McLaren müsste sich eigentlich Sorgen machen. Lando Norris und Oscar Piastri haben das beste Auto im Feld, und trotzdem hängt ihnen Max Verstappen nach drei Rennen im Genick. Einen Punkt hinter Norris, 13 Zähler vor Piastri. Dabei müssten die McLaren-Piloten die Gunst der Stunde nutzen und jetzt einen Vorsprung herausfahren, bevor Red Bull mit seinem Auto die Kurve kriegt.
Auf diese Weise hatte Max Verstappen 2024 seinen vierten Titel gewonnen. Er hat in den ersten fünf Rennen sein überlegenes Auto dazu genutzt, einen großen Vorsprung in der WM aufzubauen. Danach verwaltete er das Polster bis zum Schluss. Sein Vorteil ist dabei, dass sich Red Bull einzig und allein auf ihn konzentriert. Seine Gegner müssen immer auf beide Fahrer Rücksicht nehmen.
Die Weltmeisterschaft wird wahrscheinlich auf einen Dreikampf zwischen Verstappen und den beiden McLaren-Fahrern hinauslaufen. Mercedes und Ferrari müssten schon bald die zwei bis vier Zehntel finden, die sie von den Titelkandidaten trennen. Dabei hat McLaren einen konstanten Vorsprung. Red Bull nur, wenn die Ingenieure endlich das winzige Abstimmungsfenster treffen.

Verstappen holt immer das Maximum raus aus seinem Red Bull RB21.
Am Freitag neben der Spur
Es war das gleiche Muster bei allen drei Grands Prix dieses Jahres. Am Freitag stand Red Bull im Nirgendwo. Pünktlich zur Qualifikation war der RB21 mit Verstappen am Lenkrad konkurrenzfähig. In Suzuka machte er sogar noch von Samstag auf Sonntag einen Sprung, obwohl an den Autos nichts mehr verändert werden darf.
"Ich glaube, die niedrigen Asphalttemperaturen und die geringe Reifenabnutzung haben uns in die Karten gespielt. So hatten wir die Temperaturen der Hinterreifen im Griff", erklärte Verstappen das Geheimnis. Vor dem Qualifying hatte Sportchef Helmut Marko noch einen Platz in der dritten Reihe als realistisches Ziel ausgegeben. Am Ende wurde es die Pole.
Am Freitag präsentierte sich der Red Bull sogar so schlecht, dass der Fahrer das Gefühl hatte, irgendetwas zwischen Vorderachse und Hinterachse verdrehe sich. Sein Auto fiel vom Untersteuern ins Übersteuern und umgekehrt. Jede Kurve lieferte eine neue Überraschung. "Suzuka ist eine Strecke, auf der du Vertrauen brauchst. Und das hatte ich leider nicht", entschuldigte sich der Meister.

Teamchef Christian Horner weiß, dass man die Defizite des Autos nicht ewig kaschieren kann.
Marko verflucht Simulator
Sportchef Helmut Marko verfluchte die Simulatorarbeit, die wieder einmal das falsche Setup hervorgebracht hatte. "Immer wenn uns der Simulator super Rundenzeiten verspricht, geht es auf der Rennstrecke rückwärts. Das war vor zwei Jahren in Monte Carlo so und diesmal wieder. Ich habe Max gesagt, er soll sich lieber auf seine Erfahrung verlassen, als auf das, was der Simulator sagt."
Teamchef Christian Horner schwächt ab: "Der beste Sensor im Auto ist der Fahrer. Wir haben es nach drei Trainingssitzungen geschafft, das Auto doch noch in sein Fenster zu bringen. Und dann war es mit Max in der Lage auf die Pole Position und zum Sieg zu fahren." Doch Verstappen verlangt mehr von Red Bull. Er will ein Auto, bei dem er nicht mehr zittern muss, ob rechtzeitig noch der Groschen fällt.
Um in Suzuka siegfähig zu sein, musste Red Bull seine Autos in praktisch allen Parametern anders einstellen, als es die Simulations-Daten vorgeschlagen hatten. Man könnte deshalb die Korrelation zwischen den Werkzeugen und der Realität in Frage stellen, doch die Wahrheit ist wahrscheinlich eine andere.

Im Gegensatz zur Konkurrenz kann sich Red Bull im WM-Kampf ganz auf einen Fahrer konzentrieren.
Nur in einer Konfiguration gut
Dieser Red Bull RB21 ist ein Auto, das nur in einer einzigen Konfiguration funktioniert. Und die ist auf jeder Strecke, an jedem Tag eine andere. Deshalb bleibt Fahrern und Ingenieuren gar nichts anderes übrig, als sich Schritt für Schritt an das perfekte Setup heranzutasten und zu hoffen, dass es ihnen bis zur Qualifikation gelingt.
Der zweite Fahrer fällt bei diesem Prozess hinten runter. Er hat weder die Erfahrung mit dem Auto noch die Klasse des Chefpiloten, schnell zu einer eigenen Lösung zu finden. Am Ende muss er entweder Verstappens Weg mitgehen oder auf einer eigenen Fahrzeugabstimmung beharren. Beides kostet Rundenzeit.
Technikchef Pierre Waché räumt ein, dass der neue Red Bull die Probleme des alten geerbt hat. "Die Fahrzeugbalance verändert sich ständig. Es dauert zu lange, bis wir das abstellen. Und dann haben wir zum Glück Max im Auto, der das umsetzt. Wenn wir es dauerhaft schaffen würden, wird auch das Arbeitsfenster des Autos wieder größer."

Bahrain kennen die Teams von den Testfahrten. Hier sollten keine Setup-Überraschungen lauern.
McLaren-Steigerung in Bahrain?
Der Franzose verflucht die Groundeffect-Autos, die viele Teams in eine Sackgasse locken: "Am Ende geht es immer um das gleiche Problem. So tief und steif wie möglich fahren, schauen das dabei die Balance des Autos nicht verloren geht und du mit der Planke unter dem Auto legal bleibst." Da war die Auto-Generation davor genügsamer. Es führten mehrere Lösungen zum Ziel.
McLaren ist der einzige Rennstall, der die Stellschrauben zielsicher richtig einstellt. Teamchef Andrea Stella glaubt, dass er trotz des engen Punktestands eine Trumpfkarte in den Händen hat. "Im Moment bestimmen noch das Streckenlayouts und Bedingungen das Ergebnis. Das wird sich setzen. Dann ist es wichtig, das beste Auto zu haben. Du kannst nicht 24 Rennen lang eine Meisterleistung wie die von Max in Suzuka zeigen."
Viele Experten erwarten, dass der McLaren vor allem bei heißeren Temperaturen einen Vorteil hat. Dann kann der Papaya-Renner auch seinen Reifen-Vorteil besser ausspielen. Doch bisher war es an den drei Renntagen jeweils richtig kühl. Das könnte sich aber schon bei den nächsten beiden Rennen in Bahrain und Jeddah ändern. McLaren wäre gut beraten, den Pace-Vorteil endlich in Punkte umzumünzen.