Gestern Formel-1-Renndirektor Niels Wittich, heute Chef-Sportkommissar Tim Mayer. Der Ausverkauf beim Weltverband FIA geht weiter, und keiner weiß, was dahintersteckt. Eine offizielle Begründung von oberster Stelle gibt es nicht. Bei Wittich wurde noch versucht, es so darzustellen, als hätte der 52-jährige Deutsche von selbst gekündigt. Er dagegen stellte klar, dass man ihn entlassen hat. Seit dem GP Las Vegas macht der Portugiese Rui Marques seinen Job.
Drei Wochen später und vier Tage vor dem GP Katar erwischte es Tim Mayer. Der 58-jährige US-Amerikaner arbeitet seit 2012 als Sportkommissar für die FIA und gilt als einer der erfahrensten Schiedsrichter des Verbandes. Neben Mayer bekam auch Janette Tan den blauen Brief von Präsident Mohammed bin Sulayem. Sie war stellvertretende Rennleiterin in der Formel 2 und sollte nun eigentlich aufsteigen, nachdem Rui Marques über Nacht in die Königsklasse befördert worden war. Marques muss jetzt vorübergehend beide Serien leiten. Einige fragen sich besorgt: Was passiert, wenn Marques krank wird und ausfällt? Einen Ersatz vom Ersatz gibt es nicht mehr.

Unter FIA-Präsident Mohammed bin Sulayem gab es zuletzt viele personelle Veränderungen im Weltverband.
Personalschwund unter Präsident bin Sulayem
Mayer, Tan und Wittich sind nicht die einzigen hochrangigen FIA-Mitarbeiter, die unter dem Regiment von bin Sulayem den Verband verlassen haben oder verlassen mussten. Der vorherige Rennleiter Michael Masi stolperte über das kontroverse WM-Finale 2021 in Abu Dhabi, bei dem sich Lewis Hamilton und Mercedes um den WM-Titel betrogen fühlten.
Generalsekretär Peter Bayer musste gehen, weil er sich mit dem Präsidenten nicht über die Bekanntgabe der 2026er-Motorenregeln einigen konnte. FIA-Technikchef Tim Goss verließ den Verband im Januar. Beide arbeiten jetzt bei Toro Rosso.
Sportdirektor Steve Nielsen kehrte nach nur einem Jahr bei der FIA zu den Rechteinhabern zurück. Kurz nach Wittich hat auch der Compliance-Beauftrage Paolo Basarri seinen Posten verloren. Er verteidigte den Präsidenten letztes Jahr erfolgreich gegen zwei Klagen. Man warf bin Sulayem vor, sich in ein Urteil der Sportkommissare bei einer Strafe für Fernando Alonso eingemischt zu haben und dass er versucht haben sollte, dem Las Vegas Strip Circuit die Zulassung zu verweigern.

Der Deutsche Niels Wittich verlor seinen Job als Rennleiter an Rui Marques.
Fahrer-Brief brachte Fass zum Überlaufen
Nicht einmal in FIA-Kreisen weiß man, was die jüngsten Personalrochaden ausgelöst hat. "Wir erfahren nichts und wissen deshalb auch nicht, was richtig und falsch ist", erzählt einer. Im Fahrerlager vermutet man hinter den vielen Trennungen einen persönlichen Feldzug des Präsidenten. In fast allen Fällen kam es nach öffentlich ausgetragenen Kontroversen dazu. Einer musste seinen Kopf hinhalten für das schlechte Licht, in das der Sport gekommen war. Oder jemand widersprach dem FIA-Chef. So wie Bayer in der Affäre um das Motoren-Reglement.
Niels Wittich musste offenbar dafür büßen, dass sich die Fahrer über gegebene oder nicht gegebene Strafen für zu hartes Fahren oder Verletzungen der Streckenlimits beschwerten. Oder die neue Maßregelung für Schimpfworte und Flüche. Beides hatte nichts mit Wittich zu tun. Er war weder für Strafen noch das Fluch-Verbot zuständig. Es schien, als müsste ein Bauernopfer her, um zu zeigen: Seht her, wir tun was.
Der offene Brief der Fahrer, die von bin Sulayem verlangten, selbst seine Sprache zu mäßigen, sich um wichtige Dinge zu kümmern und offenzulegen, wofür die Geldstrafen verwendet werden, war offenbar der letzte Tropfen auf den heißen Stein. Der Präsident wähnte sich als Freund der Fahrer. In dem Brief wird deutlich, dass er das aber nicht ist. Um davon abzulenken, kamen die Personalrochaden im eigenen Reich gerade Recht.
Warum jetzt Tim Mayer gehen musste, ist vollkommen rätselhaft. Manche vermuten, es liege an seinem Bericht über die Invasion der Zuschauer auf die Strecke nach dem GP USA in Austin. Dort wurde erwähnt, dass ein Teil der für die Ordnung an der Strecke zuständigen Polizei damit beschäftigt war, den Präsidenten nach dem Rennen zum Flughafen zu eskortieren.