Die Quelle sei ein Abendessen mit Personen aus dem Umfeld von Pérez-Sponsor Telmex gewesen. Da soll ein Mitglied des Rennsportkaders des Unternehmens erzählt haben, dass Sergio Perez beim Heimrennen in Mexiko seinen Rücktritt erklären will. Der WM-Zweite ist seit drei Rennen komplett von der Rolle und hat in Singapur, Japan und Katar nur fünf WM-Punkte geholt. Über die sozialen Medien schaffte es die Nachricht in die Welt.
Der Verbreiter konstruierte, dass Perez bereits beim GP Japan die Kündigung erhalten haben soll. Ein Red-Bull-Sprecher dementierte umgehend: "Da ist absolut nichts dran." Sportchef Helmut Marko meinte auf Nachfrage: "Davon weiß ich nichts."
Gegen das Gerücht spricht auch die Logik. Red Bull würde in Suzuka nicht die Fahrerpaarung für Alpha Tauri öffentlich bekanntgeben, wenn man gleichzeitig wüsste, dass Perez 2024 nicht mehr im Kader ist. In diesem Fall hätte man die Vollzugsmeldung noch zurückgehalten.
Das Team habe Perez lediglich gesagt, dass er seinen Kopf freimachen solle, um das gesteckte Ziel zu erreichen. Red Bull will zum ersten Mal überhaupt mit seinen beiden Fahrern die Plätze eins und zwei in der Meisterschaft belegen.
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In den letzten Rennen lief für Sergio Perez nichts zusammen.
Anfängerfehler für einen Routinier
Momentan beträgt der Vorsprung von Perez auf den drittplatzierten Lewis Hamilton noch 30 Punkte. Doch wenn er sich nicht steigern kann, ist der zweite Platz ernsthaft in Gefahr. Bei Red Bull sind sich alle einig, dass Perez weiterhin der gleich gute Rennfahrer ist, den man vor drei Jahren eingekauft hat. Sein aktuelles Problem sitzt im Kopf.
Da ist auf der einen Seite die Überlegenheit von Max Verstappen. Es ist für keinen Fahrer leicht, so verprügelt zu werden. Wenn Verstappen auf die Pole Position fährt und man selbst mit Sekundenrückstand im Q2 rausfliegt, dann macht das etwas mit der Psyche. Dann funktioniert auch das Rennen nicht mehr. Der sechsfache GP-Sieger will am Sonntag mit dem Kopf durch die Wand Plätze gutmachen und erlaubt sich dabei Anfängerfehler.
Ein Perez in Normalform würde im Zweikampf nie so plump in den Gegner rutschen wie in Singapur in den Williams von Alexander Albon oder in Suzuka in den Haas von Kevin Magnussen. Und er würde in Katar auch nicht drei Strafen für insgesamt sechs Verletzungen der Streckenlimits kassieren. Perez überfuhr die weißen Linien schon drei Mal, bevor der Dreikampf mit Pierre Gasly und Lance Stroll begann.
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Bis zum Spanien-Grand-Prix fuhr Perez noch fast auf dem Niveau von Verstappen.
Wendepunkt Barcelona-Upgrade
Bis zum GP Monaco war Sergio Perez noch ein WM-Kandidat. Mit zwei Siegen, vier Podestplätzen und einem ersten Platz im Sprint von Baku lag der 33-jährige Mexikaner nach fünf Rennen nur 14 Punkte hinter Verstappen. Dann kam der Crash im Q1 in Monte Carlo, was zum ersten Mal am Selbstvertrauen des Herausforderers nagte.
Viel schlimmer noch war nach Aussage von Perez ein neuer Unterboden, den Red Bull nach Barcelona brachte. Er hat den Red Bull schneller gemacht, nicht aber Perez: "Die Fahrcharakteristik passte nicht mehr zu meinem Fahrstil. Es kam wieder der Moment, wo ich mehr darüber nachdenken musste, wie ich mit dem Auto fahren muss, um schnell zu sein." Das passierte ihm auch schon in den Saisons 2021 und 2022.
