Zugegeben, als Rennfahrer hat man es wirklich nicht immer leicht. Kaum spiegeln die Ergebnisse auf dem Papier nicht wider, was man leisten sollte, bricht die große Kritik über einen herein. Dabei ist der Druck, den sich Rennfahrer selbst machen, ja meist am größten. Plus – und das ist die eigentliche Krux an der Sache – keiner der kritischen Journalisten und Beobachter sieht zu jedem Zeitpunkt unter welchen Bedingungen ein Pilot diese Leistungen bringt. Waren neue Reifen drauf? Stimmt etwas mit dem Auto nicht? Bekommt der Teamkollege besseres Material?
Nicht mit einem Auto Weltmeister
Im Falle von Sergio Perez mag man zu Beginn seiner Krise in dieser Saison vielleicht diese Einstellung gehabt haben. Mittlerweile ist man aber an einem Punkt angekommen, an dem er so tief in einen Sumpf versunken ist, dass man sich fragt, ob er jemals ohne Schlammreste überhaupt wieder daraus herauskriecht. Nach dem erneuten Ausscheiden im ersten Teil des Sprint-Quali in Katar sagte Red Bull-Berater Helmut Marko in Bezug auf die Konstrukteurs-WM: "Mit nur einem Auto wirst du nicht Weltmeister."

Sergio Perez muss sich derzeit viel Kritik anhören.
Es ist kein Geheimnis, dass man bei Red Bull darüber nachdenkt, ja sogar nachdenken muss, ihn nach der Saison 2024 zu ersetzen. Liam Lawson und Yuki Tsunoda werden als Kandidaten gehandelt. Doch das Problem scheint zu sein, dass der Vertrag des 34-Jährigen für die kommende Saison wasserdicht ist. Eine Klausel, die den Vertrag aufgrund der Leistungen aus 2024 für die kommende Saison ungültig macht, scheint es nicht zu geben. Perez auszuzahlen – falls der stolze Mexikaner das überhaupt zulässt – dürfte ebenfalls ein Kraftakt werden. Schließlich hängen auch seine Sponsorengelder dran, die ja ebenfalls kompensiert werden müssen. Kurios: Eigentlich hatte man bei Red Bull mit der Verlängerung zur Sommerpause darauf spekuliert, Perez mit der VErtragsverlängerung psychologischen Rückhalt zu geben und ihn zu beflügeln. Offenbar hat es nichts genutzt.
"Text-Bild-Schere" bei Perez
Im Journalismus nennt man es etwa eine "Text-Bild-Schere", wenn die Bildunterschrift nicht zu dem passt, was auf dem Bild zu sehen ist. Und genau das trifft auf Sergio Perez und seine Art zu, wie er mit dem ganzen Schlamassel umgeht. Sechs Mal schied er in dieser Saison bereits in Q1 im Qualifying aus. Zuletzt in Las Vegas. Im Quali-Duell mit Verstappen steht es 21:1 zugunsten von Verstappen. Der Rückstand auf den Weltmeister: 251 Punkte. Perez liegt nur auf Platz acht in der Fahrer-WM.
In der Pressekonferenz am Donnerstag vor dem Katar-Wochenende sagte er viele Sätze, die ein bisschen stutzig machten. Zum Beispiel: "Ich denke, dass wir mit der Abstimmung näher herankommen. Ich denke, es gibt einige vielversprechende Anzeichen dafür, dass es vorangeht." Er betont, dass es mit vier Rennen auf dem Podium in Folge, einer seiner besten Saisonstarts war. Aber dass die Saison in Europa eine Kehrtwende nahm. Das stimmt soweit auch.
Auffällig bleibt, wie oft er den Ausdruck "wir" benutzt und sein Problem offensichtlich zu einem gemeinsamen macht und wie wenig Eigenverantwortung er übernimmt: "Andere Teams haben sich verbessert und eine Menge Leistung gefunden. Wir haben uns mit dem Auto ein bisschen verfahren, würde ich sagen." Und weiter: "Wir sind immer noch hier und optimistisch, dass wir die Dinge als Team umdrehen können, vor allem für das nächste Jahr."

Sergio Perez kommt mit dem RB20 weniger gut klar als Max Verstappen.
Anderer Fahrstil als Verstappen
Kurz zur Erinnerung: Sein Teamkollege Max Verstappen wurde mit exakt diesem RB20 Weltmeister. Es ist ihm hoch anzurechnen, denn das Auto war in der Tat nicht überlegen. Umso beachtlicher die Leistung des Niederländers. Doch Perez kann sich nicht nur darauf ausruhen, dass sein Arbeitsgerät unfahrbar ist. Der Abstand zu Verstappen, der ohne Zweifel ein Ausnahmetalent ist, ist einfach zu eklatant.
Dafür hat Perez freilich eine Entschuldigung. "Ich glaube, ich war mit meinem Fahrstil viel sensibler als zum Beispiel Max", sagt er. "Bei Max haben sich die Dinge nicht so sehr verändert. Aber für mich hat es sich stark verändert." Darauf angesprochen, sagt Teamkollege Verstappen: "Wir haben uns ständig zum Auto ausgetauscht, denn es war ja auch für mich nicht einfach zu fahren. Das Auto war zwar in letzter Zeit viel besser fahrbar, aber es fehlt uns noch ein bisschen, um Rennen zu gewinnen."
Da die Misere rund um Imola los ging, wäre es von einem Top-Fahrer zu erwarten, inzwischen damit umgehen zu können – auch wenn die Umstände herausfordernd sind. Denn ein Rennfahrer zeichnet sich auch durch die Qualität aus, nicht nur mit einem schnellen und einfach zu fahrenden Auto flott zu sein, sondern sich auch flexibel in schwierigen Situationen anzupassen.

Zu Beginn der Saison lief es noch wesentlich besser für Sergio Perez.
Neuanfang als neue Chance?
Sollte er daran scheitern, wäre es womöglich Zeit für Perez, die Reißleine zu ziehen. Vielleicht sogar zu seinem Vorteil, um woanders mit einem weißen Blatt Papier neu anzufangen. Um sein Selbstvertrauen in sich als Rennfahrer nicht weiter zu schwächen. Denn die kritischen Stimmen können trotz seiner Beteuerungen nicht alle an ihm abprallen. Doch davon scheint Perez weit entfernt zu sein und sein Stolz offenbar dazwischen zu grätschen. "Das Team hat alle Informationen. Es gibt einen Grund, warum wir meinen Vertrag während des Jahres verlängert haben. Wir sind ein Team, und wir wissen intern genau, wo wir stehen." Auf die Frage, ob er zu 100 Prozent sicher sagen kann, dass er für Red Bull Racing in 2025 fährt, antwortet er: "Ja."