Als die Formel 1 vor zwölf Monaten nach Mexiko reiste, war die Titelfrage längst geklärt. In der aktuellen Saison muss sich Max Verstappen etwas mehr strecken. In Austin konnte der Weltmeister immerhin fünf Punkte auf Lando Norris gutmachen. Dabei half auch die viel diskutierte Strafe, die sein Rivale kurz vor dem Ende des Texas-Grand-Prix kassierte.
Bei nun 57 Zählern Vorsprung ist die Rechnung relativ einfach. Norris muss im Schnitt mehr als zehn Punkte pro Rennen gutmachen. Das funktioniert nur, wenn er Schützenhilfe von anderen Fahrern bekommt oder sich Red Bull selbst ein Bein stellt. Aus eigener Kraft ist der Titel nicht mehr drin. Das Rennen in Austin hat aber gezeigt, dass die vier Spitzenteams ganz eng beisammen liegen.
Ferrari hat zum Auftakt des Triple-Headers einen überlegenen Doppelsieg gefeiert. Die Scuderia-Piloten kommen mit viel Selbstvertrauen nach Mexiko und wollen im Konstrukteurspokal noch einmal ganz vorne angreifen. Das Auto präsentierte sich zuletzt auf allen Strecken konkurrenzfähig. Weil in Mexiko aber wieder maximaler Abtrieb gefragt ist, wie zuletzt in Singapur, sehen Experten McLaren einen Tick im Vorteil.

Bei Aston Martin steht das Mexiko-Wochenende ganz im Zeichen des Alobso-Jubiläums.
Alonso-Jubiläum in Mexiko
Die große Unbekannte heißt Mercedes. In Austin zeigte sich der runderneuerte Silberpfeil nur am Freitag in bestechender Form. Wenn die Ingenieure das Upgrade-Paket in den Griff bekommen, muss man aber auch mit Lewis Hamilton und George Russell rechnen. Den Technikern bleibt in Mexiko etwas mehr Zeit, Daten zu sammeln und sich einzugrooven. Nach dem Sprint-Wochenende in Texas kehrt die Formel 1 wieder zurück zum normalen Format.
Im zweiten freien Training am Freitag gibt es sogar 30 Minuten obendrauf, weil Pirelli ein paar Prototypen-Sätze der 2025er-Reifen testen lässt. Dabei handelt es sich um weiche Mischungen. Die Wetterprognosen versprechen konstant trockene Bedingungen mit Maximaltemperaturen knapp über der 20°C-Marke.
Ein besonderes Event erwartet Fernando Alonso in Mexiko. Der Rekord-Teilnehmer feiert sein 400. Rennwochenende in der Formel 1. Direkt vor dem Start haben die Veranstalter eine spezielle Ehrung geplant. Dazu wird der Aston-Martin-Pilot beim Jubiläum mit einem extra für das Ereignis umgestalteten Helmdesign antreten. Ein Alonso-Schriftzug ziert die Boxen und das Auto.
Die Strecke – Autódromo Hermanos Rodríguez
Schon seit der Einweihung im Jahr 1959 werden im Magdalena Mixhuca Park in Mexiko-Stadt Autorennen gefahren. Seit 1979 heißt der Kurs Autódromo Hermanos Rodríguez, benannt nach den Rennfahrer-Brüdern Pedro und Ricardo Rodriguez. Die Strecke ist zwar noch am gleichen Ort, hat aber ihr Layout mehrmals geändert. Bei der aktuellen Variante fehlt die legendäre Peraltada-Kurve – eine überhöhte 180°-Kehre am Ende der Runde.
Dafür hat die Strecke mit dem von Hermann Tilke im Jahr 2015 durchgeführten Umbau ein neues Markenzeichen bekommen. Kurz vor dem Abbiegen auf die Zielgerade müssen die Autos durch ein ehemaliges Baseballstadion. Von den steilen Tribünen blicken mehr als 20.000 Zuschauer auf das Geschehen herab. Auch die 1,314 Kilometer lange Gerade gehört zu den besonders markanten Streckenabschnitten. Vor Kurve 1 erreichen die Autos Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 350 km/h.
Das Layout mischt prinzipiell langsame mit mittelschnellen Ecken. Vor allem das etwas schnellere Geschlängel zwischen den beiden stadion-ähnlichen Sektionen bereitet den Piloten Freude. Etwas ganz Besonderes sind in Mexiko immer die Podiumszeremonien nach dem Rennen. Sie werden nicht wie sonst an der Zielgeraden durchgeführt, sondern vor dem großen Publikum im Baseball-Stadion.

Pirelli hat wie üblich die weichsten Mischungen im Gepäck. Dazu lässt der Reifenlieferant im zweiten Training auch noch Prototypen für 2025 testen.
Fast Facts zum GP Mexiko:
- Streckenlänge: 4,304 km
- Anzahl der Runden: 71
- Gesamtdistanz: 305,354 km
- Vollgas-Anteil (Rundendistanz): 65 Prozent
- Distanz von Pole bis T1: 768 Meter
- Länge Boxengasse: 380 Meter
- DRS-Zonen: 3 – T17-T1, T3-T4, T11-T12
- Top-Speed: 362 km/h
- Reifen: C3 – C4 – C5
- Bremsbelastung: hoch
- Reifenverschleiß: mittel
- Motorbelastung: hoch
- Spritverbrauch: niedrig

