Red Bulls Geheimnisse Fahrzeugentwicklung Formel 1

Red Bulls Erfolgsgeheimnisse
Darum ist Red Bull so gut

Zwei WM-Titel mit Max Verstappen 2021 und 2022. Der WM-Pokal der Konstrukteure in dieser Saison als Sahnehäubchen. 28 Siege in 44 Rennen. Die letzten beiden Saisons liefen nach Maß für Red Bull. Die Mannschaft aus Milton Keynes hat die Vormachtstellung von Erzfeind Mercedes in der Formel 1 gebrochen und ist dabei, selbst ein Bollwerk der Dominanz zu errichten.

Die Technikmannschaft um Stardesigner Adrian Newey ist eingespielt und gefestigt. Die Last ist auf mehreren Schultern verteilt. Red Bull hat seine Abteilungen so aufgestellt, dass man auch Abgänge verkraften kann. Wie beispielsweise den von Dan Fallows, der zu Aston Martin abwanderte, aber angemessen ersetzt wurde.

Der Campus Milton Keynes wird aufgerüstet. Die neue Motorenfabrik steht. Red Bull Powertrains beschäftigt bereits in etwa 300 Personen, die sich um die Power Unit für 2026 kümmern. Mit dem eigenen Motorenprojekt baut sich Red Bull selbst das letzte Puzzleteil für die vollständige Unabhängigkeit. Hersteller und Zulieferer sind an einer Zusammenarbeit interessiert – und auch willkommen, wenn sie Red Bull nicht in der Ausrichtung lähmen. Die Chefs wollen sich nicht reinreden lassen. Ford soll Interesse haben.

Red Bull - Milton Keynes - Fabrik
Red Bull

Red Bull der CFD-Champion

Auch für die Entwicklung der Aerodynamik wird aufgerüstet. Red Bull hat sich zum Ziel gesetzt, in Milton Keynes einen neuen Windkanal zu errichten. Und dann aus der Anlage in Bedford ausziehen. Damit würde Red Bull etwas schaffen, was sonst nur Ferrari hat. Auto und Motor würden komplett an einem Ort entstehen. Mercedes hat zwei Standorte, die durch 28 Meilen (45 Kilometer) voneinander getrennt sind: Brackley für das Chassis und Brixworth für die Motoren.

Der Windkanal in Bedford, den auch Alpha Tauri nutzt, gilt als veraltet. Deshalb will Red Bull selbst aufrüsten. So ein moderner Windkanal auf Formel-1-Niveau kostet über 50 Millionen Euro. Eigentlich hätte man sich die Investition gerne gespart. Adrian Newey war ein Verfechter davon, den Windkanal in der Entwicklung eines Formel-1-Autos auszurangieren, und nur noch per CFD (Computational fluid dynamics) zu erlauben.

Sein primäres Argument war die Nachhaltigkeit, und die geringeren Entwicklungskosten. Es ging aber wohl auch darum, Red Bull zu stärken und die Konkurrenz zu schwächen. Bei Mercedes sagen sie: "Red Bull ist in CFD das Maß der Dinge in der Formel 1." Und beim Windkanal nicht auf dem Stand von Mercedes und Ferrari. Da wäre ein Verbot willkommen gewesen, wozu es aber in naher Zukunft nicht kommt. Auch wenn die Strömungs-Simulation am PC immer wichtiger wird, braucht es den Windkanal. Und zwar zum regelmäßigen Abgleich der Daten.

Ohne droht man, in der digitalen Welt irgendwann auf den falschen Weg zu geraten. Im Windkanal bekommt man immer noch die genauesten Erkenntnisse, wie gewisse Teile den aerodynamischen Luftstrom um das Auto beeinflussen.

Max Verstappen - Red Bull - GP USA 2022
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Das rollende Red-Bull-Labor

Der Windkanal in Bedford ist aktuell kein großer Nachteil für Red Bull. Es dauert zwar zu lange, bis er auf Temperatur kommt und auf die gewünschte Windgeschwindigkeit beschleunigt. Aber die Qualität stimmt. Die Ingenieure sind bestens mit ihm vertraut ist. Sie können mit den CFD-Tools beste Vorarbeit leisten und schon dort die treffsichersten Upgrades unter hunderten Optionen herausfiltern. "Die Qualität der Ergebnisse hängt auch davon ab, wie man den Windkanal zu nutzen weiß."

Die Ingenieure betreiben den alten Windkanal äußerst effektiv. Man hat Prozesse aufgegleist, wie man die bestehenden Ressourcen bestmöglich ausschöpft. Trotzdem braucht es einen neuen, weil die Formel 1 auf absehbare Zeit, manche sagen sogar die nächsten zehn Jahre, nicht vom Windkanal wegkommt. Auch wenn man sich mal zum Ziel gesetzt hatte, 2030 keinen mehr zuzulassen.

Red Bulls große Stärke ist nicht nur das virtuelle Entwickeln und Testen am Computer. Mercedes hat noch eine zweite ausgemacht, die Milton Keynes von allen anderen im Feld abhebt. Kein Team schafft einen so präzisen Datentransfer von der Rennstrecke in die heimische Fabrik. Red Bulls Rennautos sind durch spezielle Sensoren und Vorrichtungen rollende Labore – noch bessere als die Konkurrenz-Produkte. Kein Team könne so gut im Fahrbetrieb feststellen, wo das eigene Auto besonders gut ist und wo Schwachstellen zu beheben sind. Red Bull erkennt sie schnell, und kann dementsprechend schnell gegensteuern.

RB19 eine Evolution

Deshalb brachte das Team dem RB18 bei den Testfahrten auch schnell das Laufen bei. Deshalb – und durch die Erfahrung Neweys mit den alten Ground-Effect-Autos der 1980er Jahre – löste Red Bull das aerodynamische Hoppeln (Bouncing) am schnellsten. Deshalb trimmten die Ingenieure ihr Auto mit zahlreichen Updates am Unterboden hin zu einem breiten Arbeitsfenster mit konstant anliegendem Anpressdruck durch die Kurven. Das Auto von Max Verstappen und Sergio Perez wurde im Saisonverlauf zum größten Allrounder im Feld.

Der RB18 wird als eines der besten Autos überhaupt in die Geschichte der Formel 1 eingehen. Daher braucht es keine Revolution. Der RB19 für 2023 wird eine Evolution. Unter erschwerten Bedingungen. Die reduzierte Zeit im Windkanal und CFD schränkt Red Bull ein. Fraglich ist, um wie viel. Darüber gehen die Meinungen weit auseinander.