder Red Bull Schützenhilfe leisten können. Die Silberpfeile präsentierten sich zuletzt sehr launisch. Und bei Red Bull ist aktuell nur ein Auto konkurrenzfähig. Nach den letzten Gerüchten aus Milton Keynes könnte Abu Dhabi das letzte Rennen von Sergio Perez sein. Die Geduld der Verantwortlichen endet langsam. Für Liam Lawson und Yuki Tsunoda bietet das Saisonfinale eine letzte Chance für ein Bewerbungsschreiben.

Lewis Hamilton verlässt Mercedes nach zwölf Jahren und 246 Rennen in Silber.
Viele Piloten feiern Abschied
Bei den Verantwortlichen von Toro Rosso hofft man, dass die beiden Fahrer mit guten Leistungen noch ein Wörtchen im Kampf um Platz sechs in der Teamwertung mitreden können. Vor dem Abschlussrennen fehlten dem B-Team von Red Bull acht Punkte auf Haas und 13 Zähler auf Alpine. Nico Hülkenberg würde seinerseits gerne den letzten Top-Ten-Platz in der Fahrerwertung verteidigen. Der Rheinländer liegt aktuell nur ein Pünktchen vor Pierre Gasly.
Apropos Hülkenberg: Der Rheinländer ist einer von drei Teamwechslern, die in Abu Dhabi das letzte Rennen für ihre aktuellen Arbeitgeber fahren. Lewis Hamilton zieht es nach seinem 246. Grand Prix für Mercedes zu Ferrari. Carlos Sainz muss deshalb sein Cockpit räumen. Der Spanier fährt 2025 für Williams. Eigentlich sollte auch Esteban Ocon in Abu Dhabi Abschied feiern. Doch der Franzose wurde bereits vorzeitig ausgewechselt und durch Jack Doohan ersetzt.
Hinter dem Schicksal von Sergio Perez steht wie schon erwähnt noch ein Fragezeichen. Valtteri Bottas, Guanyu Zhou, Kevin Magnussen und Franco Colapinto werden definitiv ihre vorerst letzten Grand-Prix-Einsätze bestreiten. Sie haben kein neues Cockpit für die kommende Saison gefunden.

Die Strecke: Yas Marina Circuit
Bei der Einweihung 2009 wurde der Yas Marina Circuit mitten in der Wüste als achtes Weltwunder gefeiert. Mittlerweile hat man sich an den Anblick der glitzernden Formel-1-Oase samt künstlich angelegtem Yacht-Hafen gewöhnt. Mehr als eine Milliarde Euro durfte der deutsche Streckendesigner Hermann Tilke im feinen Sand verbuddeln, was den Yas Marina Circuit zum teuersten Grand-Prix-Kurs der Welt macht.
Vom Layout konnte die Strecke in Abu Dhabi die Fans aber noch nie so richtig von den Sesseln reißen. Auch der Umbau im Jahr 2021 änderte daran nur wenig. Die Schikane am Anfang des zweiten Sektors flog raus. Im dritten Sektor musste das langsame Geschlängel weichen. Die Piloten freuten sich, dass es flüssiger wurde. Als überholfreundlich kann man den Yas Marina Circuit aber immer noch nicht bezeichnen.
Trotz zwei langer Geraden im Mittelsektor waren Platzwechsel hier traditionell eine seltene Angelegenheit. Unvergessen bleibt Vitaly Petrovs Verteidigungsschlacht, die maßgeblich zu Sebastian Vettels erstem Titelgewinn 2010 beigetragen hatte. Trotz eines deutlich schnelleren Autos kam Fernando Alonso im Ferrari damals nicht am Russen im Renault vorbei. Wegen des geringen Reifenverschleiß-Faktors bieten sich auch über die Strategie kaum Möglichkeiten für große Sprünge.
Fast Facts zum GP Abu Dhabi
- Streckenlänge: 5,281 Kilometer
- Rundenzahl: 58
- Anzahl Kurven: 16 (9 links / 7 rechts)
- Vollgas-Anteil (Rundenzeit): 62 Prozent
- Vollgas-Anteil (Rundendistanz): 73 Prozent
- Top-Speed: 334 km/h
- Rundenrekord im Rennen: 1:26.103 Min. (Max Verstappen, 2021)
- Distanz Pole Position bis erste Bremszone: 177 Meter
- Länge der Boxengasse: 358 Meter
- DRS-Zonen: 2 (zwischen T5-6 und T8-9)
- Reifenwahl: C3, C4 & C5

