Russell-Verstappen-Streit eskaliert: Crash-Drohung in Katar

Russell-Verstappen-Streit eskaliert
„Er drohte, mich in die Mauer zu crashen“

GP Abu Dhabi 2024

Max Verstappen und George Russell werden wohl keine großen Freunde mehr. Die beiden Piloten waren nach einer FIA-Untersuchung in Katar heftig aneinander geraten. Verstappen schimpfte später, dass ihm Russell mit aller Macht eine Strafe unterjubeln wollte. Er habe keinen Respekt mehr für seinen Fahrerkollegen, erklärte der Weltmeister nach dem Rennen bei den TV-Interviews.

Vier Tage später in Abu Dhabi legte der Niederländer noch einmal nach. Auf die Frage, ob er mit etwas Abstand bei seinen harten Worten bleibe, erklärte Verstappen unbeeindruckt: "Ich bedaure nichts. Wir sind alle Rennfahrer. Wir reisen zusammen und machen zusammen Sport. Es gibt viel Respekt. Natürlich kracht es auch mal und man ist nicht happy. Aber was da im Raum der Stewards passiert ist, war für mich nicht akzeptabel."

Max Verstappen - GP Abu Dhabi 2024
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Wortgefecht nach FIA-Sitzung

Verstappen behauptete, dass sein Konkurrent in der FIA-Anhörung gelogen hatte: "Ich habe noch nie erlebt, wie jemand so vehement und aktiv versucht hat, jemandem eine Strafe einzuhandeln und dabei auch zu lügen, was ich gemacht habe. Das war nicht nett und sehr schockierend. Zu diesem Zeitpunkt der Saison wollte ich mich eigentlich aus allem Ärger raushalten, und dann kam so etwas."

Russell, der sich sonst eher reserviert und höflich gibt, brachten die Aussagen von Verstappen ordentlich auf die Palme. In seiner eigenen Presserunde versuchte der Mercedes-Pilot, die Dinge klarzustellen und die Anschuldigungen seines Gegners zurückzuweisen. Nach Aussage von Russell sei Verstappen schon mit erhöhtem Puls zu der Anhörung bei den Schiedsrichtern angekommen.

"Bevor ich da irgendwas gesagt habe, hat er schon in die Richtung der Stewards geschimpft", erinnert sich Russell. "Am Ende konnte ich da gar keine Lügen erzählen. Die Fakten haben für sich gesprochen. Er war zu langsam unterwegs und ist in einer schnellen Kurve auf der Ideallinie gefahren. Ich hatte gar nicht die Absicht, ihm eine Strafe unterzujubeln. Ich lag auf Pole-Position-Kurs und wollte einfach nur meine Runde vorbereiten."

George Russell - Max Verstappen - GP Katar 2024
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Verstappen droht Russell mit Crash

Dass sich Verstappen wegen der Lobby-Arbeit bei den FIA-Kommissaren so angegriffen fühlte, konnte Russell nicht nachvollziehen: "Als Fahrer kämpft man sowohl auf der Strecke als auch bei den Stewards. Max hat es dann ja am nächsten Tag genauso gemacht, als er sein Team aufforderte, sich das Flaggen-Vergehen von Lando anzuschauen. Das war auch keine persönliche Sache von Max gegen Lando. So ist das einfach im Rennsport."

Für Russell war die Sache nach der Vorladung bei den Schiedsrichtern eigentlich abgeschlossen. Entsprechend überrascht zeigte er sich dann aber von den persönlichen Attacken nach dem Rennen. "Ich wollte mich dazu gar nicht äußern, aber dann ist er mich persönlich angegangen. Ich sage das auch nicht aus Wut gegenüber Max, ich möchte einfach die wahre Geschichte erzählen. Es ist nicht hinzunehmen, dass er meine Integrität anzweifelt und mich in der Presse beschuldigt. Jeder hat ein Recht auf seine Meinung, aber er hat eine Grenze überschritten. Das war zu viel."

Russell verriet dabei noch ein Detail, dass die ganze Sache in einem anderen Licht erscheinen lässt. Nach Aussage des Briten habe ihm Verstappen nach der Sitzung bei den Kommissaren mit Konsequenzen auf der Strecke gedroht: "Er hat zu mir gesagt, dass er sich vorgenommen hat, absichtlich in mich reinzufahren und mich kopfüber in die Mauer zu stopfen."

