Der GP Mexiko war teuer. Mercedes, Williams und Toro Rosso meldeten erneut Unfallschäden in erheblichem Ausmaß. Toro Rosso gleich zwei Mal. Da wurden jedes Mal Materialkosten von 200.000 Euro und mehr fällig. Und die gehen in das Budget ein, das bei der Deckelung angerechnet wird.
Als Mercedes-Teamchef Toto Wolff am Freitagabend (25.10.) um 20.30 Uhr noch einmal die Garage inspizierte, da hatten seine Ingenieure keine guten Nachrichten für ihren Chef. Das Chassis mit der Startnummer 63 hatte beim Aufprall mit 35 g lateraler Verzögerung einen Knacks bekommen. Dummerweise befand sich hinter den Tecpro-Elementen ein Lampenpfosten aus Eisen.
Für ein Chassis werden rund 350.000 Euro veranschlagt. Der Materialwert ist geringer, weil die Arbeitskosten mit eingepreist sind, die aber auf einer anderen Kostenstelle ins Budget eingehen. Trotzdem ist so ein Unfall so spät in der Saison ein harter Schlag. Man hat immer weniger Möglichkeiten, anderswo Freiräume zu schaffen, um unerwartete Unfallschäden zu kompensieren.

Auch Andrea Kimi Antonelli brachte wegen seines Crashs in Monza Mercedes an den Rand des Budget-Caps.
Schonkost bei Mercedes
Jedes Team schreibt zu Beginn des Jahres eine Zahl für Materialverzehr durch Unfälle in seinen Geschäftsplan. Die bemisst sich normalerweise an historischen Daten. Mercedes hatte in diesem Jahr aber bereits vier Unfälle, die man in die Kategorie Totalschaden einstufen könnte. George Russell in Melbourne, Austin und Mexiko, der neue Mann Andrea Kimi Antonelli in Monza. Dazu kommt noch ein mittelschwerer Schaden bei Russells Trainingsunfall in Singapur. In der Saison 2023 dagegen krachte es bei Mercedes nur zwei Mal leicht.
Toto Wolff erklärte in Mexiko, dass die Lage durchaus ernst ist. "Das neue Chassis hat weh getan. Wir haben nach den vielen Unfällen in den letzten Rennen wenig Ersatzteile und können uns den Rest der Saison keine Upgrades mehr leisten." Einen neuen Motor schon gar nicht.
Mercedes hätte Russell in Austin theoretisch einen frischen V6-Turbo ins Auto schrauben können, weil er sowieso aus der Box losfahren musste. Doch wenn eine Antriebseinheit aus taktischen Gründen und nicht wegen eines Defekts in den Pool gebracht wird, zählt dieser Motor zum Budget. Das Gleiche gilt für Chassis, Getriebe oder Unterböden.

Der Unterboden des Red Bulls von Sergio Perez wurde im Laufe der Saison mehrmals geflickt, um Kosten zu sparen.
Baustelle Unterboden
Ein großes Problem sind bei Unfällen die Unterböden. Schäden an den immer komplexer werdenden Carbonplatten gehen extrem ins Geld. Deshalb wird lieber repariert als ersetzt. Als Russell in Austin bei seinem Abflug die jüngste Unterboden-Spezifikation stark beschädigte, war kein Ersatzboden da. Er musste mit der Imola-Spezifikation, die zuletzt in Singapur im Einsatz war, aus der Box starten.
Der ramponierte Austin-Boden wurde nach England geflogen, um ihn dort zu reparieren. In Brasilien soll das geflickte Teil wieder an Russells Auto geschraubt werden. Das ist billiger als einen komplett neuen Boden ins System einzutragen. Obwohl die Transportkosten für die riesigen Teile immens sind. "Sergio Perez hatte zuletzt so viele Abflüge, dass nur noch ausgebessert wurde. Erst als es zu viele Flickstellen gab, hat er einen neuen bekommen", erklärte Red-Bull-Sportchef Helmut Marko.

