Red Bull: Verstappen-Pole, Perez Letzter

Red Bulls Wechselbad der Gefühle
Verstappen auf Pole, Perez Letzter

GP Australien 2023

Eigentlich müsste Red Bull mit beiden Autos in der ersten Startreihe stehen. Der Rennstall aus Milton Keynes erfüllte am Qualifikations-Samstag von Melbourne aber nur mit einem Fahrer seine Pflicht. Max Verstappen sicherte sich erstmals überhaupt im Albert Park die Pole Position. Für Sergio Perez war dagegen bereits nach sechs Minuten im Q1 vorzeitig Feierabend. Der Mexikaner segelte mit rauchendem rechten Vorderrad ins Kiesbett und entkam der Falle nicht mehr.

Diesen Samstag würde Perez am liebsten schnell vergessen, wird er aber nicht so schnell. Es wäre geschönt, von einem gebrauchten Tag zu sprechen. Im dritten Training rutschte der Sieger von Jeddah gleich mehrmals neben die Rennstrecke. Er grub Kiesbetten um und mähte die Rasenflächen. Die Technik spielte ihm wiederholt einen Streich. Der Motor schob in der Bremsphase. Im dritten Training stärker als in der Qualifikation.

Sergio Perez - Red Bull - GP Australien 2023 - Melbourne
Wilhelm

Perez will zu früh zu viel

Dort drängte der Sechszylinder den Rennwagen von Perez in den dritten Kurve ins Aus. Ein bisschen Kritik muss sich der 33-Jährige gefallen lassen. Der Ausrutscher passierte ihm in der ersten fliegenden Runde der Qualifikation. Ein Mann mit seiner Routine hätte sich mehr Zeit lassen sollen, sich an die Gegebenheiten anzupassen. Gerade auf einer Rennstrecke, auf der es äußerst kompliziert ist, selbst die weichen Reifen schnell anzuzünden. Perez wollte stattdessen zu früh zu viel.

Der WM-Zweite hat für den Rennsonntag einen Berg voll Arbeit vor sich. Perez muss eine Aufholjagd starten. Angesichts der Ausgangslage würde es für Red Bull durchaus Sinn ergeben, eine neue Batterie und eine neue Leistungselektronik im Auto mit der Startnummer elf zu verbauen. Nach einem Schaden in Jeddah ist Perez bei diesen Komponenten bereits am Limit. Jeweils zwei Einheiten sind für die Saison erlaubt. Die fällige Strafe ist egal. Perez ist ohnehin Letzter.

Von der anderen Seite der Startaufstellung geht sein Teamkollege in das dritte Rennen der Saison. Nach der ersten Pole soll in Melbourne auch der erste Erfolg überhaupt dort folgen. Der Weg auf den ersten Startplatz war kein Spaziergang. Bei Außentemperaturen von 15 Grad Celsius und einem 21 Grad kühlen Asphaltband fiel es den Fahrern schwer, selbst die weichen Reifen schnell auf Temperatur zu bekommen.

Suche nach dem Grip

Williams-Pilot Alexander Albon meisterte die Aufgabe wahrscheinlich am besten. Das bringt ihm den achten Startplatz ein. Die Mercedes-Fahrer fanden im Finale des dritten Durchgangs auch das passende Rezept. George Russell und Lewis Hamilton drehten nach der Outlap jeweils eine weitere Aufwärmrunde, ehe sie zum Angriff bliesen. Verstappen dagegen führte eine Aufwärmrunde zum Erfolg.

"Ich hatte meine Probleme, den passenden Grip zu finden", schildert der Weltmeister. "Es war bis zum Schluss wirklich kompliziert, die Reifen schnell ins Betriebsfenster zu fahren. Und zwar so, dass sie ab der ersten Kurve da sind. Im letzten Versuch hat es dann funktioniert. Das war eine anständige Runde." Die brauchte es auch, um die Mercedes hinter sich zu halten. Russell hielt mit einem Abstand von 0,236 Sekunden Kontakt zum schnellsten Autos im Feld.

Während Mercedes wahrscheinlich den Sweetspot für die weichen C4-Reifen traf, landete Verstappen wohl selbst in der letzten Runde nicht bei der passenden Reifentemperatur. So mutmaßt es zumindest das Team nach dem ersten Studium der Daten. Die kühlen Temperaturen waren ein Faktor. Der glatte Asphalt der zweite. "Seit sie hier im letzten Jahr neu asphaltiert haben, ist es besonders schwierig mit den Reifen", erklärt Verstappen. Von seiner Beschaffenheit erinnert der Asphalt an den von Jeddah. Jedoch war es dort deutlich wärmer.

Max Verstappen - Red Bull - GP Australien 2023 - Melbourne
Motorsport Images

Kleiner Fortschritt durch neue Teile

Die Updates am Frontflügel und den hinteren Bremsbelüftungen funktionieren. Sie machten den Red Bull RB19 noch ein bisschen schneller. Wenn der Zugewinn auch unterhalb von einer Zehntelsekunde liegen soll. Für das Rennen sieht sich Milton Keynes gut gerüstet. "Normalerweise sind wir am Sonntag besser als am Samstag", sagt Verstappen. Wieder wird den Reifen eine besondere Rolle zukommen.

Am Samstag ging es darum, sie überhaupt anzuzünden. Im Rennen werden die Fahrer alles unternehmen müssen, um ein zu starkes Körnen zu vermeiden. Auf dem kühlen Asphalt sind vor allem die weichen Reifen und die Medium-Mischung von Graining befallen. Das Abrubbeln der Oberfläche im Dauerlauf rührt daher, dass die äußerste Schicht heiß wird, der Reifenkern allerdings kühl bleibt. Wer das Graining im Griff hat, kommt mit einem Boxenstopp über die Distanz. Vielleicht helfen die höheren Temperaturen, die für den Rennsonntag vorhergesagt sind.

Lewis Hamilton glaubt, dass Red Bull über die Distanz wieder vermehrt zu alter Überlegenheit zurückfindet. "Heute haben die Strecke und die Reifen das Bild verwässert. Im Rennen sollte der Red Bull wieder eine Viertelsekunde bis halbe Sekunde pro Runde schneller sein als wir." Der RB19 glänzt wieder mal mit herausragendem Topspeed. Kein Auto ist auf den Geraden schneller. Und in den Kurven brilliert der dunkelblaue Rennwagen mit seinem gleichmäßigen Abtrieb.

Mit dem Extra-Grip der Reifen lassen sich über eine schnelle Runde Defizite überdecken. Gesehen in Bahrain und Jeddah. Und bei kühleren Temperaturen können sich die Kontrahenten zusammenschieben. Weil einer das Reifenfenster trifft, und der andere nicht. Doch über die Renndistanz kommen die wahren Qualitäten eines Rennautos zum Tragen. Vor diesem Hintergrund sollte Verstappen auf dem besten Weg sein, Red Bull beim 350. Grand Prix mit dem zweiten Australien-Sieg zu beschenken. Er muss dafür speziell in der ersten Runde wachsam sein.