Die Ingenieure dürfen sich von den unterschiedlichen Asphalt-Temperaturen im Training nicht verwirren lassen.
Das Setup
Seit dem Umbau 2021 liegt der Wüstenkurs nur noch im mittleren Abtriebsniveau. Die Rundenzeit wird zwar immer noch hauptsächlich im kurvenreichen Schlussabschnitt gemacht, einen guten Top-Speed darf man aber nicht komplett vernachlässigen. In der Vergangenheit war die Pole-Position in Abu Dhabi bereits die halbe Miete. In den letzten neun Ausgaben gewann jeweils der Pole-Setter auch das Rennen.
Herausfordernde schnelle Ecken gibt es auf dem Yas Marina Circuit keine. Traktion und Bremsstabilität sind wichtige Faktoren, die bei der Setup-Arbeit berücksichtigt werden müssen. Die Oberfläche ist glatt. Die Autos können also tief eingestellt werden. Spannend ist immer zu verfolgen, wie sich die Strecke beim Tag-Nacht-Wechsel verändert und in welche Richtung sich der Grip der Reifen bei kühler werdenden Bedingungen entwickelt.
Das erste und dritte Training finden für gewöhnlich bei hohen Temperaturen in der Nachmittagssonne statt. Im zweiten Training sowie im Qualifying und Rennen kühlt sich der Asphalt merklich ab. Die Teams müssen darauf mit der Fahrwerkseinstellung reagieren. Wer nicht genug Temperatur im Reifen aufbaut, rutscht hilflos umher. Pirelli bringt wie üblich die weichsten Mischungen C3, C4 und C5. Meistens war die Einstopp-Strategie die bevorzugte Wahl der Ingenieure.
Technische Updates
Beim letzten Rennen des Jahres sind alle Pfeile aus dem Entwicklungsköcher längst verschossen. Das Budget für Upgrades ist ausgeschöpft. Im Freien Training lohnt sich trotzdem ein genauerer Blick auf die Autos. Beim Finale probierten die Ingenieure in der Vergangenheit schon häufiger Experimentalteile für die folgende Saison aus.

Vier Mal in Folge durfte Max Verstappen beim Finale die Sieger-Donuts drehen.
Die Favoriten
Die Formel 1 präsentiert sich aktuell als Wundertüte. In den letzten sieben Rennen sahen die Fans sechs verschiedene Sieger. Und auch in Abu Dhabi sind Prognosen schwierig. Auf dem Papier sollte Ferrari die besten Chancen haben. Die langen Geraden und viele langsame Kurven passen ins Beuteschema des SF-24. Dazu sollten die Temperaturen noch in einem Bereich liegen, mit dem das rote Auto umgehen kann. Besser wäre natürlich, wenn der Reifen etwas mehr beansprucht würde.
Mangels schneller Kurven erwarten wir McLaren nicht ganz so stark wie in Katar. Bei den geringen Abständen an der Spitze können aber Kleinigkeiten den Ausschlag geben. Max Verstappen muss man immer auf der Liste haben. Der Niederländer gewann die letzten vier Ausgaben des Abu-Dhabi-GPs. Mercedes geht als Außenseiter ins Rennen, ist aber nicht chancenlos. Wenn Bedingungen und Setup passen, muss man den Silberpfeil wie schon in Las Vegas auf der Rechnung haben.
Auch im Mittelfeld gab es zuletzt ein enges Hauen und Stechen. Pierre Gasly bewies, dass der runderneuerte Alpine aktuell das schnellste Auto ist. Allerdings fehlt es hier noch an Konstanz. Haas präsentierte sich auf allen Strecken als Punktekandidat, brachte sich aber durch individuelle Fehler oft um den verdienten Lohn. Toro Rosso fiel im Vergleich zur direkten Konkurrenz etwas ab. Nur zwei Punkte an den letzten beiden Rennwochenenden sprechen eine deutliche Sprache.
Neuerdings haben die drei Teams an der Spitze des Mittelfelds noch zusätzliche Konkurrenz bekommen. Sauber mischt seit Las Vegas wieder munter mit. In Katar kamen beide Autos aus Hinwil in die zweite Quali-Runde. Guanyu Zhou sammelte auf Rang acht gleich vier Punkte. Vielleicht spielt das Schweizer Team beim Kampf um Platz sechs das Zünglein an der Waage.
In unserer Galerie zeigen wir noch einmal die Highlights des GP Abu Dhabi 2023.