Wir haben uns in der abgelaufenen Saison 22 Mal die Augen gerieben. War es Realität, was wir gesehen haben oder Fiktion? Volle Tribünen quer über den Globus. Überall neue Zuschauerrekorde trotz horrender Preise für Tickets, Hotels, Flüge, Mietwagen. Die Formel 1 wird im Winter melden, dass sie mehr Geld eingenommen hat als je zuvor, dass die TV-Zahlen und Social-Media-Kontakte weiter steil nach oben zeigen, dass mit diversen Veranstaltern neue Verträge abgeschlossen wurden, mit Laufzeiten zwischen drei und 15 Jahren.
Wer 2018 eine Formel-1-Aktie für 20 Dollar gekauft hat, bekam im Dezember 53 Dollar dafür. Die Geldgeber stehen Schlange. Sogar ein Kreuzfahrtunternehmen fand es cool, sich mit der schnellsten Rennserie der Welt zu verbünden. Die Formel 1 hat zehn Seriensponsoren und zwölf Partner in ihrem Portfolio. Auch die Teams profitieren von der Aufbruchstimmung. Red Bull, Aston Martin, McLaren und Haas fanden neue Titelsponsoren.

Hersteller stehen Schlange
Inzwischen ist die Formel 1 auch für Hersteller wieder attraktiv. Audi stößt 2026 zu dem Club, der aus Ferrari, Mercedes und Renault besteht. Honda will offiziell wieder zurückkehren. Ford, Cadillac und Hyundai klopfen an der Tür, und Porsche prüft, ob es nach dem gescheiterten Red-Bull-Deal vielleicht doch einen Weg zurück gibt. Das Interesse der Autokonzerne hat nicht nur etwas damit zu tun, dass die Formel 1 weiter auf Hybrid mit einem erweiterten Elektroanteil und E-Fuels setzt. Das dient der Rechtfertigung, es überhaupt zu tun.
Doch da ist noch die Sache mit dem Image. Die Hersteller müssen feststellen, dass ihre Elektroautos auf dem Markt nicht die gleichen Emotionen wecken wie die alten Verbrenner. Der Fetisch sind nicht mehr Motorleistung, Zylinderzahl oder Design, sondern Reichweiten. Wie langweilig, Motorsport schafft Emotionen für die Marke. Erfolg auf der Rennstrecke zahlt auch auf das Image der Elektroautos auf der Straße ein.
Paddock Club für Superreiche
Der Paddock Club ist die neue Goldgrube der Formel 1. Es gibt genügend Leute und Firmen, die bereit sind, bis zu 9.000 Dollar für ein exklusives Erlebnis zu bezahlen, das weit über gutes Essen in VIP-Lounges hinausgeht. Man kann heute Fahrerlagerbesuche, Treffen mit Fahrern, die Siegerehrung hautnah unter dem Podest und heiße Runden mit Rennprofis um die Strecke dazubuchen. Fahrerlager und Startaufstellung sind so voll wie ein Weihnachtsmarkt. Flavio Briatore startete in Abu Dhabi einen Versuchsballon mit einem Paddock Club für Superreiche. Da geht die Party rund um die Uhr.
Der Boom der Formel 1 ist beängstigend. Irgendwie läuft alles zu glatt. Wer wachsen will, muss die Kuh immer stärker melken. Liberty wird mehr Rennen, höhere Antrittsgelder, mehr VIP-Gäste und teurere TV-Verträge brauchen. Der Erfolg befeuert die Gier. Und alle wollen mitverdienen. Nach den Teams könnten auch die Motorenhersteller und die Fahrer die Hand aufhalten, nach dem Motto: Ihr bestellt die Show, aber wir sind die Stars. Stefano Domenicali wird viel Fingerspitzengefühl brauchen, damit der Markt nicht überhitzt. In so einer Euphorie reicht oft nur ein Funke, und das Kartenhaus bricht in sich zusammen.

Kein F1-Rennen in Deutschland
In Deutschland besteht die Gefahr nicht. Die Autonation hat den Anschluss verpasst. Der Boom findet hierzulande nicht statt. Gäbe es 2023 einen Grand Prix in Hockenheim, er wäre wahrscheinlich nicht ausverkauft. Woran das liegt? Die TV-Anstalten schieben es gerne darauf, dass wir keine siegfähigen deutschen Fahrer haben. Die haben die USA, Brasilien, Japan oder Italien auch nicht.
Das Problem in Deutschland ist die Grundstimmung gegen das Auto. Die Gutmenschen haben es als alleinigen Umweltverschmutzer identifiziert und akzeptieren in ihrer ideologischen Verblendung nicht, dass es neben Elektroautos auch noch andere nachhaltige Antriebsmodelle gibt. Ist das Auto mal schuld, hat auch der Motorsport keine Chance.