Das alte Baseball-Stadion wurde für das Grand-Prix-Wochenende 2024 noch einmal renoviert.
Setup
Die Ingenieure und Fahrer erwartet in Mexiko immer eine besondere Herausforderung. Die Millionen-Metropole liegt 2.285 Meter über Meereshöhe. Die Luft ist dünner und enthält 22 Prozent weniger Sauerstoff. Im Gegensatz zu den Saugmotoren der alten Formel-1-Zeiten verlieren die modernen Turbos in der Höhe allerdings nicht mehr ganz so viel an Leistung. Über das Mapping lassen die Ingenieure die Turbinen etwas schneller drehen. Der verringerte Luftwiderstand sorgt für einen geringeren Spritverbrauch und höhere Top-Speeds.
Die Autos generieren durch die dünne Luft deutlich weniger Abtrieb. Deshalb fahren die Teams trotz der ewig langen Gerade eine maximale Flügel-Anstellung wie in Monte-Carlo – und erreichen trotzdem Top-Speeds von teilweise mehr als 350 km/h wie in Monza. Das Temperatur-Management von Bremsen und Motoren funktioniert nicht mehr so effizient wie in der Tiefebene. Motor, Bremsen, Batterie und die Steuergeräte brauchen jedes Grad an Abkühlung. In der Vergangenheit mussten die Ingenieure immer wieder zusätzliche Lufteinlässe in die Carbonkleider schneiden, um im Rennen keine Überraschungen zu erleben.
Der Asphalt im Autódromo Hermanos Rodríguez bietet eher weniger Haftung. Besonders zu Beginn des Wochenendes zeigte sich der Belag oftmals noch verschmutzt. In der dünnen Höhenluft erzeugt die Aerodynamik zwischen 20 und 25 Prozent weniger Abtrieb. Die Autos rutschen also mehr. Dennoch war die Reifenabnutzung nie ein großes Thema. Normalerweise reicht ein Reifenwechsel, um über die Distanz zu kommen. Pirelli bringt wie üblich die weichsten Mischungen C3 bis C5.

Andrea Kimi Antonelli wird im ersten Training den Mercedes von Lewis Hamilton pilotieren.
Technik-Updates
Die eigenartige Streckencharakteristik sowie die speziellen Bedingungen in Mexiko machen die Erprobung von neuen Teilen etwas komplizierter. Auch der Termin mitten im stressigen Amerika-Triple-Header spricht eigentlich gegen ein Upgrade-Feuerwerk. Weil es an der Spitze der WM aber momentan richtig eng zur Sache geht, versuchen die Top-Teams in jedem Rennen wenigstens ein bisschen was nachzulegen. Auch kleine Fortschritte können entscheidend sein.
McLaren hatte in Austin angedeutet, dass man noch nicht alles ausgepackt hat, was im Köcher steckt. Vor der großen Herbstpause war von einem neuen Unterboden die Rede, der im Saisonendspurt die entscheidenden Zehntel bringen soll. Man hatte eigentlich erwartet, dass er schon in Austin ausgepackt wird. Dort gaben sich die Ingenieure aber sehr schmallippig, was den weiteren Upgrade-Plan angeht. Immerhin haben die Techniker verraten, dass nun auch Oscar Piastri die neueste Frontflügel-Version bekommt.
Interessant ist die Situation auch bei Mercedes. Russell hatte seinen neuen Unterboden beim Highspeed-Crash im Qualifying zerstört. Das Bauteil ging direkt zur Reparatur nach England zurück. Damit steht in Mexiko nur noch ein Exemplar zur Verfügung. Hamilton zeigte nach den Austin-Pleiten in Quali und Rennen aber nur wenig Begeisterung, dem Upgrade noch eine zweite Chance zu geben.

McLaren hat das effizienteste High-Downforce-Paket. Ferrari versucht, mit dem besten Reifenverschleiß dagegen zu halten.
Favoriten
Die spezielle Strecke in Mexiko und die engen Abstände im Spitzenquartett machen Prognosen schwierig. Ferrari-Teamchef Frederic Vasseur gab zu bedenken, dass sich das Kräfteverhältnis zuletzt selbst innerhalb eines Wochenendes mehrfach auf den Kopf gestellt hat. Immer wenn die Flügel für maximalen Abtrieb aufgeschnallt wurden, konnte McLaren glänzen. Deshalb geht Lando Norris auch als Favorit in das Wochenende.
Ferrari profitierte vom guten Reifenverschleiß im Rennen. Dafür schwächelten Leclerc und Sainz etwas im Qualifying. Die Reifen spielen in Mexiko auf dem Papier keine so große Rolle. Man darf also gespannt sein, ob die Scuderia an der Austin-Leistung anknüpfen kann. Red Bull und Mercedes zeigten sich als große Wundertüten. Von Sieg bis Platz acht ist hier alles drin. Am Ende könnte die Tagesform entscheiden.
Im Mittelfeld war die Hackordnung in Austin klar. Haas schob sich mit dem letzten Upgrade an die Spitze des Verfolgerfelds. Alpine und Toro Rosso ließen ihr Potenzial immer nur kurz aufblitzen. Bei Williams und Aston Martin muss schon alles passen, damit es mit Punkten klappt. Aber einem Fernando Alonso sollte man aber nicht unterschätzen. Bei seinem Jubiläum geht der Spanier sicher besonders motiviert zu Werke, wenn alle Augen auf ihn gerichtet sind.
In der Galerie zeigen wir Ihnen noch einmal die Highlights des Mexiko-Rennens 2022.