Red Bull vor Ferrari: Leclerc bläst Pole-Jagd ab

Red Bull schlägt Ferrari
Leclerc bläst Pole-Jagd ab

GP Bahrain 2023

Diese Pole Position kommt nicht unerwartet, und doch tat sich Red Bull schwerer als angenommen. Bei den Testfahrten in Bahrain hinterließ der neue RB19 den mit Abstand stärksten Eindruck. Die Leichtigkeit war allerdings in den ersten drei Trainings verschwunden. "Die erste Ausfahrt am Freitag war ein Schock. Ich erkannte mein Auto nicht wieder. Auch in den weiteren Trainings habe ich keine passende Balance gefunden. Im Qualifying wurde das Auto besser, war aber selbst im Q3 nicht perfekt", berichtete Max Verstappen.

Es reichte für den Weltmeister trotzdem zur 21. Pole der Karriere. Dennoch mahnt er seine Mannschaft. "Wir müssen herausfinden, warum sich das Auto bei den Testfahrten so anders angefühlt hat als an diesem Wochenende." Vielleicht hätte Red Bull besser bereits vor einer Woche mal die weichsten Reifen am Auto mit der Startnummer 1 aufgezogen und den Sprit abgelassen. So wusste Verstappen gar nicht, wie sich sein neues Arbeitsgerät unter diesen Verhältnissen überhaupt verhält und anfühlt. Beinahe hätte sich Red Bull selbst ein Bein gestellt.

Charles Leclerc - Ferrari - GP Bahrain 2023 - Qualifikation
xpb

Ferrari überrascht sich

Es kam nicht so weit. Nicht einmal drei problembehaftete Trainings warfen das Weltmeister-Team aus der Spur. Das zeigt, wie gut das Auto und wie gut die Ingenieurstruppe ist. Der RB19 ist einfach das schnellste Auto, obwohl er auf eine schnelle Runde in Bahrain vom Untersteuern befallen ist. Zwar haderte auch Sergio Perez mit dem Fahrverhalten. Doch ein Auto, das über die Vorderachse schiebt, schmeckt ihm deutlich besser als dem Teamkollegen. Deshalb schrumpfte der Abstand zu Verstappen auf 0,138 Sekunden.

Der große Gegner war Ferrari, so wie es die Red-Bull-Ingenieure vorhergesehen hatten. Die Scuderia hingegen überraschte sich selbst. "Damit hatte ich nicht gerechnet", gesteht Leclerc nach der Qualifikation. Nach den Trainings sah es auch nicht danach aus, als ob Ferrari die Nummer zwei im Feld sein würde. Das war in den Übungseinheiten Aston Martin.

In der Qualifikation, wenn die Roten ihren Motor voll aufdrehen, ist der SF-23 ein echter Konkurrent. Selbst für Red Bull. Über die Distanz sieht es anders aus. Da frisst der Ferrari wie in der Vorsaison die Reifen deutlich mehr. "Red Bull und Aston Martin waren in den Longruns deutlich stärker als wir. Ich wäre überrascht, wenn wir gegen sie morgen über die Renndistanz antreten können", wirft der Drittplatzierte Leclerc ein.

Opfer für das Rennen

Red Bull und Ferrari opferten jeweils Performance, um am Rennsonntag möglichst optimal aufgestellt zu sein. Die Weltmeister mit dem Setup, Ferrari mit den Reifen. "Wir sind einen Kompromiss eingegangen, der sich hoffentlich auszahlt", sagt Perez. Der RB19 wurde bewusst so abgestimmt, dass er die Hinterreifen besser schont. Deshalb auch das Untersteuern über eine Runde. Das Heck klebt, während die Front eher lose ist. Über die Distanz sollte sich die Balance angleichen, weil die Hinterreifen in Bahrain härter herangenommen werden. Dann sollte Verstappen seine Qualitäten voll ausspielen können.

Ferrari hätte wohl lieber einen größeren Flügel aufgeschnallt. Doch die Variante, die sich auf eine Stelze stützt, wackelte bei einem Versuch am Freitag wie ein Fähnchen im Wind. Deshalb müssen Charles Leclerc und Carlos Sainz mit weniger Abtrieb im Heck leben. In der Qualifikation war das kein Nachteil, weil der Extra-Grip der weichen Reifen den fehlenden Anpressdruck gewissermaßen kaschiert. Die Ferrari flogen mit ihrem kleineren Flügel und ihrem stärkeren Motor über die Geraden, und waren ordentlich in den Kurven.

Allerdings zählt die Performance im Rennen. Und wie sich Ferrari davor fürchtet, unterstreicht die Tatsache, dass man am Ende von Q3 mit Leclerc auf eine weitere Ausfahrt verzichtete, um sich einen frischen Softreifen für das Rennen aufzusparen. Wenigstens in dieser Beziehung hat Ferrari nun einen Vorteil gegenüber der dunkelblauen Konkurrenz. "Ich hätte mich im zweiten Anlauf sicher verbessern können. Ich denke, es wäre sehr eng mit den Red Bull geworden. Aber wir waren bereit, das Opfer einer verpassten Pole zu nehmen, um besser für das Rennen aufgestellt zu sein", erklärt Leclerc.

Max Verstappen - Red Bull - GP Bahrain 2023 - Qualifikation
xpb

Ferrari mit mehr Reifen

Ferraris Speerspitze hat sich für den Grand Prix zwei frische harte Reifensätze und eben den neuen C3-Reifen aufgehoben. Red Bulls Plan ging nicht auf. Eigentlich hatte man vor, mit zwei neuen C3-Sätzen in den Sonntag zu gehen. Die Strategie wäre es dann gewesen, diesen Reifen mit einem harten Stint dazwischen zu kombinieren. Die Reifenfolge C3-C1-C3 ist in der Theorie der schnellste Weg ins Ziel.

Jetzt hat Red Bull gar keine brandneue C3-Garnitur mehr in der Hinterhand. Es ist allerdings kein Drama. Verstappen und Perez haben einen C3 im Aufgebot, mit dem sie nur eine langsame Outlap bestritten. Dieser Reifen hat also nur minimalste Gebrauchsspuren. Vom C1 haben beide Red Bull nur einen frischen Satz. Ferrari hat zwei. Dennoch sollten die Weltmeister genügend Spielraum haben. Jedenfalls ist Red Bull der Favorit für den Auftaktsieg. Für Verstappen wäre es eine Premiere. Der Doppelweltmeister hat noch nie in Bahrain triumphiert.