George Russell - Max Verstappen - GP Katar 2024
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Verstappen nicht unschlagbar

Zunächst nahm Russell die Drohung nicht ernst: "Ich dachte, dass er das nur in der Hitze des Gefechts gesagt hat. Ich bin nach der Anhörung zurück zu meinem Team gegangen und wir haben nur darüber gelacht. Am nächsten Tag bin ich aufgewacht und dachte, wir können das locker nehmen. Doch dann habe ich in der Fahrerparade gesehen, welches Feuer er noch in den Augen hatte. Ich kenne Max schon lange und weiß, wozu er fähig ist. Ich verstehe aber wirklich nicht, warum ihn dieses Thema so verärgert hat."

Russell deutete an, dass Verstappen nicht mit Kritik und Gegenwind umgehen kann: "Ich zweifele nicht im Geringsten an seinen fahrerischen Qualitäten. Aber zweieinhalb Jahre lang hatte er das dominanteste Auto im Feld und kaum sitzt er nicht mehr im schnellsten Auto, ist er in Budapest in Lewis reingefahren. Er hat dann sein ganzes Team fertig gemacht. Nach dem Rennen hat ein Viertel seiner Ingenieure Bewerbungen an Mercedes, McLaren oder Aston Martin geschickt."

Nach Meinung des Mercedes-Piloten gibt es keinen Grund, sich vor Verstappen zu fürchten: "Seit dem GP Österreich hat er die gleiche Zahl an Rennen gewonnen wie viele andere Piloten. Ist Max schlagbar? Natürlich ist er das! Nur, wenn er ein dominantes Auto hat, ist er unschlagbar. Genau wie Lewis und ich, als wir in Silverstone oder Las Vegas das schnellste Auto hatten."

George Russell - Lewis Hamilton - GP Abu Dhabi 2024
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Schlechtes Vorbild für junge Fans

Laut Russell haben sich die anderen Fahrer bisher leider zu selten getraut, Verstappen die Stirn zu bieten: "Lewis hat das 2021 getan, und er hat die Weltmeisterschaft dann auf unfaire Weise verloren. Man muss sich nur mal vorstellen, was passiert wäre, wenn die Rollen dabei vertauscht gewesen wären. Wenn Max die Meisterschaft in einer Art verloren hätte, wie es Lewis passiert ist, hätte Masi wohl um sein Leben fürchten müssen."

Nach Meinung von Russell gibt Verstappen mit seinem Verhalten ein schlechtes Beispiel ab: "Lewis ist im Vergleich mit ihm ein Weltmeister, zu dem man aufschauen kann. Er kämpft natürlich auch hart, aber immer fair und nie über dem Limit. Ich habe einen achtjährigen Neffen, der alle meine Rennen schaut und alles bei YouTube und TikTok verfolgt. Wenn ein Fahrer dann sagt, dass er mich Kopf voraus in die Mauer schicken will, dann ist das nicht die Sorte von Vorbildern, die wir hier brauchen."

Eine Aussprache mit Verstappen brauche es allerdings nicht. Für Russell ist die Angelegenheit abgeschlossen: "Die Sache bringt mich nicht um den Schlaf. Ich wollte darüber eigentlich gar nicht sprechen. Aber er ist mit seinen persönlichen Attacken einfach zu weit gegangen. Ich will einfach nur die Wahrheit erzählen. Es gibt nichts, was ich ihm noch sagen kann. Ich weiß, wie Max tickt. Es ist nicht das erste Mal, dass ich ihn so erlebt habe. So war er schon als 14-Jähriger im Go-Kart-Fahrerlager."

Toto Wolff & Christian Horner - GP Abu Dhabi - Bilder des Jahres 2023
Red Bull

Wolff: Horner ein "kläffender Terrier"

Auch Mercedes-Teamchef Toto Wolff mischte sich im Rahmen der Russell-Medienrunde in die Angelegenheit ein. Dem Österreicher passte nicht, dass Red-Bull-Kollege Christian Horner seinen Schützling nach dem Rennen in Katar verbal attackierte: "Das ist eigentlich eine Sache zwischen den Fahrern. Ich wollte mich da eigentlich nicht einmischen. Aber wenn der andere Teamchef George als "hysterisch" bezeichnet, dann ist damit für mich eine Grenze überschritten. Wie kann man es nur wagen, sich so über die Verfassung meines Fahrers zu äußern?"

Laut Wolff hat Horner es verpasst, Verstappen die Grenzen aufzuzeigen und die Wogen zu glätten: "Als Teamchef muss man ein Sparringpartner für seine Fahrer sein. Man muss ihnen erklären, dass manche Sachen nicht so eindeutig sind, wie sie scheinen. Wenn man das nicht macht, dann ist das einfach schwach. Man muss sich fragen, warum er sich anmaßt, so über meinen Fahrer zu sprechen. Er ist wie ein kläffender Terrier, der zu allem etwas sagen muss."