Williams belegt den ersten Platz in der unbeliebten Unfallstatistik der Saison 2024.
Williams ist Unfall-Spitzenreiter
Mercedes ist mit seinen Sorgen nicht allein. Es gibt ungewöhnlich viele Unfälle in dieser Saison (siehe Liste). Nach 20 Rennen haben wir bereits 27 Unfälle der höchsten Kategorie notiert. Im letzten Jahr waren es nach 22 Grand Prix nur 20 – Williams ist mit sieben Totalschäden Spitzenreiter. Der Rennstall ist zusätzlich mit drei mittelschweren bis leichten Fällen dabei.
Mercedes und Toro Rosso haben jeweils vier Mal heftig gecrasht. Red Bulls B-Team hat seinem Finanzchef beim GP Mexiko graue Haare bereitet. Von dem noch einmal modifizierten Austin-Boden gab es nur ein Exemplar. Als Yuki Tsunoda sein Auto im Q2 in Kurve 12 in die Absperrungen feuerte, da mussten zwölf größere Komponenten getauscht werden. In Jo Bauers Reparaturliste standen: Nase, Frontflügel, Heckflügel, Beam Wing, Auspuff, Vorderradaufhängung links und rechts, Lenkung, Lenkrad, Hydraulikpumpe, Bremsbelüftungen hinten links und rechts.
Das wichtigste Teil konnte repariert werden. Hätte Toro Rosso auf einen älteren Unterboden zurückgreifen müssen, wäre Tsunoda aus der Box gestartet. Was für das Team besser gewesen wäre. Man hätte sich den zweiten Crash gleich nach dem Start erspart. Jetzt stellt sich die Frage, ob der Boden wieder flott gemacht werden kann, eher aus Kostengründen. Ein zweites Exemplar kommt nach Brasilien. Das ist Liam Lawson versprochen.

Selbst Fernando Alonso war dieses Jahr nicht vor einem heftigeren Crash gefeit. In Imola feuerte der Routinier seinen Aston Martin in die Bande.
Perez hält Red-Bull-Werkstatt wach
Ferrari, Red Bull und Aston Martin mussten jeweils drei Abschreibposten vermelden. Lance Stroll landete in Jeddah und Spa unsanft in der Bande. In Imola erwischte es sogar einmal Fernando Alonso. Das ist ein Beleg dafür, wie schwer die grünen Autos zu fahren sind.
Der Ferrari ist ein eher gutmütiger Rennwagen, doch auch dort wurde zuletzt stark das Unfallkonto belastet. Charles Leclerc am Hungaroring, Carlos Sainz in Baku und Singapur. Dazu noch diverse mildere Abflüge. Bei Red Bull ist Sergio Perez für Kaltverformungen zuständig. Bei seinen Unfällen in Monte Carlo, Budapest und Baku war jedes Mal das Chassis beteiligt. Die Carbonröhren halten mittlerweile unheimlich viel aus und sind servicefreundlich. Die meisten können durch Reparaturen gerettet werden. So wird das auch bei Mercedes sein. Was aber nichts hilft. Der Posten steht im Budget.
Haas erwischte es zwei Mal. Kevin Magnussen und Nico Hülkenberg wurden in Monte Carlo in das Leitplanken-Billard von Perez mit hineingezogen, wobei es das Magnussen-Auto schwerer erwischte. Der Däne verlor das Auto dann noch einmal in der Lesmo-Kurve von Monza. Sauber war mit einem Abflug von Guanyu Zhou in Jeddah dabei.
Eine nahezu reine Weste haben nur McLaren und Alpine. Da flogen lediglich bei Karambolagen die Fetzen, doch außer ein paar Anbauteilen blieben die teuren Komponenten heil. Für Alpine war es trotzdem bitter. Esteban Ocon musste nach dem Zusammenstoß mit Teamkollege Pierre Gasly in Monaco beim wichtigsten Rennen des Jahres zuschauen.