Red Bulls Sorgenkind will den Ingenieuren gar nicht die Schuld geben: "Sie bringen Upgrades, um das Auto schneller zu machen. Es wurde ja auch schneller. Nur ich habe mich schwerer getan, das Auto zu fahren. Dann musst du dich anpassen. Ich habe das nicht so schnell geschafft, wie ich eigentlich sollte." Seiner Bitte, wieder die Spezifikation vor Barcelona fahren zu dürfen, konnte nicht stattgegeben werden. Kein Team bringt zwei unterschiedliche Autos an den Start.
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Perez muss mindestens Zweiter in der WM werden, wenn er sein Cockpit für 2024 sichern will.
Kopf-Krise wie einst bei Gasly
Nach dem GP Spanien geriet Perez in einen Teufelskreis. Wenn er probierte, die Defizite des Autos mit dem Setup des Autos zu korrigieren, war das Auto einfacher zu fahren aber auch langsamer. Wenn er versuchte, mit den Eigenheiten des RB19 zu leben, hat er das Auto überfahren und noch mehr Zeit verloren.
Nicht alle Rennen nach Barcelona waren laut Marko schlecht. "Er ist danach viermal auf das Podium gefahren, hat wie am Red-Bull-Ring oder in Monza ein paar super Aufholjagden gezeigt." Das war wieder der alte Perez. Es waren aber auch die Rennen, in denen er sich auf sein eigenes Gefühl und sein Setup verlassen hat.
Nach Monza glaubte der Routinier die Krise überstanden zu haben. Doch der Optimismus trog. Statt wieder Boden auf Verstappen gutzumachen, rutschte er noch weiter ab. Umso größer wurde auch die Verzweiflung. Man musste Perez in Katar nur ins Gesicht schauen: Das war ein Rennfahrer ohne Selbstvertrauen.
Marko erinnert sich bei Pierre Gasly an ein ähnliches Szenario. Auch bei ihm war eine deutliche Niederlage gegen Verstappen der Auslöser für eine Kopf-Krise. Nach dem GP Österreich bildete sich der Franzose ein, irgendetwas mit der Aufhängung stimme nicht. Das wurde dann zu so einer fixen Idee, dass auch mental Rundenzeit verloren ging und er schließlich gegen Alexander Albon ausgetauscht wurde.
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Sollte Perez 2024 nicht im Red-Bull-Cockpit sitzen, würde Daniel Ricciardo die Beförderung bekommen.
Chance für Vettel?
Sergio Perez weiß, dass er ein Problem bekommen wird, wenn er den zweiten Platz in der WM nicht halten kann. Vertrag hin oder her. Man darf nicht ausschließen, dass er doch noch irgendwann selbst die Reißleine zieht. Die Gerüchte vom Rücktritt werden wohl nicht ganz aus dem luftleeren Raum gesaugt worden sein.
Sollte es doch dazu kommen, dass Perez freiwillig seine Karriere beendet, dann steht für Red Bull die Notlösung schon fest. Dann würde Daniel Ricciardo ins A-Team befördert und Liam Lawson den Platz neben Yuki Tsunoda bei Alpha Tauri einnehmen. Alle Top-Fahrer, die für Red Bull in Frage kämen, sind unter Vertrag.
Nur einer hätte Zeit und vielleicht auch Interesse. Doch würde sich Sebastian Vettel ein Duell mit Max Verstappen antun? Einhellige Meinung im Fahrerlager: Das wäre keine gute Idee. Für Vettel nicht, aber auch nicht für andere. In seiner momentanen Form ist Verstappen in einem Red Bull nicht zu schlagen. Auch, weil er das Auto in- und auswendig kennt. Jeder, der neu kommt, müsste sich erst darauf einstellen.