Kein Bouncing bei Red Bull: Newey löst Problem früh

Fittipaldi-Erfahrung hilft Newey beim RB18
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So löste Red Bull das Bouncing-Problem

Adrian Newey - Formel 1 - 2022 © Red Bull 17 Bilder

Der Red Bull RB18 ist das beste Auto der Formel-1-Saison 2022. Weil er im Verlauf des Jahres zum Allrounder geworden ist. Weil er kaum noch Schwachstellen hat. Und weil Technikchef Adrian Newey als erster das Bouncing verstanden hat.

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Bis zur Sommerpause war die Weltmeisterschaft ein Duell. Der Red Bull RB18 und der Ferrari F1-75 fuhren auf Augenhöhe. Die Rennstrecke bestimmte, wer die Nase vorne hatte. Nach der Sommerpause gab Red Bull Gas. Ferrari ist nur noch am Samstag auf eine schnelle Runde ein Gegner. Was einst die Stärke der roten Autos war, hat sich ins Gegenteil verkehrt. Jetzt funktioniert der Red Bull in einem großen Arbeitsfenster, und Ferrari bewegt sich mit dem Setup seines Autos auf einem schmalen Grat.

Red Bull hatte schon als die Saison losging einige Joker in der Hinterhand, die aber erst viele Monate später ausgespielt werden konnten. Zum Beispiel das Gewicht. Red Bull startete zehn Kilogramm schwerer als Ferrari in das Jahr. Jetzt herrscht Gleichstand. Das sind dreieinhalb Zehntel.

Zum Beispiel der Top-Speed: Das Defizit auf den Geraden trieb Ferrari so um, dass man auf Teufel komm raus Abtrieb im Unterboden suchte, um den Luftwiderstand der Flügel zu verringern. Das aber ging zu Lasten der aerodynamischen Stabilität. Seit in Frankreich der neue Unterboden kam, ist der Wurm drin.

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Mit dem Bahrain-Update war das Bouncing am Red Bull RB18 verschwunden.

Newey war schon 1980 dabei

Red Bull war auch das erste Team, das die Bouncing-Problematik in den Griff bekam. Mit dem ersten großen Upgrade am letzten Testtag in Bahrain war die Schaukelei in den schnellen Passagen praktisch verschwunden. Das schenkte den Ingenieuren den Spielraum, am Auto arbeiten zu können. Die Konkurrenz musste erst einmal das Bouncing aus der Welt schaffen, um zu erkennen, welche Stärken und Schwächen ihre Autos hatten. Bei Mercedes dauerte das bis zum GP Spanien.

Es ist ein Luxus, einen wie Adrian Newey in den Reihen zu haben. Der 63-jährige Stardesigner hat auch heute noch das umfassendste Verständnis für ein Rennauto. Er ist ein Besessener und schon 42 Jahre im Geschäft. So war er auch nicht überrascht, dass die Groundeffect-Autos einen Geburtsfehler in ihrer DNA tragen, der die Ingenieure schon vor vier Jahrzehnten umtrieb. Sie saugen sich mit zunehmender Geschwindigkeit an die Straße an und lassen bei Bodenkontakt wieder los. Das erzeugt eine Auf- und Abbewegung, als würden die Autos auf einer Buckelpiste fahren.

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Um das Bouncing in den Griff zu bekommen, brauchte es aerodynamische und mechanische Lösungen.

Aero-Chef in einem Tag

Mit dem Bouncing wurde Newey schon auf seiner ersten Formel-1-Station konfrontiert. Eigentlich schon ein bisschen davor, wie er verrät: "Ich habe Groundeffect-Aerodynamik studiert und mein letztes Projekt in meiner Studienzeit war die Anwendung bei Sportwagen. Ich suchte ein Praktikum und schrieb die Teams an, die in der Saison 1980 gefahren sind. Die meisten haben nicht geantwortet. Harvey Postlethwaite, der zu der Zeit bei Fittipaldi gearbeitet hat, bot mir dann einen Job als Lehrling in seiner Aerodynamikabteilung an. Wie sich herausstellte, war ich am gleichen Tag der Chef der Abteilung. Sie bestand nämlich nur aus mir."

Der Mann, der für zwölf Weltmeister-Autos verantwortlich ist, erinnert sich an die Fittipaldi-Zeit und die Lehren, die er aus dem Bouncing zog: "Ich hatte ein grundlegendes Verständnis des Groundeffect-Prinzips und auch des Phänomens, das wir schon vor 40 Jahren als "Porpoising" oder "Bouncing" bezeichnet haben. Ich ahnte also, was auf uns zukommen würde. Höchstens das Ausmaß hat mich überrascht. Eigentlich hätte es jeder wissen müssen. Es ist ein Phänomen, dass diesen Autos in den Genen steckt."

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Auch dank Adrian Newey konnte Max Verstappen den Titel 2022 so überlegen nach Hause fahren.

Geheimnis ist stabile Aerodynamik

Bouncing ist einer dieser Fälle, bei denen Kopfarbeit und Erfahrung noch hilfreich sein konnten. "Es ist schwer dieses Problem in ein Modell zu übertragen. Im Windkanal ist das Modell fixiert. Man kann es also nicht simulieren. Es gab aber Wege es vorherzusagen, und wir haben es relativ schnell in den Griff bekommen. Mit unserem Upgrade am letzten Tag des Bahrain-Tests hatten wir es so weit eingedämmt, dass es nicht mehr störte."

Das Schaukeln ist zunächst einmal ein aerodynamisch erzeugtes Problem, wie Newey erklärt: "Das Problem mit Groundeffect-Autos ist, dass es dich dazu ermutigt, an der Grenze der aerodynamischen Stabilität zu fahren. Wenn du diese Grenze überschreitest, bekommst du Bouncing. Den richtigen Kompromiss zu finden, zwischen Abtrieb und Bouncing, ist nicht einfach. Unser erster Versuch war nicht stabil genug."

Doch am Bouncing ist nicht nur die Aerodynamik schuld. Was viele seiner Kollegen erst viel später erkannten, wusste Newey schon aus eigener Erfahrung. "Damals bei Fittipaldi haben wir einmal in Silverstone mit Gummifedern experimentiert. Harvey liebte diese Dinger. Das machte das Bouncing aber nur noch schlimmer. Das Auto hat auf der Zielgerade so stark geschaukelt, dass die Vorderräder abgehoben haben. Es war eine gute Lektion dafür, dass auch die Mechanik des Autos eine Rolle spielt."

Die Lehre aus dem Bouncing ist, dass Groundeffect-Autos nie in der theoretisch besten Konfiguration gefahren werden können. "Diese Autos verlangen zu viele Kompromisse. Die Kunst ist es, den besten herauszufinden zwischen Fahrzeughöhe, Abtrieb und Bouncing. Vor 40 Jahren hatten wir natürlich nicht die Simulationswerkzeuge von heute. Wir mussten mehr unser Verständnis nutzen. Andererseits boten die Regeln mehr Freiheiten. Die Schürzen und die Gestaltung der Tunnel unter dem Auto gaben uns damals effizientere Möglichkeiten in die Hand das Problem zu lösen."

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