Bei der Präsentation des Red Bull RB20 am vergangenen Donnerstag (15.2.) ließ sich Teamchef Christian Horner den Stress nicht anmerken. Im Gespräch mit der Presse versuchte der 50-Jährige stets den Eindruck zu erwecken, als ginge in Milton Keynes momentan alles seinen gewohnten Gang. Doch die laufenden Ermittlungen gegen den Rennstall-Boss hingen wie ein Schatten über der Veranstaltung.
Anderthalb Wochen zuvor hatte Red Bull erstmals bestätigt, dass eine interne Untersuchung gegen Horner eingeleitet wurde. "Das Unternehmen nimmt die Angelegenheit extrem ernst", hieß es damals. "Die Untersuchung wird von einem externen, unabhängigen Ermittlungsanwalt durchgeführt und wird so schnell wie möglich abgeschlossen."

Christian Horner ist mit Ex-Spice-Girl Geri Halliwell verheiratet. Das Paar hat einen Sohn.
Belastendes Beweismaterial?
Am 9. Februar musste sich Horner schließlich den Fragen der Ermittler in London stellen. Doch seitdem ist es verdächtig ruhig geworden. Offizielle Statements gab es weder vom Rennstall noch von der Red-Bull-Muttergesellschaft in Österreich. Nur Horner selbst äußerte sich im Rahmen der RB20-Präsentation.
Der Brite gab dabei zu, dass die Untersuchung eine kleine Ablenkung darstellen würde, er selbst aber bereitwillig mit den Ermittlern kooperiere. "Es wurden Anschuldigungen gemacht, die ich komplett dementiere. Ich hoffe, dass die Sache bald abgeschlossen ist. Es gibt aber keinen festen Zeitplan."
Nachfragen zur Art der Anschuldigungen gegen den Teamchef waren nicht erlaubt. Doch am Freitag (16.2.) berichtete die niederländische Zeitung "De Telegraaf" auf ihrer Webseite, dass es angeblich eine Reihe unangemessener Handynachrichten zwischen Horner und einer weiblichen Angestellten gegeben haben soll. Diese seien den Ermittlern übergeben worden.

Stefano Domenicali macht Druck. Die Formel 1 wünscht sich eine schnellstmögliche Lösung.
F1 will schnellstmögliche Klärung
Eigentlich müsste längst klar sein, ob das Beweismaterial ausreicht, um eine Kündigung zu rechtfertigen. Doch noch ist das Verfahren nicht offiziell abgeschlossen. Auch die Formel-1-Bosse werden langsam unruhig. Rechteinhaber Liberty Media ist ein US-Unternehmen, das strenge Compliance-Vorgaben erfüllen muss – genau wie übrigens der künftige Motorenpartner Ford.
Dass nun ausgerechnet dem Chef des Weltmeisterteams ein Fehlverhalten vorgeworfen wird, wirft kein gutes Licht auf den ganzen Zirkus. In einem Statement machte das F1-Management Druck: "Wir hoffen, dass diese Geschichte nach einem fairen und gründlichen Prozess schnellstmöglich geklärt wird. Zum aktuellen Zeitpunkt werden wir keine weiteren Kommentare abgeben."
Doch nach Informationen von "De Telegraaf" könnte sich die Angelegenheit noch etwas hinziehen. Angeblich sind sich die thailändischen Mehrheitseigner des Red-Bull-Konzerns und die Firmenlenker in Österreich nicht ganz über die Konsequenzen einig. Demnach plant die thailändische Seite an Horner festzuhalten, in Österreich scheint man die Sache dagegen eher mit einer Trennung abschließen zu wollen.

Teammanager Jonathan Wheatley wäre ein möglicher Ersatzmann, sollte Horner über die Angelegenheit stolpern.
Diskussion über mögliche Nachfolger
Noch ist völlig unklar, wie das Tauziehen ausgeht und wann eine Entscheidung getroffen wird. Red Bull wäre aber gut beraten, sich im Hintergrund schon mal nach einem möglichen Nachfolger umzuschauen. Bei einer internen Lösung könnte Teammanager Jonathan Wheatley das Ruder übernehmen. Auch Markenbotschafter David Coulthard wäre eine Alternative.
Oliver Oakes dürfte ebenfalls auf der Liste stehen. Der britische Ex-Rennfahrer führt aktuell das von ihm selbst gegründete Nachwuchsteam Hitech GP, das sehr enge Beziehungen zu Red Bull pflegt. Mit Mattia Binotto und Otmar Szafnauer wären dazu noch zwei prominente Kandidaten mit Teamchef-Vergangenheit auf dem Markt verfügbar.
Am Mittwoch (21.2.) startet die Formel 1 in Bahrain mit den offiziellen Wintertestfahrten. Schon jetzt ist klar, dass die Posse um Christian Horner eines der großen Themen im Fahrerlager sein wird. Man darf gespannt sein, ob der Teamchef zum Saisonstart am 2. März noch am Kommandostand sitzen darf.