Ein Aufatmen ging durch das Fahrerlager. Red Bull ist doch noch schlagbar. Auch wenn es nur der Sprint und nicht das Hauptrennen war. Die Weltmeister-Truppe hat zum ersten Mal seit dem GP Österreich wieder ein Rennen verloren. Mehr noch: Kein Red-Bull-Pilot stand auf dem Podium. Max Verstappen und Sergio Perez belegten hinter zwei Mercedes und einem Ferrari die Plätze 4 und 5.
Es wäre zu einfach, die Niederlage nur auf die Reifenwahl zu schieben. Mit Medium-Reifen schwamm Verstappen gegen den Trend. Nur noch Nicholas Latifi wählte die härtere Mischung. Alle anderen Fahrer entschieden sich für Pirellis weichsten Gummi. Als der Weltmeister in der dritten Runde die Führung von Kevin Magnussen übernahm und George Russell Zeit verlor, weil er ein paar Kurven länger warten musste, da sah alles nach einer weiteren Verstappen-Show aus. "Wir dachten zu dem Zeitpunkt noch, dass der Medium-Reifen einen Vorteil bringt, je länger das Rennen dauert", blickt Sportdirektor Helmut Marko zurück.

Red Bull unterschätzt den Soft-Reifen
Es kam anderes. Mit jeder Runde verloren die Hinterreifen am Red Bull Grip. Und die Soft-Reifen an den beiden Mercedes von George Russell und Lewis Hamilton und dem Ferrari von Carlos Sainz wollten einfach nicht in die Knie gehen. Ab der 10. Runde tauchte Russell wieder im DRS-Bereich des Spitzenreiters auf. Fünf Runden später war er nach atemberaubenden Zweikämpfen an Verstappen vorbei.
Der Niederländer fuhr da schon mit dem Rücken zur Wand. In der 19.Runde gingen auch noch Sainz und Hamilton vorbei. Mit der Hilfe von DRS schossen sie den Red Bull auf der Zielgerade sturmreif. "Wir haben den Soft-Reifen unterschätzt", gibt Marko zu. "Wahrscheinlich haben die gesunkenen Temperaturen dem weichen Reifen geholfen. Bei unserem Longrun im zweiten Training hatte es 50 Grad auf dem Asphalt. Am Abend im Sprint waren es nur noch 30 Grad." Verstappen klagte: "Ich bin nur herumgerutscht. Wir müssen verstehen, warum unser Auto heute so langsam war."
Red Bulls Problem war Sektor zwei
Der Medium-Reifen war für den Sprint sicher die schlechtere Wahl, aber er hat Red Bull nicht das Rennen verloren. Sergio Perez konnte auf Soft-Reifen dem Mercedes von Hamilton nicht folgen. Der Mexikaner verlor in 24 Runden 7,4 Sekunden auf seinen Nachbarn in der Startaufstellung. "Wir hätten auch mit dem Soft-Reifen das Rennen nicht gewonnen, wären bestenfalls Dritter geworden", gibt Marko zu. Sein Fahrer bestätigte: "Der schwache Speed lag im Auto." Der Frontflügelschaden, den sich Verstappen im Zweikampf mit Sainz einhandelte, hat nicht geholfen, ist aber auch keine Erklärung für die Niederlage. "Das hat nicht viel gekostet."
Das Hauptproblem der Red Bull war der zweite Sektor. Nur in den ersten Runden konnten Verstappen und Perez in dem Kurvenlabyrinth der Konkurrenz folgen. Mit nachlassenden Reifen schlossen die Gegner im Mittelabschnitt auf und kamen so auf der Zielgerade in eine gute Überholposition. Die Theorie, dass Red Bull vielleicht zu viel Abtrieb zugunsten von Topspeed geopfert hat, wird durch die Zwischenzeiten in den anderen beiden Sektoren nicht untermauert. Die Red Bull waren in keinem Segment die schnellsten, auch nicht in ihren Paradesektoren, die hauptsächlich aus Geraden bestehen.

Kann Red Bull das Ruder drehen?
Das spricht für ein Problem mit der Abstimmung. Es sieht so aus, als hätten die 16-fachen Saisonsieger wie in Österreich ein Problem mit der Reifenabnutzung. Das könnte Verstappen und Perez auch im Hauptrennen auf den Kopf fallen. "Moimentan bin ich für das Rennen nicht allzu zuversichtlich. Mal schauen, ob uns über Nacht noch etwas dazu einfällt", zweifelte Verstappen. Perez bestätigte: "Das Auto verlor zwischen dem zweiten Training und dem Sprint an Speed. Keine Ahnung warum. Plötzlich war keine Balance mehr da, und die Reifen haben stark nachgelassen. Wenn sich der Trend fortsetzt, haben wir im Rennen ein Problem. Heute waren die Mercedes und Ferrari schneller als wir."
Dank der Motorstrafe für Sainz starten die Red-Bull-Piloten hinter den beiden Mercedes auf den Plätzen 3 und 4. Mit der Möglichkeit mit Hilfe der Strategie den Weg an den Silberpfeilen vorbei zu finden. "Wir gehen mit dem Vorteil einmer extra Garnitur Soft in das Rennen", macht sich Teamchef Christian Horner Mut. Doch dazu muss man für die Kurven im zweiten Sektor noch den goldenen Schlüssel finden.
Formel-1-Sportdirektor Ross Brawn sah sich im besten Sprintrennen seit der Erfindung des Mini-Grand Prix bestätigt: "Wir hatten heute ein super Rennen, das uns morgen eine Startaufstellung beschert, die auf ein genau so gutes Hauptrennen hoffen lässt. Interlagos hat gezeigt, dass der Sprint funktioniert, wenn wir ihn auf den richtigen Strecken ins Programm nehmen. Hier ist Überholen möglich, weil jeder Angriff auch einen Gegenangriff ermöglicht. Das war bei unserer Wahl für die sechs Sprint-Schauplätze im nächsten Jahr das Hauptkriterium. In zwei Wochen sollten wir so weit sein, die Sprint-Orte bekanntzugeben."