Der Anfang ist bescheiden. Ab 2021 sollte der Anteil des Kraftstoffs aus erneuerbaren Quellen 20 Prozent betragen und dann jedes Jahr gesteigert werden. FIA-Präsident Jean Todt will so schnell wie möglich auf 100 Prozent alternativen Kraftstoff umstellen. "Ich frage jede Woche einmal bei unserem Motorexperten Gilles Simon nach, wie weit wir sind."
Der Weltverband schiebt deshalb auch Forschungsprojekte an, die jetzt von Ferrari mitfinanziert werden müssen. Offenbar hat sich Ferraris Kraftstofflieferant Shell als erster der großen Hersteller bereiterklärt, diesen Weg zu unterstützen. Andere Mineralölfirmen halten sich noch zurück. Sie würden lieber so lange wie möglich für ihre Produkte auf dem Markt werben.
Die FIA ist aus zwei Gründen an einer Umstellung auf alternative Kraftstoff interessiert, egal ob sie nun komplett im Labor oder aus Biomasse hergestellt werden. Hauptsache CO2-neutral. Der grüne Anstrich, den sich der Motorsport dadurch verschaffen will, ist eine Sache. Genauso wichtig ist aber die Unabhängigkeit, die der Sport damit gewinnt.
Wenn der Kraftstoff CO2-neutral ist, braucht man das Feigenblatt des Hybridantriebs nicht mehr. Dann ist man von der Architektur des Motors unabhängig. Grün ist grün, egal ob die Antriebsquelle dann ein V6-Turbo oder ein Zwölfzylinder-Sauger ist.
Der Einsatz von alternativen Kraftstoffen könnte für den Sport zum Lebensretter werden. Die Corona-Krise zeigt gerade die Sackgasse auf, in die sich der Motorsport manövriert hat. Wenn in der Formel 1 die Automobilhersteller wegfallen, hat die Königsklasse ein massives Problem.
Die aktuellen Hybrid-Antriebe können wegen ihrer Komplexität von privaten Anbietern nicht entwickelt werden. Wäre man beim Motorenformat frei, dann könnten externe Triebwerksspezialisten wie Ilmor, Cosworth oder Gibson einspringen.
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Auf keinen Fall neue Motoren
Gegen eine schnelle Einführung von synthetischen Kraftstoffen werden zwei Argumente vorgebracht. Erstens die Verfügbarkeit solcher Kraftstoffe in ausreichender Menge und zweitens die hohen Umbaukosten für die Motorenhersteller.
Motorenexperte Mario Illien hält beides für Ausreden. Vorgeschoben von Leuten, die lieber so lange wie möglich am Status Quo festhalten wollen. "Die Mengen, die der Motorsport braucht, sind verfügbar."
Der Schweizer schränkt allerdings ein: "Synthetischer Kraftstoff macht nur Sinn, wenn die Energie, die zu seiner Herstellung gebraucht wird, komplett aus erneuerbaren Quellen stammt. Ansonsten wäre das genauso eine Augenwischerei wie der angebliche Umweltvorteil von Elektroautos."
Illien sieht auch keine unüberwindbaren Kosten auf die Motorenbauer zukommen. "Für synthetischen Sprit müsste das Brennverfahren adaptiert werden. Das gute dabei ist, dass man sich im Labor den Kraftstoff so hinbiegen kann, wie man es für eine optimale Verbrennung braucht."
"In der Theorie könnte man diese Kraftstoffe klopffester gestalten, was eine effizientere Verbrennung ermöglichen würde. Wir könnten sogar einige Komponenten weglassen, die im herkömmlichen Benzin drin sind und mehr schaden als nutzen. Zum Beispiel Schwefel." Der Vater der früheren Mercedes-Formel 1-Motoren stellt fest: "Man müsste deshalb auf keinen Fall völlig neue Motoren bauen."
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Ethanol heißt weniger Leistung
Bei Bio-Kraftstoffen auf Alkoholbasis ist es etwas anders. Die IndyCar-Motoren laufen schon seit Jahr und Tag mit Ethanol und einer 15-prozentigen Beimischung von herkömmlichen Kraftstoff. Der verringerte Heizwert dieser Mischung führt zu höheren Verbräuchen. Nur so lässt sich der Leistungsverlust einigermaßen auffangen.
Aber auch Biokraftstoffe lassen sich laut Illien im Labor hochzüchten, um eine effizientere Verbrennung zu garantieren. "Es kommt darauf an, wie viel CO2, Wasserstoff oder Sauerstoff dem Sprit beigemischt wird."
Bei diesen Designer-Kraftstoffen besteht allerdings auch eine Gefahr. Illien warnt: "Die Spezifikation müsste für alle gleich sein. Wenn jeder sich seinen Sprit maßschneidern darf, gibt es ein Wettrüsten, das richtig ins Geld geht und völlig aus dem Ruder läuft." Wenn das gewährleistet ist, sind auch die Kosten kein Thema.
Momentan kostet ein Liter Spezialbenzin für die aktuellen F1-Motoren rund 200 Dollar. "Das wird mit synthetischen Kraftstoffen bestimmt nicht so teuer." Theoretisch könnte man dann auch wieder zu hoch drehenden Saugmotoren zurückkehren. Illien plädiert dennoch für die Turbo-Technik. "Weil du effizienter verbrennen kannst. Es macht natürlich einen Unterschied, ob du 100 oder 150 Kilogramm Sprit im Auto hast."