Red Bull: WM-Titel wäre ohne Verstappen nicht möglich

Verstappens bester WM-Titel
„Ohne Max wären wir nicht Weltmeister“

Wer in Las Vegas Weltmeister werden will, muss das Rennen als Fünfter beenden. Nelson Piquet holte sich 1981 in der Glücksspiel-Metropole mit einem fünften Platz seinen ersten Titel. Keke Rosberg ein Jahr später mit dem gleichen Ergebnis seinen einzigen. Und jetzt reichten Max Verstappen zehn WM-Punkte, um seinen Konkurrenten Lando Norris abzuhängen.

Die drei genannten WM-Saisons haben nicht nur die Groundeffect-Autos gemeinsam. Sie stehen auch für Vielfalt. 1981 gewannen sieben Fahrer auf sechs Fabrikaten. Ein Jahr später trugen sich elf Piloten aus sieben Teams in die Siegerliste ein. In der aktuellen WM gibt es sieben Piloten und vier Autos, die mindestens zwei Grands Prix gewonnen haben. Und keiner bekam etwas geschenkt.

Max Verstappen  - GP Las Vegas 2024
Red Bull

Erste fünf Rennen entscheiden

Die Statistik zeigt bereits, dass 2024 ein besonderes Jahr und Max Verstappen ein besonderer Weltmeister war. Weil Red Bull plötzlich nicht mehr das beste Auto hatte. Ab dem GP Miami bestimmte die meiste Zeit ein McLaren das Tempo, immer mal wieder unterbrochen von starken Phasen von Ferrari und Mercedes.

Was nach außen betrachtet wie ein klassisches Duell Mann gegen Mann aussah, war tatsächlich ein Siebenkampf, auch wenn am Ende nur Max Verstappen und Lando Norris realistische Chancen auf den WM-Titel hatten. Die Störfeuer von Ferrari und Mercedes halfen Verstappen mehr als Norris. Weil er die schlechten Tage in mehr Punkte ummünzte als sein Gegenspieler.

Verstappen legte den Grundstein für seinen vierten Titel in den ersten fünf Rennen. Da schien die Saison mit vier Siegen so weiterzugehen, wie die alte aufgehört hatte. "Es fühlte sich an, als würden wir spazieren fahren", blickt der Weltmeister zurück. Red Bulls Nummer eins ging mit einem Vorsprung von 51 Punkten in die zweite Phase der Saison. Von einem Rennen aufs nächste hatte Red Bull einen Gegner. McLaren reichte ein Upgrade um das Blatt zu wenden.

Max Verstappen  - GP Las Vegas 2024
xpb

Red Bull nur kurz in der Krise

Doch McLaren musste das Gewinnen erst lernen. Norris sowieso. Es dauerte bis zum GP Ungarn, bis McLaren seine Überlegenheit auch auf der Strecke ausspielen konnte. Und dann knabberte Norris nur in kleinen Portionen am Vorsprung seines Gegenspielers. Nach dem GP Mexiko stand die Differenz immer noch bei 47 Punkten.

Während der Herausforderer mögliche Siege verschenkte, hielt sich Verstappen seinen Rivalen mit Ergebnissen vom Hals, die besser waren als sein Auto. Die zweiten Plätze von Silverstone, Zandvoort und Singapur, der fünfte von Baku und der dritte in Austin samt seinem Sieg im Sprint dort: Das waren die Big Points der Saison.

Im Bestreben, wieder Anschluss zu finden, gerieten die Red-Bull-Ingenieure bei der Entwicklung des RB20 immer tiefer in den Wald. Je mehr Abtrieb im Windkanal gemessen wurde, desto mehr ging im richtigen Leben die Fahrzeugbalance verloren. Der Tiefpunkt war in Monza erreicht.

Wären die Techniker um Pierre Waché nicht diesem Teufelskreis entflohen, hätte es vielleicht noch einmal eng werden können. Auch ein Verstappen kann nicht ewig zaubern. Doch die Ingenieure schafften die Wende. Und Verstappen hatte seinen Anteil daran. Weil er das Team dadurch antrieb, dass er das Unmögliche möglich machte.

Das war Motivation für die anderen. "Seit Austin sind wir wieder einigermaßen in der Spur. Wir haben zwar immer noch kein Siegerauto, aber wir können wieder kämpfen. Ich bin stolz darauf, dass unsere Truppe die Wende geschafft hat", lobt der 27-jährige Holländer sein Team.

Max Verstappen  - GP Las Vegas 2024
Red Bull

Verstappen holt stets das Maximum

In Brasilien versetzte der alte und neue Champion seinem Widersacher den entscheidenden Knock-Out. Der Regen von Sao Paulo nivellierte die Unterschiede der Autos. Und Verstappen nutzte das Geschenk eiskalt aus. Norris gab zu: "Danach fühlte ich mich eigentlich schon schachmatt."

Red-Bull-Sportdirektor Helmut Marko sagt es klipp und klar. "Kein anderer Fahrer wäre mit diesem Auto Weltmeister geworden." Es war der Titel von Verstappen, nicht der einer überlegenen Technik. Der Red Bull war oft nur das zweit- oder drittbeste Auto. Was sich im augenblicklich dritten Platz in der Konstrukteurs-WM widerspiegelt.

Der neue Champion, der nun auf einer Stufe mit Alain Prost und Sebastian Vettel steht, blickt auf eine sehr intensive Saison zurück. "Es war eine Herausforderung in den schweren Zeiten ruhig zu bleiben." Nur in Ungarn und Monza, als es besonders schlimm war, riss ihm der Geduldsfaden. Trotzdem gibt er zu: "Ich habe in diesem Jahr viel gelernt. Wie man als Team gewinnt, wie man seine Fehler reduziert, wie man das Maximum aus jeder Situation macht und manchmal mehr aus dem Paket rausholt als drinsteckt."

Das sehen auch die Kollegen so. "Max hat keine Fehler gemacht und in jeder Situation das bestmögliche Resultat erzielt", applaudiert Lewis Hamilton. Carlos Sainz verweist auf die Konstanz: "In den letzten vier Jahren hat Max mit dominanten Autos gewonnen und mit weniger dominanten immer noch gut abgeschnitten. Diese Saison hat uns aber auch gezeigt, dass Max schlagbar ist, wenn du in der Lage bist, alles aus dir und dem Auto rauszuholen."

Auch die Gegner haben mitgeholfen, gibt Verstappen zu. "Sie haben bei einigen Gelegenheit nicht die Punkte geholt, die sie hätten holen können. In vielen Rennen waren sie deutlich schneller. Wir hatten in 70 Prozent aller Rennen das schlechtere Auto. Aber um eine Meisterschaft zu gewinnen, muss man konstant sein." Norris protestiert: "Wir waren am Ende nie so überlegen wie es Red Bull zu Saisonbeginn war. Den Titel haben wir nicht nach Miami verloren, sondern vorher."

Max Verstappen  - GP Las Vegas 2024
Wilhelm

In der Ruhe liegt die Kraft

Verstappen kam in den Zeiten, in denen es schwierig wird, sein Charakter zu Hilfe. "Es ist sehr schwer, mich durch irgendetwas aus der Ruhe zu bringen. Ich konzentriere mich auf das Rennfahren und kann alles ausblenden, was drumherum läuft. Positive wie negative Dinge. Ich konzentriere mich nur auf das, was direkt vor mir liegt und fahre das Auto so schnell wie ich kann."

Sein WM-Rivale hat dagegen einen Psycho-Krieg gegen sich selbst inszeniert, indem er jeden seiner Fehler oder Versäumnisse haarklein in aller Öffentlichkeit diskutiert hat. Verstappen zeigt in solchen Momenten sein Pokerface. Über die wenigen Fehler, die er macht, wird nicht gesprochen. Das nennt man mentale Stärke.

Obwohl der vierte Titelgewinn sportlich wertvoller war, hat der erste die meisten Emotionen entfacht und der dritte das Perfektionsdenken in ihm noch mehr befriedigt. Verstappen ärgert sich, dass sein Durchmarsch 2023 allein dem überlegenen Red Bull zugeschrieben wird. "Wir waren nicht so dominant, wie es aussah. Von außen betrachtet wirkte das alles wie ein Kinderspiel, was es nicht war. Wir haben auch gewonnen, wenn wir mal mit dem Setup verwachst hatten. "

Es war längst nach Mitternacht in Las Vegas, als sich der beste Fahrer der Gegenwart noch einmal einen Blick in die Vergangenheit gönnte. "Zu Beginn meiner Karriere hätte ich gesagt, dass es unmöglich ist, vier Mal Weltmeister zu werden. Da wäre ich schon froh gewesen auf dem Podium zu stehen oder mal zu gewinnen, was ja schon schwer genug ist."

Sieben Titel wie Lewis Hamilton oder Michael Schumacher sind deshalb kein erklärtes Ziel. "Ein Titel ist wie sieben. Damit hast du dein Lebensziel erreicht. Wenn es aber sieben werden sollen, dann nehme ich das mit." Viel Zeit bleibt ihm nicht, wenn er tatsächlich nach 2028 aufhören will. Dazu müsste Verstappen in drei der nächsten vier Jahre Titel holen.